Syrien ist ein weitgehend zerstörtes Bürgerkriegsland, dessen Bewohner kaum eine andere Chance zum Überleben sehen, als in Europa – und hier vorzugsweise in der Bundesrepublik – Asyl zu suchen. Oder? Glaubt man dem deutschen Reise-Influencer Philipp Buehl lässt es sich in Syrien derzeit ganz prächtig Urlaub machen, denn er vermeldet via Instagram: „Ich empfehle jedem, Syrien zu besuchen.“
Und diese bemerkenswerte Aufforderung kommt auch nicht von ungefähr. Buehl weilte tatsächlich in der Arabischen Republik Syrien, wobei er sich in Begleitung seines Influencer-Kollegen Luca Pferdmenges befand, der unbedingt alle 195 von den UN anerkannten Staaten dieser Erde bereisen will und Syrien nun als sein persönliches „Country No. 111“ abhaken konnte. Erstaunlicherweise mussten die beiden dafür nicht einmal sonderlich viel Geld hinblättern.
Denn das Angebot des von dem portugiesischen Ehepaar Rita and João Leitão betriebenen Reiseunternehmens RJ Travel Agency lautete folgendermaßen: „Sieben Tage Gruppentour für 950 Euro von Beirut nach Syrien, inklusive Aleppo und Palmyra“, wobei es nur eine einzige Einschränkung gab, welche für die Influencer aber nicht galt: Journalisten müssen draußen bleiben!
Während der Reise durch Syrien präsentierten Buehl und Pferdmenges dann – wie es sich für beflissene Vertreter ihrer Zunft gehört – zahlreiche Fotos in den sozialen Medien, welche einen nahezu normalen Urlaub zu dokumentieren schienen. Da gab es beispielsweise Schnappschüsse von allerlei exotischen Marktszenen und entspannten Moschee-Besuchen sowie jede Menge Selfies mit fröhlichen Einheimischen.
Nur einmal lichtete Pferdmenges in Aleppo einen riesigen Trümmerhaufen ab, was ihn aber nicht daran hinderte, zu schreiben, er fühle sich wie in einer „ganz normalen Stadt“. Ähnliches wussten früher auch schon andere Kunden von RJ Travel zu berichten, wie deren Instagram-Dialoge vom Jahre 2021 zeigen: „Wie geht es Palmyra jetzt nach dem Krieg? In Palmyra steht praktisch alles. Nur drei Gebäude wurden zerstört.“
Es dürfte kaum verwundern, dass über die beiden Influencer nach deren Rückkehr ein veritabler Empörungssturm niederging. Wie könnten sie es wagen, offen Werbung für das verbrecherische Assad-Regime zu machen und das fürchterliche Leid der syrischen Bevölkerung zu verharmlosen? Daraufhin antwortete Pferdmenges mit einer mittlerweile selten gewordenen Standhaftigkeit: „Ich … stelle …, wenn irgendwie möglich, die positiven Seiten eines Landes in den Vordergrund … Die Kernbotschaft unserer Stories war nicht ‚Das Regime ist gut‘ – sondern, dass die lokale Bevölkerung unfassbar einladend und freundlich ist. Daran halte ich fest.“ Und Buehl fügte hinzu: „Seit vielen Jahren hört man über Syrien ausschließlich (negative) Nachrichten im Zusammenhang mit der aktuellen Krise … Ich bin davon ausgegangen, dass Menschen aufgrund dieser Nachrichten vermuten, dass ganz Syrien bis heute ein Kriegsgebiet ist, in dem aktiv und auf offener Straße gekämpft wird.“ Dem sei aber keineswegs so. W.K.