26.04.2024

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Folge 42-22 vom 21. Oktober 2022 / Bücher in Kürze / Lesestoff für die kalte Jahreszeit / Preußen und seine Politik-, Kultur-, Geistes-, Wirtschafts- und Wissenschaftsgeschichte bewegen noch immer die Dichter und Denker. Eine kleine – keineswegs vollständige – Übersicht über aktuelle Neuerscheinungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-22 vom 21. Oktober 2022

Bücher in Kürze
Lesestoff für die kalte Jahreszeit
Preußen und seine Politik-, Kultur-, Geistes-, Wirtschafts- und Wissenschaftsgeschichte bewegen noch immer die Dichter und Denker. Eine kleine – keineswegs vollständige – Übersicht über aktuelle Neuerscheinungen

Der Fall Immanuel Kant  

Kann es sein, dass ausgerechnet Immanuel Kant, Preußens bedeutendster Philosoph und Schlüsselfigur der europäischen Aufklärung, ein Rassist war? Und sind die großen kantianischen Werte – wissenschaftliche Objektivität, moralische Autonomie, vernunftbezogene Religiosität, Freiheit und pazifistischer Kosmopolitismus – nur Masken, hinter denen sich eine eurozentrisch reduzierte Weltanschauung verbirgt, die mit globalem Herrschaftsanspruch auftritt? So zumindest stellen es „woke“ Aktivisten in jüngster Zeit wiederholt dar. Da sich der Angeklagte nicht selbst verteidigen kann, untersucht der Kant-Biograph Manfred Geier, in dieser Studie den „Fall“ des Königsberger Philosophen. Dabei will Geier Kant und dessen Werk von der Anklage gar nicht pauschal freisprechen, allerdings versucht er, heute befremdlich erscheinende Äußerungen in ihren historischen Zusammenhang zu stellen. Zudem zeichnet Geier nach, worum es in den damaligen Debatten ging, was wir heute aus ihnen lernen können, was es zu kritisieren und was es zu verteidigen gilt.

Manfred Geier Philosophie der Rassen. Der Fall Immanuel Kant Matthes & Seitz Berlin 2022, kartoniert, Klappenbroschur, 117 Seiten ISBN-13: 978-3-7518-0538-4, 14,- Euro





Ein Franzose in Preußen  

Zugegeben: Die Zeit Voltaires am Hof von Sanssouci wehrte nicht lange und sie verlief weder für ihn noch für seinen Gastgeber Friedrich den Großen besonders glücklich. Dennoch gehört die Anwesenheit des französischen Philosophen in Berlin und Potsdam untrennbar zu jener Zeit, als Preußen allmählich zum Staunen der Welt wurde. Dass Voltaires „Traktat über die Toleranz“ nach den Anschlägen auf die Satirezeitung „Charlie Hebdo“ 2015 eines der meistverkauften Bücher Frankreichs war, zeigt seine bleibende Aktualität auch in der Gegenwart.  Volker Reinhardt erzählt denn auch in seiner Biographie fesselnd von einem intellektuellen Literaten, der sich an einer staatlichen Lotterie bereicherte, über die Mächtigen und Etablierten spottete, die Hofgesellschaften in Versailles und Potsdam provozierte, sich virtuos zu tarnen verstand und schließlich in Ferney sein eigenes Reich schuf. Voltaires abenteuerliches Leben ist für Reinhardt, wie seine Werke, ein eindrucksvolles Manifest für die Freiheit in einer autoritätsgläubigen Welt.

Volker Reinhardt Voltaire. Die Abenteuer der Freiheit C.H. Beck 2022, Gebunden, 607 Seiten mit 52 Abbildungen, einem farbigen  Frontispiz und zwei Karten ISBN-13: 978-3-406-78133-9 32 Euro





