20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 42-22 vom 21. Oktober 2022 / Plastikmüll / Die tierischen Entsorgungshelfer / Wie die Natur uns bei der „Rettung der Welt“ auf die Sprünge hilft – Raupen, die Styropor fressen, und Bakterien, die Plastik vernichten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-22 vom 21. Oktober 2022

Plastikmüll
Die tierischen Entsorgungshelfer
Wie die Natur uns bei der „Rettung der Welt“ auf die Sprünge hilft – Raupen, die Styropor fressen, und Bakterien, die Plastik vernichten
Stephanie Sieckmann

Tag für Tag sind weltweit Forscher damit beschäftigt herauszufinden, wie die großen Probleme der heutigen Zeit in den Griff zu bekommen sind. Dazu gehören unter anderem Vermüllung der Meere, globale Erderwärmung, steigende CO₂-Emissionen und zunehmende UV-Strahlung. Studien und Forschung liefern dabei immer wieder überraschende Ergebnisse: Für so manches Problem bieten die Natur und Tiere Lösungsansätze an.

Wenn es um die Vermeidung und Reduzierung von Plastikmüll geht, ist weniger mehr. Ein ambitioniertes britisches Unternehmen hat errechnet, dass durch den Einsatz seines Mehrwegkonzepts für Körperpflegeprodukte, das vollständig auf Kunststoff verzichtet, jährlich rund 61 Tonnen Plastik eingespart werden können. Während in der Küche die Mülltrennung und -vermeidung bereits etabliert ist, wird im Badezimmer noch größtenteils mit Einwegverpackungen hantiert. Nachfüllpackungen werden in diesem Bereich bislang ebenfalls in Plastikform angeboten. 

Die Müllberge wachsen. Jahr für Jahr. Allein in Deutschland ist im Jahr 2018 eine Menge von 18,9 Millionen Tonnen Plastikmüll produziert worden. Sogar in der Landwirtschaft kommt Plastik zum Einsatz. Getreide, Saat, Ernte, Tierhaltung, Weideflächen. Wer denkt, dass dieser Wirtschaftszweig Natur pur ist und ohne Plastik auskommt, täuscht sich. Allein in diesem Bereich werden weltweit jährlich etwa 6,5 Millionen Tonnen Plastik verwendet. 

Die existierenden Mengen an Plastikmüll – die Verottungszeit kann 400 bis 500 Jahre betragen– müssen bewältigt werden. Recyclingfirmen verwerten bislang nur geringe Anteile des Plastikmülls. In der Regel sind es Bruchteile der durch Mülltrennung angelieferten Wertstoffe. Der Rest wird weiterhin nach Südostasien verbracht. Es handelt sich dabei um eine Maßnahme, die nicht wirklich zielführend ist, da der Plastikmüll auch in Asien nur zu einem geringen Teil verwertet wird. Der Rest wird verbrannt oder ins Meer gekippt. Und vergrößert damit das Problem der Vermüllung in den Ozeanen. 

Unterstützung im Kampf gegen Mikroplastik im Wasser kann nach Forschungsergebnissen die Natur leisten. So haben Forschungen gezeigt, dass bestimmte Bakterien Plastik auflösen können. Wissenschaftler in Kyoto (Japan) haben im Jahr 2016 entdeckt, dass sich das Bakterium Ideonella sakaiensis ganz besonders gerne an PET ansiedelt und diesen Kunststoff aufzulösen vermag.

Inzwischen wird mit Hochdruck daran gearbeitet, eine schneller fressende Bakterie zu züchten, damit die vorhandenen Berge an Plastikabfall abgebaut werden können. Sorge bereitet den Forschern bei ihrer Arbeit jedoch der Gedanke, dass Bakterien den Unterschied zwischen „gutem“ und „schlechtem“ Kunststoff eventuell nicht erkennen können und sich mit der gleichen Fresslust auf Kabelisolierungen oder andere Plastik-Komponenten stürzen könnten. 

