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Folge 44-22 vom 04. November 2022 / Skandinavische Invasoren / Mit Gewalt und Toleranz – Mannheimer Museum Zeughaus erzählt mit hochwertigen Objekten den Aufstieg der Normannen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-22 vom 04. November 2022

Skandinavische Invasoren
Mit Gewalt und Toleranz – Mannheimer Museum Zeughaus erzählt mit hochwertigen Objekten den Aufstieg der Normannen
Veit-Mario Thiede

Die Normannen sorgten zwischen 800 und 1200 für großes Aufsehen. Die ursprünglich in Skandinavien beheimateten „Invasoren“ übernahmen nämlich in Teilen Europas und des Mittelmeerraums die Herrschaft. Um die zu erreichen und zu sichern, nutzten sie vielfältige Mittel. Zu denen gehörten neben der militärischen Gewalt die Heiratspolitik, die Gründung und Förderung von Kirchen und Klöstern sowie die pragmatische Toleranz gegenüber der alteingesessenen Bevölkerung.

Erstmals präsentiert eine umfassende Schau die Normannen. Dazu sind im Mannheimer Museum Zeughaus 300 erlesene Objekte aus internationalen Sammlungen aufgeboten. Die Ausstellungsexpedition startet in Skandinavien, führt weiter nach Osteuropa, in die Normandie, nach England, Süditalien und Sizilien. Abstecher gelten der Iberischen Halbinsel, Nordafrika, Kleinasien und Byzanz. Hör- und Mitmachstationen, Videos und Zeichentrickfilme, Tastobjekte sowie Beiträge von Schülern und Studenten bereichern das Ausstellungserlebnis.

Kuratorin Viola Skiba erklärt: „Aus skandinavischen Händlern, Kriegern und Siedlern, die meist unter dem Begriff Wikinger bekannt sind, entwickelten sich die Normannen und in Osteuropa die Rus.“ Erster Blickfang ist der aus Gotland stammende „Bildstein von Smiss“ (um 750). Im Flachrelief des oberen Teils duellieren sich zwei Schwertkämpfer. 

Die Darstellung im unteren Bildfeld zeigt ein Schiff. Zunächst bevorzugten die Wikinger mit ihren Booten Fahrten über die osteuropäischen Wasserwege bis ans Schwarze Meer. Aus der Verbindung der skandinavischen Krieger, Händler und Siedler mit der einheimischen Bevölkerung entwickelte sich die Rus. Darunter versteht man sowohl ein Territorium als auch dessen multiethnische Bevölkerung. Ein Zentrum war Kiew. Die wertvollen Objekte aus der Epoche der Kiewer Rus gelangten zu Sowjetzeiten in russische Museen. Die sagten hochwertige Leihgaben zu. Doch wegen des Ukrainekriegs wurde daraus nichts.

Im Westen sorgten die Normannen zunächst als Plünderer und Totschläger für Angst und Schrecken. Der „Viking Raider Doomsday Stone“ (1. Viertel 9. Jh.) weist auf einen frühen Überfall hin, der europaweit Aufsehen erregte. Das beidseitig mit Reliefs ausgestattete Steinfragment kommt aus dem britischen Kloster Lindisfarne. Auf der einen Seite schwingen Krieger ihre Schwerter und Streitäxte. Die andere zeigt ein Kreuz, über dem Sonne und Mondsichel stehen. Hände deuten auf die Kreuzarme, unter denen sich zwei Gestalten zum Gebet neigen. Der Gedenkstein soll an den 8. Juni 793 erinnern: Wikinger fielen mordend, plündernd und brandschatzend über das Kloster Lindisfarne her. Ebenso suchten sie die Küsten und Flussläufe Westeuropas heim.

Nordmänner in der Normandie

Ihre Bezeichnung als „Nordmänner“ oder „Normannen“ verdanken sie den Chronisten der Klöster. Die übernahmen die Gemeinten als Selbstbezeichnung. Und als sich eine von Rollo angeführte Gruppe an der Nordküste Frankreichs festsetzte, nannten sie dieses Territorium „Normandie“. Rollo und seine Leute ließen sich taufen. Statt wie bisher Kirchen und Klöster zu plündern, unterstützten sie diese nun. Das belegen zwei Steinköpfe, welche die normannischen Herzöge Wilhelm „Langschwert“ und Wilhelm „den Eroberer“ darstellen. Sie stammen aus der von ihnen geförderten Abtei Jumiéges.

Wilhelm „der Eroberer“ vereinte die Normandie und England unter seiner Herrschaft. In der entscheidenden Schlacht bei Hastings 1066 kam der mit ihm um den englischen Königsthron konkurrierende Harold Godwinson ums Leben. Die in Mannheim präsentierte Miniatur (um 1280–1300) reduziert die Schlacht zum ritterlichen Duell der zu Pferde gegeneinander antretenden Anführer. Dargestellt ist der Moment, als Wilhelm den Gegner mit der Lanze tödlich verwundet. Die Miniatur weist einen erläuternden Text auf. In ihm trägt Wilhelm nicht etwa den Ehrentitel „der Eroberer“, sondern er hat – da unehelich geboren – den Beinamen „Bastard“. 

Friedrich II. war halber Normanne

Der Papst förderte die Ansiedlung der Normannen in Süditalien. Gegen ein Schutzversprechen erkannte er 1059 Robert Guiscard als Herzog von Apulien und Kalabrien sowie Sizilien an. Die Eroberung der unter muslimischer Herrschaft stehenden Insel war unter Führung Rogers I. 1091 abgeschlossen. Nach seinem Tod regierte seine Witwe Adelasia für den noch minderjährigen Sohn Roger II. Die Residenz verlegte sie nach Palermo. 

Kuratorin Skiba erläutert: „In den Palastwerkstätten waren Handwerker und Fachwissen aus dem gesamten Mittelmeerraum versammelt.“ Davon kündet etwa das exquisite Mosaik der „Madonna der Fürsprache“ (12. Jh.) aus der Kathe­drale von Palermo. Auftraggeberin war vermutlich Elvira, die Gattin Rogers II. Er machte Sizilien zum normannischen Königreich.

Rogers Tochter Konstanze erbte das Königreich Sizilien. Verheiratet war sie mit dem Staufer Heinrich VI. Ihr gemeinsamer Sohn, der spätere Kaiser Friedrich II., war also ein halber Normanne. Ihm verdanken wir eines der wertvollsten Zeugnisse der normannisch-sizilianischen Textilkunst: den sogenannten „Mantel Karls des Großen“. Den später zum liturgischen Obergewand umgearbeiteten Mantel aus roter Seide schmücken vier goldene Adler. Den in den Palastwerkstätten Palermos angefertigten Prachtmantel trug Friedrich II. vermutlich bei seiner Kaiserkrönung, die Papst Honorius III. im Jahr 1220 vollzog.

Bis 26. Februar im Museum Zeughaus C5, geöffnet Dienstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr. Eintritt: 13,50 Euro. 

www.normannen-ausstellung.de