26.04.2024

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Folge 43-22 vom 28. Oktober 2022 / Norodom Sihanouk / Ein Repräsentant der Khmer über Regimewechsel hinweg / Kaum ein anderer stand an der Spitze derart vieler Staatsformen und Befreiungsorganisationen wie der vor 100 Jahren geborene Asiat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-22 vom 28. Oktober 2022

Norodom Sihanouk
Ein Repräsentant der Khmer über Regimewechsel hinweg
Kaum ein anderer stand an der Spitze derart vieler Staatsformen und Befreiungsorganisationen wie der vor 100 Jahren geborene Asiat
Manuel Ruoff

Wie Norodom Sihanouk haben auch andere Menschen über Jahrzehnte an der Spitze ihrer Nation gestanden, aber doch nicht in derart vielen Funktionen und Ämtern, Staatsformen und Konstellationen. In seiner bewegten (Herrscher-)Biographie spiegelt sich die leidvolle Geschichte seines Landes im letzten Jahrhundert mit all ihren Brüchen, Zäsuren und Interventionen von außen.

Sein Land war französische Kolonie, als Sihanouk am 31. Oktober 1922 in der Hauptstadt Phnom Penh in Kambodschas Herrscherfamilie hineingeboren wurde. Obwohl er von der Erbfolge her nicht dran war, machten die Kolonialherren ihn nach dem Tode von König Sisowath Monivong 1941 zu dessen Nachfolger. Sie erwarteten dafür Dankbarkeit von dem damaligen Jüngling, aber er kämpfte für die Beendigung ihrer Fremdherrschaft.

Unter japanischem Schutz rief der König am 12. März 1945 die Unabhängigkeit seines Landes aus. Aber nach der Niederlage Japans im Zweiten Weltkrieg sah er sich schon wenige Monate später gezwungen, sich mit der französischen Siegermacht zu arrangieren.

Eine neue Chance bot der Indochinakrieg. Frankreichs Niederlage von 1954 vorausahnend, proklamierte er ein Jahr zuvor bereits erneut die Unabhängigkeit seines Landes. Auf der Genfer Indochinakonferenz wurde sie international bestätigt.

Als die langjährige Regierungspartei, die Demokratische Partei, nach links driftete und monarchiekritischer wurde, überließ Sihanouk 1955 seinem Vater Norodom Suramarit das eher repräsentative Amt des Königs, um sich aktiv in die Parteipolitik mischen zu können. Er gründete die Sozialistische Volksgemeinschaft, welche die Demokratische Partei als Regierungspartei ablöste, und übernahm selbst zeitweise als Ministerpräsident die Führung der Regierungsgeschäfte. Nach dem Tode seines Vaters übernahm er wieder das Amt des Staatschefs, ohne allerdings den Königstitel wieder aufzunehmen.

Sihanouk erstrebte innenpolitisch einen Buddhistischen Sozialismus und außenpolitisch die Blockfreiheit. Das missfiel den USA, die nach Verbündeten in ihrem Vietnamkrieg suchten. 1970 wurde Sihanouk während einer Auslandsreise Opfer eines pro-US-amerikanischen Putsches. 

Im Exil bildete Sihanpuk die Nationale Einheitsfront von Kampuchea (FUNK) und die Königliche Regierung der Nationalen Einheit Kampucheas (GRUNK), beide unter Einschluss der Roten Khmer. In Kambodscha begann ein Bürgerkrieg, den die Einheitsfront 1975 gewann. Sihanouk wurde wieder Staatsoberhaupt.

Allerdings hatten die von der Volksrepublik China und Nordvietnam unterstützten Roten Khmer schon vor dem gemeinsamen Sieg über die pro-US-amerikanischen Putschisten begonnen, die anderen Mitglieder von FUNK und GRUNK zu verfolgen. Fünf Kinder und 15 Enkel Sihanouks wurden von den Roten Khmer getötet. Er selbst musste 1976 aus „gesundheitlichen Gründen“ zurücktreten und wurde unter Hausarrest gestellt.

1979 marschierten Truppen der sowjetfreundlichen Sozialistischen Republik Vietnam in Kambodscha ein und beendeten die Herrschaft der chinafreundlichen Roten Khmer. Sihanouk ging ins chinesische Exil. Wie weiland nach dem Putsch von 1970 gegen das US-freundliche versammelte sich nun hinter ihm ein breites Bündnis gegen das vietnamfreundliche Regime in seiner Heimat. Es wurde getragen beziehungsweise unterstützt von Patrioten und Nationalisten wie ihm, die grundsätzlich Fremdherrschaft ablehnten, von den Roten Khmer und der mit ihnen verbündeten Volksrepublik China, von Gegnern des Sowjetsystems sowie vom Westen, der über das Regime in Phnom Penh Vietnam und die Sowjetunion schwächen wollte.

Nach dem Sieg des Westens über die Sowjetunion im Kalten Krieg kam es schließlich zu einer friedlichen Lösung. Vietnam zog sich aus Kambodscha zurück, die UN übernahmen für 1992/93 die Verwaltung und 1993 wurde das Land eine demokratische Wahlmonarchie mit Sihanouk als König.

2004 legte Sihanouk die Krone nieder. Zum einen war er von Schlaganfällen, Diabetes, Bluthochdruck und Darmkrebs geschlagen, zum anderen konnte er so aktiv seine Nachfolge begleiten. Der Thronrat wählte seinen Sohn Norodom Sihamoni zu seinem Nachfolger. Letzterer war bei der Thronbesteigung 51 Jahre alt. Der Fortbestand von Monarchie und Dynastie schien damit erst einmal gesichert. Sihanouk selbst starb acht Jahre nach der Thronübergabe, am 15. Oktober 2012, in Peking, wo er seine diversen Leiden hatte behandeln lassen.