Doch es gibt Alternativen zu den Bakterien, wenn es um die Bekämpfung von Mikroplastik im Wasser geht: die Okraschote, ein Gemüse, das in der kreolischen, asiatischen und afrikanischen Küche gerne verwendet wird. Bei Untersuchungen von Wissenschaftlern der Tarleton State University im US-Bundesstaat Texas ist herausgekommen, dass die Pflanze offensichtlich in der Lage ist, Mikroplastik aus Wasser zu filtern. 

Mehr Kot von Walen wäre hilfreich

Die Schleimstoffe der Pflanze sind es, die bei dem Filtervorgang zum Einsatz kommen und ein ähnliches Wirkprinzip zeigen wie die bislang eingesetzten Chemikalien. Die Okra-Nutzung ist sogar so einfach und unkompliziert, dass der kommerzielle Einsatz in industriellem Umfang denkbar zu sein scheint. 

Ein anderes Tier, das Unterstützung im Kampf gegen den Müll bietet, ist die Larve des Großen Schwarzkäfers. Sie hat großen Appetit auf Styropor und kann dank ihrer Enzyme aus diesem Material Energie gewinnen. Wissenschaftler der University of Queensland (Australien) haben den Wurm unter die Lupe genommen und herausgefunden, dass der Einsatz der Larven in der Styroporbeseitigung möglich ist. Eine große Farm mit Schwarzkäferzucht ist trotz der Erkenntnisse keine Option. Vielmehr geht es darum, die Enzyme der Larve zu identifizieren und nachzubauen, um mit diesen Enzymen dem Müll zu Leibe zu rücken.

Ein ganz anderer Bereich, der Nachhaltigkeit möglich macht, sind Exkremente. In Südkorea setzt die Universität Ulsan eine Toilette zur Stromerzeugung ein. Jedem Studenten, der das besondere WC aufsucht, werden pro Aufenthalt Einheiten einer digitalen Währung gutgeschrieben, die in der Mensa in Form von Obst, Kaffee und so weiter eingelöst werden kann. Das Prinzip Essen gegen Toilettennutzung sorgt hier für einen natürlichen Energie-Kreislauf.

In Indien stellt eine Firma Papier aus verschiedenen Abfallprodukten her, unter anderem aus Bananenrinde, Reisstroh und Zuckerrohrresten. Ursprünglich ein Betrieb mit dem Schwerpunkt Altpapierverwertung, stellt die Firma Maximus in Sri Lanka seit inzwischen 20 Jahren Papier aus Elefantendung her. Die Exkremente werden getrocknet, gereinigt, mit Altpapier vermischt, gekocht und wieder aufbereitet. Die daraus hergestellten Produkte wie Notizbücher und Grußkarten werden inzwischen in mehr als 30 Länder weltweit exportiert. 

Die Exkremente eines weiteren Tieres stehen bei anderen Forschungen hoch im Kurs. Wale nehmen in kalten, nährstoffreichen Gewässern große Mengen an Futter auf, wandern dann zu ihren Brutplätzen, die in warmen, nährstoffarmen Gewässern liegen und geben dort eine beeindruckende Menge an Exkrementen ab. Mit Eisen und Stickstoff angereichert, liefert der Walkot eine perfekte Grundlage für das Wachstum von Plankton. 

Diese kleinen Wasser-Lebewesen haben erstaunliche Fähigkeiten. Sie erzeugen Fotosynthese in einem enorm großen Umfang. Das Copenhagen Institute for Future Studies (Dänemark) hat in einem Beitrag der Zeitschrift Farsight eine interessante Rechnung dazu aufgemacht. Der Anstieg der Phytoplanktonanzahl um ein Prozent könnte die CO₂-Bindung so drastisch erhöhen wie ein Plus von zwei Milliarden ausgewachsener Bäume. Um die Menge an Phytoplankton zu erhöhen, wäre mehr Walkot hilfreich. Die Vergrößerung der Walpopulationen in den Weltmeeren wäre entsprechend der erste Schritt. Der Versauerung der Meere könnte auf diese Weise entgegengearbeitet werden. Das zeigt: Bei der Aufarbeitung unserer Plastik- und Technologiesünden kann die Natur der beste Helfer sein.