18.04.2024

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Folge 45-22 vom 11. November 2022 / Mythologie / Ein Wink mit der klugen Beraterin / Die Grotten der Egeria – Anspielungsreiche Kleinode in den Parks von Wörlitz und Rheinsberg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-22 vom 11. November 2022

Mythologie
Ein Wink mit der klugen Beraterin
Die Grotten der Egeria – Anspielungsreiche Kleinode in den Parks von Wörlitz und Rheinsberg
Helga Schnehagen

Der riesige archäologische Caffarella-Park im Südosten von Rom ist heute touristisch völlig unbekannt. Nur wenige verirren sich in diesen Teil des großen Regionalparks der Via Appia Antica. Das war nicht immer so. Etwa zur Goethezeit gehörte die von dem kleinen Fluss Almone durchzogene grüne Oase mit ihren vielen landschaftlichen und historischen Höhepunkten ganz selbstverständlich zum Besuchsprogramm der Ewigen Stadt. 

Besonders die Grotte der Egeria, ein antikes Nymphäum aus dem 2. Jahrhundert, war schon lange zum beliebten Motiv in Malerei und Literatur geworden. Selbst Goethe machte davon eine Zeichnung, als er am 11. November 1786 die Nymphe besuchte. Ihre Geschichte, die Ovid in den „Metamorphosen“ erzählt, führt zurück in die sagenhafte Frühzeit Roms. Danach war Egeria Gattin und zugleich Beraterin des römischen Königs Numa Pompilius. Nach dessen Tod beklagte sie ihren Mann so tränenreich, dass Diana sie in eine Quelle verwandelte und sie seitdem als Quellnymphe ihr Dasein fristen musste. 

Nicht zuletzt ihrer Geschichte wegen war die Nachbildung der Grotte in Parks beliebt. Auch Fürst Franz von Anhalt-Dessau ließ sie nach dem Vorbild in Rom um 1790 in Wörlitz nachgestalten. Nur wenige Schritte von der Felseninsel Stein mit der Miniaturausgabe des Vesuv entfernt, hat sie an dieser Stelle sogar lokal-symbolische Bedeutung: Die Statue bezeichnet den Ort, an dem Wasser von Osten her in den Wörlitzer See fließt. Erst vor Kurzem ist die Instandsetzung und Sanierung der Grotte beendet worden. 

In Rheinsberg wurde eine entsprechende Sanierung bereits vor fünf Jahren abgeschlossen. Dabei konnten im Zuge der Wiederherstellung des Uferverbaus vor der Egeria-Grotte der Kopf und weitere Fragmente der verschollen geglaubten Nymphe aus dem Schlamm gezogen werden. Der Fund war insofern eine Sensation, da es bisher keine historischen Darstellungen der vermutlich um 1793 von Prinz Heinrich von Preußen angelegten Grotte gibt. 

Die einstige Egeria-Figur aus Terrakotta, die bereits ab 1802 verfiel und später durch eine Puttengruppe ersetzt wurde, konnte somit rekonstruiert werden. Anders als in Wörlitz kombinierte Prinz Heinrich die antike Egeria-Grotte mit der Skulptur einer Ruhenden Nymphe, die sich bereits seit 1512 im Vatikan befand.

Dabei mag der Prinz, der den Zeitgenossen als herausragender Feldherr des Siebenjährigen Krieges und Diplomat galt, aber als Berater weder für Friedrich den Großen noch für dessen Nachfolger Friedrich Wilhelm II. und Friedrich Wilhelm III. tätig werden konnte, die Darstellung der Beraterin als verschlüsselte Mahnung eingesetzt haben.