26.04.2024

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Folge 45-22 vom 11. November 2022 / Bahnverkehr / Kein Halt mehr in Wittenberge / Standortentwicklung in Gefahr: Nach dem Wechsel zu Flixtrain droht der Elbestadt die Abnabelung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-22 vom 11. November 2022

Bahnverkehr
Kein Halt mehr in Wittenberge
Standortentwicklung in Gefahr: Nach dem Wechsel zu Flixtrain droht der Elbestadt die Abnabelung

Preiswerter Wohnraum und eine gute Bahnanbindung auf halber Strecke zwischen Berlin und Hamburg bieten Vorzüge, mit denen die Elbestadt Wittenberge in den vergangenen Jahren sogar auf Europas größter Fachmesse für Immobilien und Investitionen für sich geworben hat. Wie die steigende Einwohnerzahl der Stadt in der Prignitz beweist, haben Wohnungssuchende vor allem wegen der guten Fernzuganbindung in Richtung Hamburg den Ort als Alternative entdeckt. 

Allein in den Bahnhof sollen rund 50 Millionen Euro investiert werden. Das denkmalgeschützte Gebäude aus dem Jahr 1846 soll ab kommendem Jahr saniert werden. Der klassizistische Bau soll künftig ein Gründerzentrum und sogenannte Co-Working-Büros beherbergen.

Konterkariert werden diese Bemühungen nun durch die Absicht des Bahnbetreibers Flixtrain, den Halt in Wittenberge aus dem Fahrplan zu streichen. Flixtrain ist es beim Vergabeverfahren gelungen, ab dem Fahrplanwechsel 2022/23 den Zuschlag für einige IC-Verbindungen zu erhalten, die bisher von der Deutschen Bahn bedient wurden. Je nach Fahrtrichtung geht es dabei um drei oder vier Zeitfenster auf der Strecke Hamburg-Berlin. 

Wie ein Blick in den neuen Fahrplan zeigt, will das Unternehmen mit den grünen Zügen zwischen Dezember und März auf der Strecke täglich nur einen Zug fahren lassen. Der Halt in Wittenberge und auch in Ludwigslust wurde gestrichen. Das Vorgehen des Bahnanbieters ist durchaus regelkonform. Erhält ein Unternehmen beim Vergabeverfahren für den Fernverkehr den Zuschlag, kann es nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten selbst entscheiden, an welchen Bahnhöfen ein Halt erfolgt. Leidtragende sind aus Sicht des parteilosen Wittenberger Bürgermeisters Oliver Hermann die Eisenbahnnutzer im ländlichen Raum. Diese müssten „jedes Jahr neu zugucken, wie ist es denn nun mit verlässlicher Bahnanbindung“, so Hermann, der seit 2008 Bürgermeister der 20.000-Einwohner-Gemeinde ist. Der Anbieterwechsel hat auch Auswirkungen auf die Bahnkunden, die sich Jahres- und Monatskarten der Deutschen Bahn kaufen. Diese Karten werden nämlich in den Zügen des Konkurrenten Flixtrain nicht akzeptiert.

Anlässlich des Fahrplanwechsels 2022/23 hatte der Wittenberger Bürgermeister bereits im Oktober einen offenen Brief geschrieben. Adressaten waren unter anderem die Deutsche Bahn und das Bundesverkehrsministerium. Darin wies Hermann darauf hin, dass Flixtrain schon im Fahrplan 2021/22 aus eigenwirtschaftlichen Gründen „leider nur eingeschränkt bedienen“ konnte und „das Angebot dann aufgrund der Corona-Situation nach wenigen Wochen ganz eingestellt“ habe. An die Adresse des Bundes gerichtet forderte er, dieser müsse mittelfristig „die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, damit die Art der Trassenvergabe nicht zu einer kundenunfreundlichen Einschränkung der Gesamtdienstleistung führt“.

Wie die „Berliner Zeitung“ berichtet, hat DB Netz in diesem Jahr lange gebraucht, um einen vorläufigen Netzfahrplan zu veröffentlichen, was insgesamt zu längerer Unsicherheit in der Branche geführt hat. Als Folge der Unsicherheit sollen Bahnunternehmen Zeitfenster für Verbindungen über ihren eigentlichen Bedarf bestellt haben. H.M.