23.04.2024

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Folge 43-22 vom 28. Oktober 2022 / Adalbert Bezzenberg / Der Begründer der baltischen Philologie / Vor 100 Jahren verstarb der ehemalige Professor und Direktor der Albertina – Er gilt als herausragender Sprachwissenschaftler

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-22 vom 28. Oktober 2022

Adalbert Bezzenberg
Der Begründer der baltischen Philologie
Vor 100 Jahren verstarb der ehemalige Professor und Direktor der Albertina – Er gilt als herausragender Sprachwissenschaftler
Evgeni Dvoretsky / Nikolaj Tscheburkin

Am 31. Oktober jährt sich zum 100. Mal der Todestag von Adalbert Bezzenberger, einem der herausragendsten Sprachwissenschaftler, Archäologen und Professor an der Königsberger Universität Albertina.

Bezzenberger kam am 14. April 1851 in Kassel als Sohn des deutschen Philologen Heinrich Ernst Bezzenberger (1814–1892) und dessen Ehefrau Amalie, geborene Wiederhold (1819-1897) zur Welt. Der junge Adalbert besuchte von 1859 bis 1869 das Friedrich-Lyceum in seiner Geburtsstadt. Danach ging er als Student an die Georg-August-Universität nach Göttingen, wo er unter dem Einfluss des deutschen Orientalisten und Sprachforschers Theodor Benfey (1809–1881) sein Interesse an Geschichte aufgab und sich der vergleichend-historischen Sprachwissenschaft zuwandte.

Bereits im jungen Alter von 21 Jahren promovierte Bezzenberger in Komparatistik (vergleichende Literaturwissenschaft), und im Jahr darauf wurde der junge Gelehrte an die Ludwig-Maximilians-Universität München eingeladen. Dort begann er sich unter dem Einfluss des dortigen Lehrstuhlinhabers am Intitut für Indologie und Tibetologie, Martin Haug, für die indogermanische Philologie zu interessieren. Im Jahr 1874 promovierte er in Göttingen auch in der Sprachwissenschaft und wurde zum Privatdozenten ernannt. Er lehrte in Göttingen, wo er 1877 die linguistische Fachzeitschrift „Beiträge zur Kunde der Indogermanischen Sprachen“ gründete und redigierte. Er wählte die phonetische Analyse der Sprache als Gegenstand seiner Forschung. Dies tat er mittels der vergleichenden Methode der Analyse des Deutschen, Prußischen, Litauischen, Lettischen und anderer Sprachen. Dazu studierte Bezzenberger die Sprache der alten litauischen Texte, bereitete alte Dokumente in den Sprachen der baltischen Stämme zur Veröffentlichung vor und gab sie heraus.

Promotion mit 21 Jahren

Auf der Grundlage der Ortsnamen legte er die Grenzen der von den Prußen und Westlitauern bewohnten Gebiete fest – sie verliefen entlang der Flüsse der Region. Bezzenberger unterscheidet hier zwischen prußischen Ortsnamen auf -keim und -ap sowie litauischen Namen auf -kem und -up. Die Litauer wurden von Bezzenberger als Ureinwohner von Schalauen und Nadrauen betrachtet. Daneben erforschte er die Sprache der Bewohner der Kurischen Nehrung. 1879 gehörte Bezzenberger zu den Gründern der Litauischen Literarischen Gesellschaft in Tilsit, und am 1. April 1880 wurde er ordentlicher Professor und Leiter der Sanskrit-Abteilung an der Albertina. Ab dieser Zeit gilt er als Begründer der baltischen Philologie. 

Im Jahr 1880 heiratete Bezzenberger Helene Schultze, Tochter des Geheimen Regierungsrats Theodor Schultze aus der Niederlausitz. Die Jungvermählten ließen sich im Haus Nr. 1 am Steindammer Wall nieder. Das vierstöckige Gebäude befand sich in der Nähe des Exerzier-Platzes, später Trommel-Platz genannt. Die Straße Steindammer Wall verband die beiden Königsberger Stadtteile Steindamm und Neurossgarten. Das Haus, in dem die Familie Bezzenberger wohnte, ist nicht erhalten geblieben. 