Mord an einem großen Patrioten 

Geistreich, geschäftlich erfolgreich und politisch gut vernetzt – so wurde Walther Rathenau zu einem der wichtigsten Repräsentanten des liberalen jüdischen Bürgertums im Kaiserreich. Am 24. Juni 1922 wurde er, inzwischen Reichsaußenminister der Weimarer Republik, auf offener Straße in Berlin erschossen. Zusammen mit anderen Attentaten erschütterte der Terror rechtsradikaler Gruppierungen den jungen Staat. Martin Sabrow geht der Frage nach: Waren die Attentate aufgehetzten Einzeltätern zuzuschreiben, oder steckte hinter ihnen das organisierte Mordkomplott eines Geheimbundes? Der schon von den Zeitgenossen verdächtigten Organisation „Consul“ konnte (oder wollte) die deutsche Jusitz keine Schuld nachweisen. Und doch hatte sie laut Sabrow offensichtlich alle Fäden in der Hand. Der Autor deckt die Geschehnisse von damals auf und weist die bewusste Rechtsbeugung der konservativen Justiz nach und erklärt, warum das Ziel der Attentatsserie in der Öffentlichkeit lange im Verborgenen blieb: Sie sollte der Auftakt zur deutschen Gegenrevolution werden.

Martin Sabrow Der Rathenaumord und die deutsche Gegenrevolution Wallstein 2022, gebunden, 334 Seiten mit 17 Abbildungen ISBN-13: 978-3-8353-5174-5, 30 Euro





Preußen und die Ägyptologie 

Zu den großen Gelehrten Preußens, an die heute jenseits der Fachwelt kaum noch erinnert wird, gehört Richard Lepsius. Nach Studien in Leipzig, Göttingen und Berlin brachte er im Rahmen einer Übersetzung Ordnung in die Entschlüsselung der Hieroglyphen und „begründete damit die methodische Erforschung der ägyptischen Sprache“ (Wikipedia). 1842 übernahm er die Leitung einer im Auftrag von König Friedrich Wilhelm IV. aufbrechenden preußischen Expedition nach Ägypten. Dieser wegweisenden Reise widmet sich derzeit das Ägyptische Museum in Berlin in einer Sonderausstellung. Im Zentrum stehen die unterschiedlichen Objekte und Materialien, die von der Reise mitgebracht wurden, und deren Einfluss auf die Entwicklung der damals entstehenden Wissenschaft der Ägyptologie. Das Begleitbuch bietet einen umfassenden Einblick in den historischen Kontext der Forschungsreise und porträtiert deren Protagonisten. Es zeigt Tagebücher, Objekte, Skizzen und Zeichnungen der Expeditionsteilnehmer sowie deren anhaltende Bedeutung für die moderne Ägyptologie. 

Silke Grallert / Jana Helmbold-Doyé Abenteuer am Nil. Preußen und die Ägyptologie 1842-1845 Kulturverlag Kadmos 2022, kartoniert, Klappenbroschur, 480 Seiten, mit zahlreichen farbigen Abbildungen, ISBN-13: 978-3-86599-534-6, 49,80 Euro





Historisches Basiswissen  

Im Zuge des Verlustes des historischen deutschen Ostens liegt der Fokus in der Betrachtung preußischer Geschichte zunehmend auf Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Dabei gerät aus dem Blick, dass auch andere Regionen und Provinzen untrennbar mit der preußischen Geschichte verbunden sind. Das herausragende Beispiel dafür ist der Deutsche Orden, der ab 1231 das Land der heidnischen Pruzzen eroberte und besiedelte – und damit jenes Land erschloss, das Preußen später seinen Namen gab. Jürgen Sarnowsky erzählt in einem schmalen Band, der nun in dritter Auflage erscheint, überblicksartig und zugleich fundiert die faszinierende Geschichte des geistlichen Ritterordens von den Anfängen im 12. Jahrhundert im Mittelmeerraum über die Gründung, Blütezeit und Auflösung der Ordensherrschaft im Land der Pruzzen bis hin zur Gegenwart. Der Autor widmet sich dabei nicht nur der politischen Rolle des Ordens, sondern auch seiner Spiritualität sowie seiner kulturellen und wirtschaftlichen Bedeutung, die weit über Deutschland hinausweisen.

Jürgen Sarnowsky   Der Deutsche Orden C.H. Beck Wissen 2022, kartoniert, 128 Seiten mit vier Abbildungen und drei Karten, ISBN: 978-3-406-78196-4, 9,95 Euro