23.04.2024

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Folge 45-22 vom 11. November 2022 / Weizen-Streit / Warum Russland aus- und gleich wieder einstieg / Moskau und Kiew beschuldigen sich gegenseitig, das „Schwarzmeer-Abkommen“ nicht einzuhalten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-22 vom 11. November 2022

Weizen-Streit
Warum Russland aus- und gleich wieder einstieg
Moskau und Kiew beschuldigen sich gegenseitig, das „Schwarzmeer-Abkommen“ nicht einzuhalten
Manuela Rosenthal-Kappi

Während in westlichen Medien Russland die Unterbrechung des im Juli unter der Vermittlung der Türkei und der UN geschlossenen „Schwarzmeer-Abkommens“, das die Einrichtung eines humanitären Korridors für den Export von Getreide aus der Ukraine vorsieht, angelastet wird, gibt es aus russischer Sicht triftige Gründe für den Ausstieg aus dem Abkommen.  

Auslöser für Moskaus Blockade waren vordergründig Drohnenangriffe auf die russische Schwarzmeerflotte in Sewastopol. Jedoch, so die russische Seite, seien auch Begleitschiffe, welche die Getreide-Exporte schützen sollten, unter Beschuss geraten. Das Abkommen sei das Ergebnis konstruktiver russisch-ukrainischer Verhandlungen, womit die leise Hoffnung bestanden habe, dass sich dies insgesamt positiv auf den Ukrainekrieg auswirken könnte. 

Schon kurz nach Einrichtung des Korridors zeigte sich Moskau mit der Umsetzung der Vereinbarung unzufrieden, da ein Großteil der Getreidelieferungen nicht in die von Hunger bedrohten Länder Afrikas ginge, sondern in westeuropäische Länder wie Italien, die Niederlande und Deutschland. Die Staaten, die laut UN in die Kategorie mit dem niedrigsten Einkommen fallen, hätten lediglich drei Prozent des ukrainischen Getreides erhalten. Nur fünf von mehr als 400 Schiffen, die aus ukrainischen Häfen ausliefen, hätten Fahrt Richtung Afrika aufgenommen. Laut UN-Angaben vom 30. Oktober haben 43 Prozent der Mais-Lieferungen reiche Länder erhalten, darunter Spanien, Italien, Deutschland, die Niederlande, Israel und Südkorea. Der Weizenanteil habe nur 28 Prozent des aus der Ukraine exportierten Getreides betragen. Außer Weizen würden auch Gerste, Sonnenblumensaat und -öl, Sojabohnen sowie Raps ausgeführt. 

Russland ist zudem überzeugt, dass der humanitäre Korridor für Waffenschmuggel in die Ukraine genutzt wurde. Der ständige Vertreter Russlands bei der UN, Wassilij Nebensja, sagte, dass mehr als 70 ukrainische Schiffe aufgehalten werden mussten, weil sie gegen die Grundlage der Vereinbarung verstoßen hatten. 

Der Kreml fordert Garantien

Ein wichtiger Punkt der Frustration Moskaus sind fehlende Fortschritte bei den Russland betreffenden Punkten des Abkommens. UN-Generalsekretär Antonio Guterres soll Maßnahmen für die Wiederaufnahme russischer Getreidelieferungen auf dem Weltmarkt in Aussicht gestellt haben. Zwar verbieten die Sanktionen nicht die Ausfuhr russischer Lebensmittel, aber sie schaffen Hürden. Russland, das neben der Ukraine ein großer Getreide-Exporteur ist, hatte sich daher durch das Abkommen Chancen ausgerechnet auf Erleichterungen auf dem Weltmarkt. In diesem Jahr rechnet das Land mit einem Ernteertrag von 150 Millionen Tonnen Getreide, davon 100 Millionen Tonnen Weizen.

Inzwischen ist Russland wieder in das Abkommen eingestiegen, nachdem Kiew schriftliche Garantien gegeben haben soll, den humanitären Korridor und die Häfen nur für die Ausfuhr von Lebensmitteln zu nutzen. Gemeinsam mit der Türkei, deren geostrategisches Gewicht durch ihre Vermittlerrolle zugenommen hat, versprach Putin nun, 500.000 Tonnen Weizen kostenlos an Somalia, Dschibuti und den Sudan abzugeben. Russland ist bemüht, sein beschädigtes Image aufzubessern.