25.04.2024

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Folge 46-22 vom 18. November 2022 / Kiews „Volkskrieg“ Die Ukraine scheint sich in der Kriegsführung zunehmend auch an einem von US-Experten ursprünglich für die NATO erarbeiteten Widerstandskonzept für den Untergrundkampf zu orientieren / Guerillataktik Made in USA / Mit dem ROC haben die Vereinigten Staaten ein Muster für den modernen Partisanenkrieg entwickelt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-22 vom 18. November 2022

Kiews „Volkskrieg“ Die Ukraine scheint sich in der Kriegsführung zunehmend auch an einem von US-Experten ursprünglich für die NATO erarbeiteten Widerstandskonzept für den Untergrundkampf zu orientieren
Guerillataktik Made in USA
Mit dem ROC haben die Vereinigten Staaten ein Muster für den modernen Partisanenkrieg entwickelt
Wolfgang Kaufmann

Das humanitäre Kriegsvölkerrecht unterscheidet zwischen Kombattanten und Zivilisten. Letztere stellen kein legitimes Angriffsziel dar, solange sie sich nicht am Kampf beteiligen. Andererseits dürfen Zivilisten genau wie die Angehörigen der regulären Streitkräfte als Kombattanten agieren, wenn sie durch spezielle Armbinden oder Ähnliches als Milizangehörige erkennbar sind, unter einem verantwortlichen Kommando stehen, ihre Waffen offen tragen und auch sonst das Kriegsvölkerrecht beachten. Dazu gehört für Bewohner eines besetzten Gebietes ohne Kombattantenstatus, keinen Widerstand gegen die Besatzungsbehörden zu leisten. Im Umkehrschluss heißt dies, dass Zivilisten, welche die genannten Bestimmungen nicht einhalten, wenig Pardon vom Gegner erwarten dürfen.

Das gilt auch für jene Ukrainer, die nun als Partisanen oder Ähnliches gegen die russischen Invasoren kämpfen. Hierbei sollen sie nach einem Konzept agieren, das vom US-amerikanischen Special Operations Command Europe (SOCEUR) entwickelt wurde, dessen Aufgabe eigentlich darin besteht, die NATO-Staaten beim Ausbau ihrer Ressourcen für den „Sondereinsatzkampf“ zu unterstützen.

Totalisierung des Krieges

So berichteten es jedenfalls die US-Tageszeitung „Washington Post“ und der US-Nachrichtensender CNN. Die „Washington Post“ zitierte in diesem Zusammenhang Äußerungen des Vier-Sterne-Generals Richard Clarke, der bis diesen August an der Spitze des US Special Operations Command (USSOCOM) stand, das dem SOCEUR übergeordnet ist. Clarke sagte am 5. April dieses Jahres während einer Anhörung im Verteidigungsausschuss des US-Senates, dass die USA, die ja selbst aus einem Unabhängigkeitskrieg hervorgegangen sind, schon seit Herbst 2020 ukrainische „resistance companies“ (Widerstandseinheiten) ausgebildet hätten.

Genauere Angaben über die Natur und die Aufgaben derselben lieferte dann CNN. Wie man von „amerikanischen und europäischen Offiziellen“ erfahren habe, gelinge es der Ukraine „erfolgreich“, das sogenannte Resistance Operating Concept (ROC) des SOCEUR umzusetzen. Dieses stelle eine Lehre aus dem Kaukasuskrieg zwischen Georgien und Russland im August 2008 dar und werde seit der russischen Annexion der Krim 2014 als beste Strategie der Verteidigung gegen übermächtige Aggressoren vom Schlage Moskaus angesehen.

„Patriotische Erziehung“

Was das ROC dabei im Einzelnen vorsieht, ist gleichfalls kein Geheimnis mehr, seit dessen maßgeblicher Mitentwickler Otto Fiala im Januar 2020 einen Artikel über das Konzept verfasste, der von der Swedish Defense University in Stockholm und der United States Joint Special Operations University in Tampa (Florida) publiziert wurde. Darin schrieb der damalige Oberst sowie Analyst der Sensitive Activities Division des USSOCOM und jetzige Mitarbeiter des National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism (START) des US-amerikanischen Heimatschutzministeriums (DHS), dass das ROC auf die möglichst „totale“ Einbeziehung der Zivilbevölkerung in den Kampf gegen eine Okkupationsarmee hinauslaufe, wobei die Widerstandskapazitäten im Volk vorsorglich schon in Friedenszeiten geschaffen werden müssten. Dazu gehörten nicht nur militärische Vorkehrungen, sondern ebenso die „Entwicklung einer starken Nationalität“ durch „patriotische Erziehung“.

Gleich der „Washington Post“ ließ auch CNN hochrangige Ex-Militärs zu Wort kommen, die bestätigten, dass die Ukrainer gemäß dem ROC verfahren. Einer davon war der frühere Oberst und Mitarbeiter von Fiala, Kevin Stringer, der sagte, die handstreichartigen Angriffe auf russische Waffenlager und Stützpunkte hinter der Front beziehungsweise in den besetzten Gebieten entsprächen haargenau dem ROC-Szenario. Und der mittlerweile ebenfalls pensionierte Chef des 

SOCEUR, Generalleutnant Mark Schwartz, fügte mit Blick auf die breite Beteiligung der Zivilbevölkerung an den Kampfhandlungen hinzu: „Es sind alle Mann an Deck, was die umfassende Verteidigung der … Ukraine betrifft … Sie nutzen jede Ressource und sie verwenden auch einige höchst unkonventionelle Mittel, um das Militär der Russischen Föderation zu stören … Dies ist eine Möglichkeit, den Spieß gegen eine erste Weltmacht umzudrehen. Es ist einfach unglaublich zu sehen, was … die Entschlossenheit zum Widerstand trotz des unglaublichen Verlustes an Leben und Opfern bewirken kann.“

15 Staaten haben Interesse gezeigt

Wie CNN des Weiteren berichtete, hätten sich Fiala und dessen Mitstreiter bei der Formulierung des ROC ganz maßgeblich an dem paramilitärischen estnischen Freiwilligenverband Kaitseliit orientiert. Nach Auskunft der SOCEUR-Sprecherin Nicole Kirschmann bekundeten neben der Ukraine inzwischen bereits 14 weitere Staaten Interesse an Schulungen oder Übungen im Zusammenhang mit der Anwendung dieses Widerstandskonzepts, darunter Polen sowie die beiden übrigen baltischen Staaten Lettland und Litauen.