23.04.2024

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Folge 43-22 vom 28. Oktober 2022 / Jura / Im Schatten des Sputnik-Schocks auf Vortragstour / Vor 65 Jahren tourten die Weltraumrechts-Pioniere Welf Heinrich Prinz von Hannover und Andrew G. Haley durch die USA

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-22 vom 28. Oktober 2022

Jura
Im Schatten des Sputnik-Schocks auf Vortragstour
Vor 65 Jahren tourten die Weltraumrechts-Pioniere Welf Heinrich Prinz von Hannover und Andrew G. Haley durch die USA
Heinrich Prinz von Hannover

Vor knapp sieben Jahrzehnten erfuhr der US-amerikanische Rechtsanwalt und Präsident der American Rocket Society, Andrew G. Haley, aus Berichten von US-amerikanischen Universitäten über eine damals brandaktuelle in Göttingen erschienene Dissertation „Luftrecht und Weltraum“. Noch nie zuvor war ein Jurist auf diesem Gebiet promoviert worden. Haley nahm sofort Kontakt auf zu dem Verfasser der Dissertation, Welf Heinrich Prinz von Hannover, und reiste nach Frankfurt am Main. Der US-Amerikaner sowie der jüngste Sohn des Herzogs Ernst August von Braunschweig und dessen Ehefrau Viktoria Luise geborene Prinzessin von Preußen waren sich sofort darüber im Klaren, dass sie im Wettlauf um den ersten Raumflug ihr juristisches Wissen der Weltraumforschung zur Verfügung stellen würden. Auf Einladung von Haley aus dem Jahr 1956 reiste der Prinz von Hannover im November 1957 in die USA, um dort die Thesen seiner Dissertation zu erläutern.

Die USA-Reise des Prinzen wurde im Vorfeld bereits vom Sputnik-Schock überschattet. Noch vor seiner Abreise nach New York hatte am 4. Oktober 1957 die Sowjetunion den ersten künstlichen Erdsatelliten in eine Umlaufbahn geschickt, was der US-amerikanischen und der europäischen Öffentlichkeit inmitten des Kalten Krieges die gegnerische Überlegenheit auf dem Gebiet der Raketentechnik vor Augen führte.

Wenige Tage nach dessen Ankunft im New Yorker Hotel Barclay, am 3. November 1957, begrüßte Haley den Prinzen von Hannover. Es war ausgerechnet der Tag, an dem die UdSSR einen weiteren Erdtrabanten, Sputnik 2 mit dem Hund Laika, erfolgreich ins All schoss und dem Westen erneut eine außerordentliche Demütigung erteilte. Man muss sich dabei vergegenwärtigen, dass die gesamte US-amerikanische Öffentlichkeit im November 1957 diesen Sputnik-Schock miterlebte. Zeitungen, Radiosender und das Fernsehen berichteten täglich über den sowjetischen Erdtrabanten. Nachts konnte man diesen sogar mit bloßem Auge über einer amerikanischen Stadt sehen.

Haley hielt aber unbeirrt an den Plänen seiner Vortragsreise mit dem blaublütigen „Weltraumjuristen“ aus Deutschland fest. Haley und der Prinz bereisten vom 4. bis zum 26. November 1957 mehrere Universitäten und Institutionen in verschiedenen US-Staaten. Dabei hielten sie gemeinsam insgesamt 24 Vorträge. 

Haley ging in seinen Vorträgen überwiegend auf luftrechtliche Fragen ein, während sich sein deutscher Gast in seinen Vorträgen auf die Rechtsprobleme konzentrieren konnte, die bei der Erschließung des Weltraums in Erscheinung treten würden und die einen wesentlichen Aspekt in seiner Dissertation „Luftrecht und Weltraum“ einnahmen. Darin diskutierte er im Schwerpunkt die Fragen: „Wie hoch reicht die staatliche Souveränität?“ oder „Gibt es eine Grenze der staatlichen Souveränität?“ 

In seinen Vorträgen versuchte der Prinz herauszustellen, dass die herkömmliche, in der Rechtslehre überwiegend vertretende Auffassung, die Souveränität eines Staates reiche so weit wie das menschliche Einwirkungsvermögen in die Vertikale, allein schon durch die Ankündigung der Großmächte Anfang der 50er Jahre, in Zukunft künstliche Erdsatelliten um die Erde kreisen zu lassen, überholt worden sei. Denn die künstlichen Erdsatelliten seien ja auch schon ein menschliches Einwirkungsvermögen, wenn sie erst einmal in eine Erdumlaufbahn geschickt worden sind. Als notwendige Konsequenz müsse daraus auch die Souveränität eines Staates in der Vertikalen begrenzt sein, da sonst die künstlichen Erdsatelliten durch Überfliegen fremder Territorien sich ständiger Rechtsverletzungen schuldig machten.

Die Vortragsreise entwickelte sich zu einem riesigen Erfolg. Haley und Welf Heinrich wurden in den USA wie Weltstars gefeiert. Während ihrer Vortragstour standen beide, wo auch immer sie auftraten, im Mittelpunkt der medialen Berichterstattung. In den späteren Aufzeichnungen des Prinzen über seinen USA-Aufenthalt berichtet er, dass überwiegend bei der jüngeren Generation ein unbefangenes Interesse für die anstehenden Rechtsfragen im Weltraum zu beobachten gewesen sei.

Heinrich Prinz von Hannover ist ein Sohn des ältesten Bruders von Welf Heinrich Prinz von Hannover.