Der glücklichen Ehe entsprang der Sohn Reinhart, der am 26. Juli 1888 im Ostseebad Cranz das Licht der Welt erblickte. Später studierte Reinhart an der Albertus-Universität Königsberg, nahm am Ersten und Zweiten Weltkrieg teil und arbeitete als Staatsrat in der ostpreußischen Provinzialverwaltung. Reinhart Bezzenberger starb am 4. September 1963 in Karlsruhe. 

Wandlung zum führenden Archäologen

Nach dem Tod des Archäologen Otto Tischler (1843–1891) übernahm Adalbert Bezzenberger die Leitung des Geschichtsvereins Altertumsgesellschaft Prussia. Bald schon war er der führende Archäologe in Ostpreußen. Als solcher war er 

25 Jahre lang maßgeblich an der Entwicklung des Prussia-Museums beteiligt. Das Museum war eines der besten frühgeschichtlichen Museen der Welt. Seine Exponate waren in den Räumlichkeiten des Königsberger Schlosses untergebracht. 

In Anerkennung seiner Leistungen schuf Professor Stanislaus Cauer von der Königsberger Kunstakademie eine Marmorbüste des Gelehrten. Diese Statue befand sich im Museum des Königsberger Schlosses, bis es im August 1944 im Bombenhagel der britischen Flugzeuge unterging. 

Am 27. Juli 1894, anlässlich der 350-Jahr-Feier der Königsberger Albertus-Universität, legte der Kunstmäzen und vormalige Medizinstudent Friedrich Lange den Grundstein des Palästra-Gebäudes mit den Worten „Im Dienste des Guten und Schönen zur Entwicklung gesunder Kraft“. In der griechischen Antike war „palaestra“ die Bezeichnung für Gymnastikschulen. 

Es wurde ein Wettbewerb für den Entwurf des Gebäudes ausgeschrieben. Überraschenderweise wurde mit Bezzenberger ein Philologe sowie Doktor der Linguistik und Archäologe zum Vorsitzenden des Bauausschusses gewählt. Den Wettbewerb für den besten Entwurf entschied der Königsberger Architekt Friedrich Heitmann für sich. Mit dem Bau des Gebäudes wurde 1896 begonnen. Die Entwurf-Zeichnungen stammen vom Bauberater Friedrich Bessel-Lorck, einem Enkel des berühmten Astronomen Friedrich Wilhelm Bessel. Die Arbeiten überwachte der Baumeister Georg Sandmann.

Etwas sensationell Neues

Als die Palaestra Albertina errichtet wurde, war sie etwas sensationell Neues. Zum ersten Mal wurde alles, was die Studenten neben ihrem Studium zur Erholung und Erhaltung ihrer körperlichen Kräfte benötigten, in einem Gebäude zusammengefasst. Am 22. Oktober 1898 fand die Eröffnung der Palästra Albertina statt. Das Gebäude beherbergt heute den Sportpalast der Baltischen Flotte in der Rokossovskogo-Straße. 

Fünf Jahre später, im Jahr 1913, wurde in Königsberg das Ostpreußische Heimatmuseum eröffnet. Die Errichtung dieses Museums hatte Richard Dethlefsen, der Provinzialkonservator für die Denkmäler Ostpreußens, initiiert. Einer seiner Gründer war wiederum Adalbert Bezzenberger, der dort auch die archäologische Ausstellung leitete.

