19.04.2024

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Folge 43-22 vom 28. Oktober 2022 / Rechtsstaat / „Unzulässige politische Einflussnahme“ / Richterbund wehrt sich gegen Berlins Justizsenatorin Lena Kreck (Linkspartei)

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-22 vom 28. Oktober 2022

Rechtsstaat
„Unzulässige politische Einflussnahme“
Richterbund wehrt sich gegen Berlins Justizsenatorin Lena Kreck (Linkspartei)
Norman Hanert

Erst im Juli hatte sich Berlins Justizsenatorin Lena Kreck entschieden gegen eine Einmischung in die Ermittlungen zu den Straßenblockaden von Klima-Extremisten verwahrt. Nach Kritik am langsamen Vorankommen der Ermittlungsverfahren sagte die Linkspartei-Politikerin: „Wir leben in einem Rechtsstaat mit einer Gewaltenteilung, da haben politische Einflussnahmen auf Richter und Strafverfolgungsbehörden nichts verloren.“ 

Nur wenige Monate später ist es nun der Richterbund, der gegenüber der Justizsenatorin darauf pocht, dass die Justiz unabhängig bleibt. Anlass ist ein gemeinsamer Brief, den sie mit Sozialsenatorin Katja Kipping (ebenfalls Linkspartei) Mitte Oktober an die Berliner Gerichtspräsidenten geschickt hat. Darin appellieren die beiden Senatorinnen an die Gerichte, angesichts der steigenden Preise bei säumigen Mietern möglichst auf Zwangsräumungen zu verzichten.

Der Berliner Landesverband des Deutschen Richterbundes reagierte darauf ebenfalls mit einem Brief, in dem er die Aufforderung ganz deutlich als „unzulässige politische Einflussnahme“ zurückweist. Wie Stefan Schifferdecker, der Co-Vorsitzende des Landesverbandes des Richterbundes, erklärte, sind sich die Richter ihrer Verantwortung in Krisenzeiten bewusst, aber sie seien Recht und Gesetz verpflichtet: „Sie dürfen sich nicht nach emotionalen Aufrufen richten und keine Streitpartei bevorteilen. Wir würden auch Appelle der Immobilienwirtschaft zurückweisen, in deren Sinn zu entscheiden“, so Schifferdecker.

Senatorin scheitert vor Gericht

Nur kurz vor dem Appell an die Berliner Gerichtspräsidenten war die Kreck unterstehende Justizverwaltung vor dem Richterdienstgericht Berlin mit einem Versuch gescheitert, eine Richterin des Berliner Landgerichts vorzeitig in den Ruhestand zu versetzen. Die Justizverwaltung hatte der Zivilrichterin Birgit Malsack-Winkemann vorgeworfen, sie habe während ihrer Zeit als Mitglied der AfD-Bundestagsfraktion zwischen 2017 und 2021 ausgrenzende und offensichtlich falsche Behauptungen zu Flüchtlingen geäußert. Vorgeworfen wurde Malsack-Winkemann zudem, sie plädiere für ein „kulturell homogenes Staatsvolk“.

Das Richterdienstgericht, angesiedelt beim Verwaltungsgericht Berlin, entschied jedoch, die Äußerungen Malsack-Winkemanns während ihrer Zeit als Bundestagsabgeordnete dürften in dem Verfahren um ihre Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand nicht verwertet werden. Zur Begründung verwies das Gericht auf den Artikel 46 des Grundgesetzes. Dieser Artikel schließt aus, dass Bundestagsabgeordnete wegen ihrer Äußerungen im Parlament gerichtlich oder dienstlich verfolgt werden. 

Bei Äußerungen, die nicht im Rahmen der parlamentarischen Tätigkeit von Malsack-Winkemann getätigt wurden, sah das Richterdienstgericht wiederum nicht die Qualität, die auf eine „schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege“ hindeutet. Aus Sicht des Gerichts hat die Berliner Justizverwaltung entsprechende Nachweise nicht vorgelegt. Auch das Richterdienstgericht konnte solche Nachweise nicht feststellen.

CDU will Eingriffe erleichtern

Wenige Tage nach dem Urteil unternahm die CDU-Fraktion im Rechtsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses einen Vorstoß, um im Land Berlin die Möglichkeit einer sogenannten Richteranklage zu schaffen. Diese soll es ermöglichen, dass das Abgeordnetenhaus das Bundesverfassungsgericht anrufen kann, um die Versetzung eines Richters zu erwirken, beispielsweise wenn wegen dessen politische Betätigungen Zweifel an dessen Integrität bestehen. Mit Ausnahme der AfD-Fraktion stieß der Vorstoß der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus auf breite Zustimmung. Auch Kreck soll dem Vorhaben der CDU-Abgeordneten positiv gegenüberstehen. Für eine Richteranklage muss die Berliner Landesverfassung allerdings geändert werden.

Die CDU-Fraktion begründet ihre Forderung unter anderem mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung innerhalb der Richterschaft. Tatsächlich existiert im Land Brandenburg bereits die Möglichkeit einer Richteranklage. Beide Länder haben zudem gemeinsame Fachobergerichte, etwa das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Richter dieser gemeinsamen Gerichte unterliegen schon jetzt den entsprechenden Vorschriften Brandenburgs. Obwohl in den meisten Bundesländern mittlerweile die Möglichkeit einer Richteranklage besteht, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner jahrzehntelangen Geschichte noch nie über eine Richteranklage entscheiden müssen.