25.04.2024

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Folge 42-22 vom 21. Oktober 2022 / Kriegsgerät / Vor 80 Jahren begann hier das Raketenzeitalter / Das größte technische Denkmal in Mecklenburg-Vorpommern befindet sich in Peenemünde

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-22 vom 21. Oktober 2022

Kriegsgerät
Vor 80 Jahren begann hier das Raketenzeitalter
Das größte technische Denkmal in Mecklenburg-Vorpommern befindet sich in Peenemünde
Martin Stolzenau

Zwischen 1936 und 1945 war die Heeresversuchsanstalt in Peenemünde in Vorpommern eines der führenden Technologiezentren weltweit. Hier wurde unter der Leitung von Wernher von Braun an der Entwicklung der Raketentechnologie gearbeitet. Nach mehreren Fehlversuchen gelang am 3. Oktober 1942 in Peenemünde der erste erfolgreiche Probeflug einer Rakete ins All. Das war vor 80 Jahren. Damit begann das Raketenzeitalter, das bis heute anhält und für stetig wachsende Möglichkeiten zur Erforschung des Weltalls sorgt.

Doch zunächst sollte diese Hochtechnologie der deutschen Wehrmacht und später den USA sowie der UdSSR eine militärische Überlegenheit sichern. Die teilweise erhaltenen Anlagen in Peenemünde mit dem ehemaligen Kraftwerk werden jetzt als museale Bildungs- und Kulturstätte mit zahlreichen Sonderausstellungen genutzt und gelten als das „größte technische Denkmal in Mecklenburg-Vorpommern“, das Besucherströme aus aller Welt anzieht. 

Peenemünde liegt am Übergang des Peenestroms in die Ostsee im Nordteil der Insel Usedom in Vorpommern, wurde 1282 erstmals in einer Urkunde des Pommernherzogs Bogislaw IV. als Schenkung an die Stadt Wolgast erwähnt und gehörte nach längerer schwedischer Inbesitznahme ab 1720 zu Preußen. Die deutsche Wehrmacht erwarb 1936 den Nordteil von Usedom mit Peenemünde, verlagerte die einheimische Bevölkerung und errichtete hier eine Heeresversuchsanstalt. 

Die Palette der Bauten, die weitgehend von KZ-Insassen errichtet wurden, reichte vom Bahnhof mit Verladerampe und Funktionsgebäuden über Bunkeranlagen sowie Luftschutzbauten bis zum gewaltigen Kraftwerk und zu Einrichtungen zur Herstellung des Raketentreibstoffs. Als Forschungschef für die Raketenentwicklung fungierte in der „geheimen Stadt“ mit 15.000 Mitarbeitern Wernher von Braun, der seit Fritz Langs Film „Frau im Mond“, diversen utopischen Romanen über die Eroberung des Weltraums und eigenen diesbezüglichen Studien von einer deutschen Fernrakete träumte. 

Dazu gesellten sich andere hochqualifizierte Ingenieure für die verschiedenen Entwicklungsbereiche. Sie bildeten eine sprichwörtliche „Wissenschaftskolonie“, die allerdings im wachsenden Maße unter Erfolgsdruck geriet. 

Nach einigen Fehlversuchen der ersten Raketentests wuchs der Druck auf die Raketenforscher um Wernher von Braun in Peenemünde. Am 3. Oktober 1942 gelang dann endlich der erste erfolgreiche Raketenstart ins All. Das Aggregat 4, das als Vergeltungswaffe 2 (V2) Bekanntheit erlangte, schaffte mit 25 Tonnen Schub und einem Gewicht von 14 Tonnen die fünffache Schallgeschwindigkeit, rund 90 Kilometer Höhe und etwa 300 Kilometer Weite. Dieser spektakuläre technische Durchbruch hatte eine Serienproduktion zur Folge und bald erste Raketenangriffe auf England. 

Die Nationalsozialisten deklarierten die Rakete als Wunderwaffe und hofften damit auf eine Wende im für sie immer ungünstigeren Kriegsverlauf. Doch dann bombardierten die Alliierten Peenemünde. Der Raketenbau wurde deshalb in den Harz bei Nordhausen in unterirdische Fertigungsräume verlagert, wo KZ-Häftlinge unter unmenschlichen Bedingungen ihren Blutzoll zum Gelingen der Raketenträume leisten mussten. Aus heutiger Sicht kamen bei der „Wunderwaffen“-Entwicklung und -produktion etwa 15.000 Häftlinge ums Leben, ein Umstand, von dem später von Braun und seine Inge­nieure nichts gewusst haben wollten. 

Am Ende des Krieges stellte sich der V-Waffenentwickler in Bayern mit einigen seiner Mitarbeiter und einer Fülle von Konstruktionsunterlagen den Amerikanern, um in den USA eine neue Karriere zu beginnen, die bis zur Mondlandung 1969 reichte. Damit erfüllte sich von Braun seinen Jugendtraum. Die vom Krieg verschonten Teile von Peenemünde wurden später nach sowjetischer Nutzung ein NVA-Standort, blieben weiter geheim und nahmen nach der Wende eine museale Entwicklung. 

Die 25 Hektar des Gebietes der früheren Heeresversuchsanstalt wurden schrittweise, bis hin zur Erschließung des Kraftwerkes, erforscht und mündeten ein in die Einrichtung eines Historisch-Technischen Museums. Das entwickelte sich zu einem schwierigen Prozess, denn es galt, fortschrittliche Pionierleistungen im technischen Bereich mit dem damit verbundenen Vernichtungswillen der Nationalsozialisten und den KZ-Opfern in ein angemessenes Verhältnis zu setzen. 

Das ist offenbar gelungen. 2013 erhielt das Historisch-Technische Museum in Peenemünde den „Europa Nostra Award“. Das ist die höchste europäische Denkmal-Auszeichnung.