Das Völkerkundemuseum befand sich auf dem Gelände des Königsberger Tiergartens und belegte ein Areal entlang des Baches in dessen östlichem Teil (heute zwischen Fußgängerbrücke und Brahmsstraße) sowie einen Teil des Geländes des modernen Kinderdorfs im Tiergarten. Die meisten Gebäude und Einrichtungen des Museums wurden bis 1912 errichtet. Das Ostpreußische Heimatmuseum war vom  skandinavischen Skansen-Museum in Stockholm inspiriert worden. Es war das erste Freilichtmuseum in Deutschland. Dazu gehörten eine Windmühle, eine Schmiede, ein Fischerhaus, die Dorfkirche und alte Wohnhäuser aus Ostpreußen mit ihren charakteristischen Bauformen. Die archäologische Ausstellung erzählte von den Bewohnern der südöstlichen Ostsee, zu einer Zeit, bevor der Deutsche Ritterorden in dieses Gebiet kam.

Erstes Freilichtmuseum Deutschlands

Der archäologische Teil der Exposition umfasste den Grabhügel, die prußische Siedlung und das litauische Gräberfeld. Alle Arbeiten an diesen Stätten wurden unter der Leitung Bezzenbergers durchgeführt. Die Standorte befanden sich im Tal des Hufener Freigrabens, der noch heute entlang der Liststraße verläuft. Seit 1950 ist die Straße nach dem Dichter Schota Rustaweli benannt.

Das Museum benötigte bald jedoch eine Erweiterung, aber im Zoo war nicht genügend Platz vorhanden. Daher beschloss man 1935, die Ausstellung des Ethnographischen Museums in ein Gebiet in der Nähe des Hexenbergs nördlich von Hohenstein [Olsztynek], Kreis Osteroede, zu verlegen. Zwischen 1938 und 1944 wurde ein Teil der Exponate des Ostpreußischen Heimatmuseums aus dem Königsberger Zoo entfernt, wie beispielsweise ein Großteil der Elemente des Hügels. Das Objekt ist heute im Freilichtmuseum volkstümliche Baukunst in Hohenstein zu sehen. 

Ein Teil des gemauerten Hügels der prußischen Siedlung und des litauischen Friedhofs sind in Königsberg am Ufer des Bachs entlang des Hufener Freigrabens noch in kaum erkennbarem und zerstörtem Zustand erhalten.

Karriere an der Albertina

Von 1890 bis 1891 war Bezzenberger geschäftsführender Prorektor sowie 1919/20 und 1920/21 Rektor der berühmten Albertina. Er ging als eine der herausragendsten Persönlichkeiten seiner Zeit in die Geschichte der ostpreußischen Hauptstadt ein. 

Am letzten Oktobertag des Jahres 1922 starb Bezzenberger in seiner Heimatstadt Königsberg. Er wurde auf dem Neuroßgärter Friedhof an der Alten Pillauer Landstraße beigesetzt. Das Grab ist heute nicht mehr erhalten. An der Stelle des Friedhofs steht nun das zehnstöckige Wohnhaus Nr. 22 in der nach dem Krieg in Dimitrij-Donskogo umbenannte Straße, nur wenige Schritte vom Gebäude der Regionalverwaltung entfernt. 

Im Jahr 1925 benannten die dankbaren Königsberger Bürger eine der Straßen der Stadt zu Ehren des großen Gelehrten Bezzenbergerstraße. Sie ist heute Teil der modernen Gospitalnaja-Straße, die zwischen der Schindekopstraße und der August-Viktoria-Allee [Generalleutnant Ozerow] sowie dem Böttchershöfchen [Znojnaja] liegt.     

Erwähnenswert ist auch, dass Bezzenberger am 6. Dezember 1894 zum korrespondierenden ausländischen Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften in der Abteilung für Geschichtsphilologie und in der Abteilung für Linguistik gewählt wurde. 

Seine wichtigsten Werke zur Sprachwissenschaft und Geschichte sind: „Beiträge zur Geschichte der litauischen Sprache“ (1877), „Litauische Forschungen“ (1882), „Lettische Dialektstudien“ (1885) und „Analysen vorgeschichtlicher Bronzen Ostpreußens“ (1904).