Seit Ausbruch des russisch-ukrainischen Krieges am 24. Februar gefällt sich Großbritannien in der Rolle des besonders unnachgiebigen Hardliners gegenüber Moskau. Neben Waffenlieferungen an die Ukraine zählen strikte Handelssanktionen gegen Russland zum Kern der harten Antwort auf die Politik des Kreml.

Was die Londoner „Times“ jetzt aufgedeckt hat, lässt indes an der Ehrlichkeit der britischen Haltung zweifeln. Obwohl London den Import von russischem Öl strikt verboten hatte, wird der Rohstoff demnach heimlich über Zwischenhändler auf die Insel verbracht. Da diese keine Russen sind, wird das Öl als Import aus dem jeweiligen Drittstaat verbucht. Dadurch gelangte laut „Times“ seit dem Beginn des offiziellen Boykotts russisches Erdöl im Wert von fast einer Viertelmilliarde Euro auf die Insel.

Auch pikant: Das ebenfalls besonders russlandkritisch auftretende Polen ist nach Belgien der zweitgrößte Zwischenlieferant russischen Öls für Großbritannien, gefolgt von den Niederlanden und Lettland. Erst weit dahinter mit vergleichsweise nichtigen Mengen tauchen Händler aus Deutschland, Frankreich und Estland auf. 

Das Öl wird dabei einfach auf See von einem russischen Tankschiff in eines aus dem Drittstaat gepumpt, der es von dort in einen britischen Hafen weitertransportiert. Vom britischen Statistikamt werden solche Anlandungen dann als Importe aus jenem Drittstaat verbucht – so blieb die „Sanktionsweste“ Großbritanniens vordergründig sauber. H.H.