23.04.2024

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Folge 44-22 vom 04. November 2022 / Ukrainekrieg / Der Westen liefert sich wehrlos / Insbesondere Deutschland versorgt Kiew mit mehr Rüstungsgütern, als es in absehbarer Zeit ersetzen kann

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-22 vom 04. November 2022

Ukrainekrieg
Der Westen liefert sich wehrlos
Insbesondere Deutschland versorgt Kiew mit mehr Rüstungsgütern, als es in absehbarer Zeit ersetzen kann
Wolfgang Kaufmann

Seit Monaten frohlocken die westlichen Geheimdienste, dass Russland der Nachschub an Waffen und Munition ausgehe. Dabei leiden die Unterstützer der Ukraine inzwischen selbst unter einem eklatanten Mangel an Kriegsmaterial, nachdem sie ihre Arsenale mit atemberaubender Geschwindigkeit geleert haben. So stellte Norwegen 45 Prozent seiner Haubitzen zur Verfügung, Slowenien 40 Prozent seiner Panzer und die Tschechische Republik 33 Prozent der vorhandenen Raketenwerfer. 

In den USA sank der Bestand an Javelin-Panzerabwehrlenkwaffen durch die Lieferungen an die Ukraine um ein Drittel und der an Stinger-Flugabwehrraketen um ein Viertel. 8500 beziehungsweise 1400 dieser Systeme fehlen nun in den eigenen Lagern. Dazu kommt unter anderem noch die Abgabe von bislang 988.000 Artilleriegranaten und 150 Geschützen.

100 Milliarden Euro sind schnell weg

Trotz aller Forderungen des Militärs und der Politik schafften und schaffen es die Rüstungsfirmen im Westen nicht, ausreichend Ersatz zu produzieren. Greg Hayes, der Chef der Raytheon Company, aus deren Waffenschmieden sowohl Bauteile für die Javelin- als auch die Stinger-Raketen stammen, sagte unlängst, sein Unternehmen kämpfe mit gravierenden Problemen, was die Beschaffung der benötigten Materialien betreffe: „Leider hat das Verteidigungsministerium seit etwa 18 Jahren keine Stinger mehr gekauft und einige der Komponenten sind nicht mehr erhältlich.“

Deshalb müsse Raytheon nun Teile der Elektronik des Flugkörpers neu entwickeln – und „das wird uns ein wenig Zeit kosten“. Letztlich rechnet Hayes damit, dass seine Firma erst nächstes Jahr mit der Nachproduktion von 1300 Stinger beginnen kann. Daher dürfte es noch lange dauern, bis die US-Bestände an Stinger-Raketen wieder einigermaßen auf Vorkriegsniveau liegen – selbst wenn keine weiteren Lieferungen an Kiew erfolgen.

Die Bundesrepublik leidet unter noch größeren Problemen als die USA und andere Unterstützer der Ukraine. Deutschland stellte bislang folgende Mengen an Munition zur Verfügung: 30.000 Schuss für 40-Millimeter-Granatwerfer, 13.500 155-Millimeter-Artilleriegranaten, 53.000 Schuss Flakpanzer-Munition und 22 Millionen Schuss Handwaffenmunition. Dazu kommen außerdem noch 500 Stinger-Raketen, deren Nachbestellung sich angesichts der Zustände bei Raytheon definitiv erübrigt. Die Folge hiervon ist, dass Deutschland in einem Kriegsfall bereits nach maximal zwei Tagen die Munition ausgehen würde – so die einhellige Meinung von Vertretern der Rüstungsindustrie, Militärexperten und Verteidigungspolitikern. Dabei schreiben die NATO-Vorgaben Reserven für mindestens 30 Tage vor. „Wir bräuchten allein 20 Milliarden Euro zusätzlich für die Munitionsbeschaffung“, monierte deshalb Eva Högl, die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages. Doch Geld ist knapp, auch wenn die Ausstattung der Bundeswehr mit 100 Milliarden Euro verbessert werden soll. Das hat vor allem drei Gründe.

Da wären zum Ersten die steigenden Preise im Allgemeinen und die für Energie im Besonderen, mit denen die Rüstungsfirmen nun höhere Preise verlangen. Zum Zweiten steigen die Zinsen für die Kredite zur Anhäufung des 100-Milliarden-Sondervermögens. Dafür werden nun bereits sieben statt der bislang veranschlagten drei Milliarden fällig. Und zum Dritten verteuern sich die Importe von Rüstungsgütern oder Waffenkomponenten aus den USA durch den schlechten Euro-Kurs.

Beschaffungsvorhaben auf der Kippe

Das Sondervermögen reicht nach Ansicht des Bundesrechnungshofs keinesfalls aus, um die geplanten Projekte zu finanzieren. Dem stimmen Vertreter der Rüstungsindustrie zu, die mit der Begründung eine Verdopplung auf 200 Milliarden fordern. Doch das ist innenpolitisch nicht vermittelbar. Deswegen stehen nun diverse Beschaffungsvorhaben auf der Kippe.

Das betrifft unter anderem den Kauf neuer Eurofighter und Fregatten beziehungsweise Korvetten sowie jener Panzerhaubitzen 2000, die als Ersatz für die an die Ukraine gelieferten 14 Stück vorgesehen sind. Dahingegen soll am Erwerb des US-amerikanischen Mehrzweckjets Lockheed Martin F-35 „Lightning II“ festgehalten werden mit der Begründung, dass das Flugzeug ein potentieller Atomwaffenträger und somit unverzichtbar für die nukleare Teilhabe der Bundesrepublik sei. Allerdings dürfte die Stückzahl nur noch bei 35 liegen – zehn mehr, als sich Länder wie Griechenland oder Tschechien leisten.

Ungeachtet dieser Misere will die Bundesregierung aber weiter Waffen und Munition in die Ukraine liefern, darunter 6100 155-Millimeter Granaten und 186.000 Schuss für 40-Millimeter-Granatwerfer.