24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 46-22 vom 18. November 2022 / Italien / Kampf gegen die „Piraten“ / Roms neue Regierung will das Einschleusen sogenannter Bootsflüchtlinge verhindern – Nicht jedem gefällt’s

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-22 vom 18. November 2022

Italien
Kampf gegen die „Piraten“
Roms neue Regierung will das Einschleusen sogenannter Bootsflüchtlinge verhindern – Nicht jedem gefällt’s
Peter Entinger

Kaum ist Giorgia Meloni im Amt, schon weht der ersten Ministerpräsidentin Italiens eisiger Wind entgegen. Mit der Einlösung ihres Wahlversprechens, die illegale Migration zu bekämpfen, hat sie einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. 

Erst vor Kurzem sind vier Boote mit fast tausend Migranten an Bord an Italiens Küsten angekommen. Der italienische Innenminister Matteo Piantedosi erklärte umgehend: „Sie müssen außerhalb der Hoheitsgewässer zurückkehren, und der Flaggenstaat muss sich um sie kümmern.“ Nach einen tagelangen Tauziehen durften auf internationalen Druck hin alle Immi-granten an Land, ein Teil war zuvor nach Frankreich verschifft worden.

Italien sieht sich seit Jahresbeginn einem neuen Einwanderungsansturm ausgesetzt. Weit mehr als 80.000 Menschen sind über das Mittelmeer gekommen. 

84 Prozent von ihnen schafften es mit ihren eigenen Booten oder sie wurden von italienischen Schiffen übernommen. Die übrigen 16 Prozent brachten private ausländische „Seenotretter“ nach Italien. 

Der Anstieg bei den Ankünften ist vor allem auf die Zunahme der Einwanderungsströme aus Libyen, Tunesien und der Türkei zurückzuführen. In Bezug auf Libyen sei die anhaltende Instabilität ein entscheidender Faktor für die Zunahme der Migration in Richtung Italien, teilte das Innenministerium in Rom mit. Westeuropäische und vor allem bundesdeutsche Politiker und Medien sind erregt. „Zynisch“, heißt es da oder auch, dass „Meloni mit dem Leid der Menschen“ spiele. Die französische Europastaatssekretärin Laurence Boone erklärte, Italien habe gegenüber ganz Europa einen Vertrauensbruch begangen. Es habe sich nicht an die Regeln gehalten und mit einseitigen Entscheidungen Menschenleben gefährdet.

Eine juristische Deutungshoheit

Im Endeffekt macht Meloni nichts anderes als ihr Vorgänger, der in EU-Kreisen hochgeschätzte Mario Draghi. Denn auch unter dessen Regierungszeit mussten die Schleuserschiffe von NGOs teilweise wochenlang auf die Zuweisung eines Hafens warten. Draghi hatte schon Anfang Juli die Kapazität bei der Aufnahme von Mi-granten als erschöpft angesehen. Zu diesem Zeitpunkt waren erst knapp 30.000 Immigranten in Italien angekommen.

Im Kern geht es auch um eine juristische Deutung. Nichtregierungsorganisationen verweisen auf die Regel, gemäß der Schiffbrüchige in den nächsten Hafen gebracht werden müssen. Rom beruft sich seit Jahren auf das UN-Seerechtsabkommen, gemäß dem ein Schiff als erweitertes Territorium des Staates gilt, unter dessen Flagge es fährt. Laut Dublin-Abkommen ist dasjenige Land für die Aufnahme zuständig, in dem ein Asylsuchender erstmals europäisches Territorium betritt.

Während Draghi nüchtern an die Sache heranging, versucht Meloni mit markigen Worten ihre Anhänger bei Laune zu halten. Sie bezeichnet die „Seenotretter“ als „Piraten“ und wies Kritik aus Frankreich zurück. Die einzige Lösung sei es, die EU-Außengrenzen zu verteidigen, die Abfahrt der Immigrantenboote in Nordafrika zu verhindern und dort sogenannte Hotspots zu eröffnen.