25.04.2024

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Folge 45-22 vom 11. November 2022 / Was einmal war / Der Pommersche Kunstschrank und seine Odyssee / Das Prachtstück bestand aus Ebenholz mit reicher Silber- und Edelsteinzierde

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-22 vom 11. November 2022

Was einmal war
Der Pommersche Kunstschrank und seine Odyssee
Das Prachtstück bestand aus Ebenholz mit reicher Silber- und Edelsteinzierde
B. Stramm

Der kunstinteressierte Herzog Philipp II. von Pommern-Stettin orderte Anfang des 17. Jahrhunderts bei Philipp Hainhofer einen Prunk-Schreibtisch für seine Kunstkammer. Hainhofer beauftragte Kunsthandwerker in Augsburg, die ab 1610 mit 24 bis 28 Künstlern an Bau und Ausstattung beteiligt waren. Bemerkenswert ist, dass einige Kunsthandwerker namentlich bekannt sind. Überliefert sind der Kunsttischler Ulrich Baumgartner, der Steinschneider Daniel Griefsbeck für die Inkrustationen aus verschiedenen Edelsteinen. Weiterhin tätig waren die Goldschmiede David Altenstetter, Gottfried Münderer, Philipp Jacob Pehner, Nikolaus Kolb, Michael Gafs und Matthias Wallbaum, die Maler Johann Matthias Kager, Anton Mozart und Achilles Langenbücher, die Schlosser Joifs Müller und Jakob Kuenlin, der Bildhauer Caspar Mendeler, der Kupferstecher Paul Gettich (Göttich), der Orgelbauer Max Genser, der Windenmacher Matthias Gabler, der Buchbinder Gabriel Meelführer, der Futteralmacher Daniel Müller, der Zirkelmacher Georg Zorn und die Uhrmacher Friedrich Goschmann und Andreas Stahel.

Da während des Baus immer wieder neue Ideen aufgegriffen und in die Ausstattung eingebracht wurden, verzögerte sich die Fertigstellung. Doch Ende August 1617 erreichte das in Einzelteile zerlegte Möbelstück Stettin und wurde dort durch Baumgartner zusammengesetzt. Hainhofer lieferte dazu eine Beschreibung der Beschaffenheit des Schreibtisches und der etwa 200 darin enthaltenen Teile. Die Maße waren etwa 1,30 Meter hoch und 1,15 Meter breit, ausgestattet mit einer speziellen Anordnung von Geheimfächern. Das Material war Ebenholz, die Verzierungen bestanden aus Silber mit Edelsteinen, die Innenausstattung bestand aus Sandelholz und rotem Leder. Das Möbel ruhte auf vier silber-vergoldeten Greifen, von denen je zwei das pommersche und schleswig-holsteinische Wappen halten. 

Das Prachtstück wurde im Übrigen komplett ausgestattet abgeliefert, eine Spezialität Hainhofers. Es enthielt Mess­instrumente, Schreibgerät, Spielsachen, Tafelsilber, Apothekenzubehör, Barbierzeug, Toilettegerät und eiserne Instrumente, Essgeschirr und Besteck in verschiedenen Fächern. Auch verschiedene geometrische und astronomische Instrumente, eine mechanische Tischuhr mit Sonnenuhr und Kompass sowie ein Fernrohr – alles zumeist eigens für den Schrank gefertigt. Als Philipp II. den Schrank am 2. September 1617 in Besitz nahm, wurde er zunächst in einem Wohngemach im Stettiner Schloss aufgestellt, später in die neu geschaffene Kunstkammer verbracht. 

Den Preis für das Prunkstück, der sich auf 20.000 Gulden belief, konnte Philipp II. bis zu seinem Tode im Februar 1618 nicht voll bezahlen, sodass sich Hainhofer mit Mahnbriefen an Philipps Nachfolger, Herzog Franz, wenden musste. Das Möbelstück blieb bis zum Aussterben des Greifenhauses 1637 im Besitz der männlichen Linie. Anschließend ging es über Anna von Croy, die Schwester des letzten Herzogs, an deren Sohn Ernst Bogislaw von Croy. Dieser bezeichnete den Schreibtisch in einem Nachlassverzeichnis erstmals als „Pommerscher Kunstschrank“. Ernst Bogislaw von Croy vermachte den Kunstschrank testamentarisch an Kurfürstin Dorothea, die Ehefrau seines Landesherrn, Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, 1638 wurde das Prunkstück daher in das Schloss Stolp verbracht. 

Durch den Erbgang gelangte das Kunstwerk 1684 in das Stadtschloss in Potsdam, von dort in die Kunstkammer im Berliner Schloss. 1858 wurde der „Pommersche Kunstschrank“, wie er ab 1786 genannt wurde, samt Inhalt dem Neuen Museum übergeben, von dort gelangte er in das 1875 neu gegründete Kunstgewerbemuseum, dessen Standort 1920 in das Berliner Stadtschloss verlegt worden war. 

Im Zweiten Weltkrieg in die neu errichtete Reichsmünze am Molkenmarkt geborgen, verbrannte es leider 1945. Der Inhalt war allerdings zuvor in den Flakbunker Friedrichshain ausgelagert worden und blieb so im Bestand des Kunstgewerbemuseums erhalten.