25.04.2024

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Folge 44-22 vom 04. November 2022 / Analyse / Schillernder Sieger

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-22 vom 04. November 2022

Analyse
Schillernder Sieger
Bodo Bost

Luiz Inácio Lula da Silva wird der nächste Präsident Brasiliens sein, bestätigten Beamte der Wahlkommission nach einem langen und erbitterten Wahlkampf. Mit knappen 50,9 zu 49,1 Prozent der Stimmen lag Lula nach Auszählung fast aller Stimmen vorn. Die Wahl war mehr eine Ablehnung von Jair Bolsonaro als eine Zustimmung für den abgehalfterten Altlinken Lula da Silva.

Der Wahlkampf war in keiner Phase von inhaltlichen Themen geprägt, sodass niemand jetzt die Programme Lulas kennt. Im Vordergrund der Fernsehduelle standen gegenseitige Vorwürfe, Unterstellungen und Drohungen beider Kandidaten. Nach 35 Jahren Demokratie war der jetzige Wahlkampf der Konfrontationen ein Armutszeugnis für Brasiliens Demokratie. 

Es war das erste Mal in der Geschichte der modernen brasilianischen Demokratie, dass ein amtierender Präsident nicht wiedergewählt wurde. Bolsonaro hatte das Image eines unsympathischen Macho, der allzu oft die Menschen vor den Kopf gestoßen hatte. Sogar seine engsten Anhänger, die Mitglieder der Pfingstkirchen, die ihn 2018 noch zu 

80 Prozent gewählt hatten, hatte er diesmal vergrault, weil er zuletzt sogar versuchte, sich nicht nur als Anhänger der Pfingstkirchen darzustellen, sondern als ein gottgleicher Messias, als religiöser Retter sozusagen. Das war selbst den großen Predigern der Freikirchen zu viel. 

Der Sieg vervollständigt die atemberaubende politische Wiedergeburt von Lula da Silva – von der Präsidentschaft ins Gefängnis und wieder zurück. 2018 war der Ex-Präsident wegen Korruption und Amtsmissbrauch in zweiter Instanz zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Nach 580 Tagen in Haft hob im vergangenen Jahr der Oberste Gerichtshof diese Verurteilungen auf, weil der Richter voreingenommen gewesen sei. Allerdings hob das Gericht die Lula vorgeworfenen Delikte nicht auf. Jeder in Braslilien weiß, dass Lula korrupt war, er selbst versuchte auch gar nicht, sich als Justizopfer aufzubauen. Deshalb wird er in seiner dritten Amtszeit nur ein Präsident mit Einschränkungen sein. Jeder kann ihn als „kriminell“ bezeichnen, wie dies Bolsonaro während seiner Rededuelle im Fernsehen bereits getan hatte. Auch auf dem internationalen Parkett wird Lula nicht wieder die Rolle spielen, die er in seinen ersten Amtszeiten gerne spielte, als Retter der Armen. Zwischen 2002 und 2010 hatte er mit gigantischen Hilfsprogrammen das Lebensniveau der Ärmsten gestärkt und dadurch einen wirtschaftlichen Kaufkraft-Boom ausgelöst. Allerdings hatte Brasiliens Wirtschaft damals auch andere Zuwachsraten als heute, mit denen man solche Programme bezahlen konnte. Das einzige inhaltliche Wahlkampfthema war in diesem Jahr die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes, bei der Lula sich als Retter des Waldes und der Indianervölker inzensierte, dabei hatte unter seiner Amtszeit das große Abholzen begonnen, das Bolsonaro nur fortgesetzt hatte.  

Lulas schwere Suche nach neuen Mehrheiten

Noch am Wahlabend beschwor Wahlsieger Lula die Gemeinsamkeiten aller Brasilianer. Das muss er auch, weil er in keiner der beiden Kammern über eine Mehrheit verfügt. Schon im ersten Wahlgang hatten Anhänger Bolsonaro Mehrheiten in beiden Kammern gesichert. 

Mit Lula, 77, einem ehemaligen Metallarbeiter und Gewerkschaftsführer mit einer Schulbildung von fünf Jahren, wird Brasilien wieder nach links rücken. Er setzt damit die Reihe linker Wahlsiege in Lateinamerika fort. Sechs der sieben größten Länder der Region haben nun seit 2018 linke Politiker gewählt. Dabei hatte das erste linke Land des Subkontinents, Venezuela, gerade musterhaft demonstriert, mit welchen destruktiven Mitteln die Linke immer noch in der Lage ist, ein Land zu seiner Geisel zu machen und seine Wirtschaft zu ruinieren. Über sieben Millionen Venezolaner haben ihre Heimat mittlerweile verlassen, die größte politisch bedingte Fluchtwelle, die Lateinamerika je erlebt hat. 

In einer Frage waren beide Kontrahenten in Brasilien einer Meinung. Beide geben Ukrainern wie Russen gleich viel Schuld am Krieg in der Ukraine.  Auch Bolsonaro, der Brasilien sonst eher als Teil des Westens sah, hatte sich bei allen UN-Abstimmungen, die Russland als Kriegsverantwortlichen beschuldigten, der Stimme enthalten, das wird Lula jetzt weiter tun.