26.04.2024

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Folge 46-22 vom 18. November 2022 / Wollin / Zwischen Ostsee und Stettiner Haff / Der kleine Ort Pritter auf der Insel Wollin wurde nicht nur durch die Pritteraale bekannt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-22 vom 18. November 2022

Wollin
Zwischen Ostsee und Stettiner Haff
Der kleine Ort Pritter auf der Insel Wollin wurde nicht nur durch die Pritteraale bekannt
Erwin Rosenthal

Kaseburg, Lebbin und Pritter bilden die Eckpunkte jenes Dreiecks, in dem sich mit dem Mündungsdelta der Swine eines der sehr seltenen Rückseitendeltas befindet. Mehr als 40 Inseln werden hier vom Wasser der Alten Swine umspült.

Obwohl nicht sehr groß, sind die drei Orte recht bekannt. So kam Kaseburg durch den Bau der Kaiserfahrt und die Abtrennung von der Insel Usedom in die Schlagzeilen, während Lebbin mit der Anlandung Otto von Bambergs punktet. Er war hier im Jahre 1124 an Land gegangen, um die „abstörrischen“ Pommern zum Christentum zu bekehren. Später hatte Herzog Bogislaw I. den Ort und weitere Teile der Insel dem Bistum Cammin geschenkt, das auf der Steilküste eine Vogtei einrichtete. Es heißt, dass vor Zeiten von jedem Schiff, das Lebbin passierte, ein Brot und eine Flasche Bier verlangt wurde. Von 1855 bis 1945 rauchten hier die Schornsteine der Quistorpschen Portlandzementfabrik. Sie war eine der ältesten Zementfabriken in Deutschland und zeitweise die größte in Europa. 

Historisch interessant

Heute ist es die bevorzugte Lage am Stettiner Haff beziehungsweise am Swinedelta, die den Reiz der drei Orte ausmacht. Zudem zehren sie von ihrer deutschen Geschichte. Ihr Ortsbild bestimmen vor allem die alten Häuser und die historischen Kirchen. Die Kirche in Kaseburg erhielt durch Schinkel ihre heutige Form. Die Besonderheit der 1861 erbauten Lebbiner Kirche ist ihr bis zur Spitze mit Ziegeln gedeckter neugotischer Turm. 

Pritter, heute nach Swinemünde eingemeindet, liegt auf der Pritterschen Halbinsel, einer schmalen Nehrung, die sich über zwölf Kilometer von Ostswine bis nach Liebeseele, zu Misdroy, erstreckt. 

Die neugotische Kirche des Ortes, geweiht 1895, mit ihrem 40 Meter hohen Turm ist für ein Dorf mit etwa 1000 Einwohnern recht groß. Die frühere Kirche war lange Zeit ohne Turm gewesen. Man sagt, dass die Einwohner ihn im 18. Jahrhundert wegen seines schlechten Zustandes niedergerissen hatten. Für einen neuen Turm ließen sie starke Eichenbalken anfahren und glaubten, dass der Bau des neuen Turmes Sache der Stettiner Regierung sei. Diese reagierte schnell und unerwartet: „Wer hat Euch ermächtigt, den Turm abzureißen? Habt Ihr ihn entfernt, so baut ihn auch wieder auf!“ Nach und nach wurden die nun überflüssigen Eichenstämme verkauft. Von dem Erlös machte man sich einen lustigen Tag. Hundert Jahre blieb die Kirche turmlos. In der Umgebung spottete man: „Die Pritterschen haben ihren Kirchturm versoffen.“ 

Einst Herzogs-Residenz

Wer heute die etwas triste Prittersche Dorfstraße entlanggeht, kann sich kaum vorstellen, dass hier in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts Herzog Erich II., Herzog von Pommern-Wolgast, Hinterpommern und Stettin, residiert hatte, bis Stettiner Bürger, wahrscheinlich wegen des vom Herzog erhobenen Zolls beim Befahren des Swine, den Herzogssitz sowie den Hof des Herzogs in Ostswine zerstörten. Zur gleichen Zeit hatte im Ort Sophia, die Ehefrau von Bogislaw VIII. von Pommern-Stargard, Tochter Herzog Heinrichs des Eisernen von Holstein, ihren Witwensitz. Heute erinnert im Ort nichts an diese Zeit.

 Im Westen wird Pritter von der „Großen Beek“, auch „Strom“ genannt, begrenzt, einer Verbindung zwischen dem Großen Vietziger See und der Alten Swine. Die am gegenüberliegenden Ufer des Wasserlaufs liegenden Inseln tragen die Namen Hengst-Wiesen, Studt-Wiesen, Treum-Wiesen, Warnitz-Wiesen und Kaseburger Hutung. Bis auf die Kaseburger Hutung, auf der mit dem Seggenrohrsänger der wohl seltenste europäische Singvogel brütet, werden diese Inseln des Swinedeltas heute nicht mehr landwirtschaftlich genutzt. 

Durch die unmittelbare Nachbarschaft zum Swinedelta und die relativ geringe Entfernung zur Ostsee konnten die Bewohner Pritters bis ins 20. Jahrhunderts hinein vom sagenhaften Fischreichtum Pommerns partizipieren. Es heißt, dass die Fischschwärme, die die Swine heraufkamen, manchmal nicht mit einer Stange geteilt werden konnten. Insbesondere der Aalfang war bereits im 16. Jahrhundert im Swinedelta sehr einträglich. Die Pritteraale wurden später nach Berlin, Brandenburg und Schlesien geliefert. Noch vor hundert Jahren gab es im Ort 77 Berufsfischer. 

Gefangen wurde vorrangig Hering, Flunder, Dorsch, Aal, Hornhecht, Steinbutt, Zander und Barsch. Früher kamen Stör, Lachs, Meerschweine (Tümmler), Seehunde und Schwertfische hinzu. Zum geflügelten Wort wurde im alten Pommern die Aufforderung eines Besitzers an seinen Knecht: „Lüchting fret Fisch, Pantüffel sind düer.“

Vom Fischer und syner Fru

Bei dem Fischreichtum verwundert es nicht, dass ein Pommer Autor des Märchens „Vom Fischer und syner Fru“ war. Bei den Brüdern Grimm stand das von Philipp Otto Runge aus Wolgast verfasste Märchen an 19. Stelle in ihrer Sammlung der Kinder- und Hausmärchen. Günter Grass hatte dem Maler der Romantik in seinem Roman „Der Butt“ ein Denkmal gesetzt. 

Bis auf die Kirche befinden sich die heutigen Sehenswürdigkeiten Pritters nicht im Zentrum des Ortes, sondern an der Peripherie. Etwas weiter östlich, im Ortsteil Haferhorst, sind in der Marina Boote vertäut.  Von hier aus kann der Besucher das weitläufige Swinedelta erkunden. Zum schönen, feinsandigen Strand des früheren Ostseebades Pritter führt ein etwa drei Kilometer langer Weg. 

Auf den Dünen befinden sich auch die in den 1930er Jahren zur Verteidigung Swinemündes erbaute „Glocke“ sowie die „Batterie Vineta“, heute auch „die unterirdische Stadt“ genannt. Beide sind zur Besichtigung freigegeben und einzigartige Zeugnisse der Militärgeschichte der Region.


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