18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 43-22 vom 28. Oktober 2022 / Österreich / Luxus für die Künstlerseele / Wo Gustav Klimt, Gustav Mahler oder die Berliner urlaubten – Je mondäner die Villen, desto besser

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-22 vom 28. Oktober 2022

Österreich
Luxus für die Künstlerseele
Wo Gustav Klimt, Gustav Mahler oder die Berliner urlaubten – Je mondäner die Villen, desto besser
Helga Schnehagen

Frühstücken an jenem Esstisch, an dem schon Gustav Klimt und Emilie Flöge ihren Kaffee tranken, kann man in der Villa Paulick am Attersee im Salzkammergut. Der Maler und die Modeschöpferin waren engste Freunde, Lebenskameraden – oder auch mehr? Man wird es nie erfahren. Von 1900 bis 1916 verbrachten sie den Sommer gemeinsam am Attersee. Gewohnt hat Klimt in der inzwischen auch der Familie Flöge gehörigen Villa nie. Doch als Gast fühlte der Künstler sich so wohl, dass er vom Bootssteg aus mit dem Fernglas nach Motiven Ausschau hielt. 

Unverändert blickt man im Esszimmer durch die großen Erkerfenster auf den See. Unter den kunstvollen kleinen quadratischen Buntglasfenstern hindurch, die deren oberen Abschluss bilden: mit der Liebesgöttin Venus für den Frühling, mit Ceres, der Göttin für die Erdfrüchte, für den Sommer und Aeolus als Repräsentant der Winde. In der Mitte erinnert eine Allegorie zum Schiller-Zitat „Segen ist der Mühe Preis“ aus dem „Lied von der Glocke“ an den Erbauer Friedrich Paulick (1824–1904).  

Der k. u. k. Hoftischlermeister aus Wien ließ sich die verspielte Historismus-Villa 1877 am Seeufer errichten. Als das Bürgertum im 19. Jahrhundert die Landlust packte und man in die Sommerfrische fuhr, machte man nicht einfach Urlaub, sondern verlegte seinen Wohn- und Arbeitsplatz aufs Land. Wer es sich leisten konnte, nahm dabei seine gewohnte Umgebung mit. 

So fällt der Blick im Salon der Villa Paulick auf eine schwere goldverzierte Kassettendecke, die schon Klimt derart beeindruckte, dass er sie malte. Mag auch der eine oder andere Sessel inzwischen neueren Datums sein – der opulente Charme der Jahrhundertwende hat sich erhalten. Es gibt wohl nur wenige Sommer-Villen, die derart umfänglich in ihrem Originalzustand erhalten sind. Nicht nur von außen, sondern auch innen. 

Die Kassettendecke wie auch das Arbeitskabinett entstammen dem Kaiserpavillon der Wiener Weltausstellung von 1873, den Paulick ausgestattet hatte. Alle Holzarbeiten entstanden in seiner Werkstatt. Zwar knarren die Stufen, wenn man die Treppe auf den Aussichtsturm hinaufsteigt, und das Geländer wackelt. Dennoch ist das Zimmer mit dem Aufgang zum Weitblick das beliebteste der insgesamt fünf Räume, die im Sommer an Nostalgie-verliebte Gäste vermietet werden. Telefon und Flachbildschirm sucht man vergebens. Das WC auf der Etage muss man sich teilen und die Suche nach der Dusche endet in einem Schrank auf dem Flur. Auch sie ist Gemeinschaftsgut. Dennoch sind die rustikalen Zimmer immer schnell ausgebucht. 

Einen Einblick ohne Übernachtung erhält man bei Führungen und den Kulturveranstaltungen, die in den Gesellschaftsräumen, auf der Terrasse und im Garten von Juni bis September stattfinden. Naturgemäß sind die Plätze hier ebenfalls begrenzt.

Für den noch jungen Komponisten Gustav Mahler musste die Sommerfrische preiswert sein, daneben landschaftlich reizvoll und vor allem ruhig. Seit dem Tod der Eltern kam er für seine drei Geschwister auf. In Steinbach am Ostufer des Attersees wurde er 1893 fündig. Noch heute existiert fast unverändert die Etage, die er im Gasthof zum Höllengebirge, dem heutigen Hotel-Gasthof Föttinger, als spartanisch eingerichtete Ferienwohnung mit Küche mietete. 

Zum ungestörten Komponieren reichte das nicht. Daher ließ sich Mahler nebenan auf der Wiese ein Häuschen bauen. Von 1894 bis 1896 wurde der kleine Raum zum Arbeits-Sanktuarium des Ferienkomponisten, in dem er seine 2. und 3. Sinfonie vollendete. Später Schlachthaus, Waschküche, Toilette, wurde das Komponierhäuschen renoviert und 2016 samt neuer Ausstellung wiedereröffnet. Zusätzlich widmet Steinbach Mahler immer um den 7. Juli herum ein eigenes Festival.    

Für Klimt wie Mahler hieß Sommerfrische auch, sportlich aktiv zu sein, nicht nur im und auf dem Wasser. Mahler war einer der ersten Radfahrer am See, ging regelmäßig spazieren, wanderte bis zu 

30 Kilometer und bestieg die Berge.

Was für die Wiener das Salzkammergut ist, ist für die Berliner die Ostsee. Hier erblühte um 1900 die Bäderarchitektur in vielen Variationen des Historismus und Klassizismus. Nicht nur auf Usedom erstrahlen in Ahlbeck, Heringsdorf, Bansin, Zinnowitz herrschaftliche Sommervillen und Hotels wieder im alten Glanz. Dem Luxusgedanken folgend, verbergen die historischen Fassaden jedoch in der Regel moderne bis exklusive Ferienwohnungen und Gästezimmer. Die Zeitreise in die Kaiserzeit ist damit im Vergleich nur eine halbe.

Klimt-Museum in Schörfling mit Klimt-Themenweg bis Seewalchen; www.attersee.at, www.salzkammergut.at, www.usedom.de