26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 47-22 vom 25. November 2022 / FTX und Ukraine In diesem für Kryptogeld katastrophalen Jahr musste auch die von Samuel Bankman-Fried geführte Handelsplattform Insolvenz anmelden. Dadurch ist ein Spendenfluss in die Ukraine gestoppt / Auch die Ukraine hat auf Sand gebaut / Seit diesem Monat befindet sich die einst drittgrößte Kryptobörse in einem Insolvenzverfahren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-22 vom 25. November 2022

FTX und Ukraine In diesem für Kryptogeld katastrophalen Jahr musste auch die von Samuel Bankman-Fried geführte Handelsplattform Insolvenz anmelden. Dadurch ist ein Spendenfluss in die Ukraine gestoppt
Auch die Ukraine hat auf Sand gebaut
Seit diesem Monat befindet sich die einst drittgrößte Kryptobörse in einem Insolvenzverfahren
Wolfgang Kaufmann

Kryptowährungen sind digitale Scheinwährungen, hinter denen kein Staat als Herausgeber steht. Mittlerweile existieren bereits um die 20.000 Kryptowährungen. Der Gesamtwert der im Umlauf befindlichen Vermögenswerte in Bitcoins und dergleichen liegt inzwischen bei knapp einer Billion US-Dollar. Das nur virtuell vorhandene Geld wird an speziellen Kryptowährungsbörsen gehandelt, deren mangelhafte Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden immer wieder auf Kritik stößt. So kann der auf spekulative Gewinne erpichte Anleger jederzeit seinen gesamten Einsatz verlieren, weil es keine Sicherheitsvorkehrungen dagegen gibt. Das kommentierte der Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com, Neil Wilson, mit den Worten: „Börsen sollten keine derartigen Risiken bergen. Aber da draußen ist der Wilde Westen und die Imperien dort sind auf Sand gebaut.“

Die drittgrößte Kryptobörse der Welt war bis vor wenigen Tagen die auf den Bahamas ansässige Plattform FTX (FuTures eXchange), die im Mai 2019 gegründet wurde. Sie handelte vor allem mit FTT, einem digitalen Finanzprodukt auf der Basis mehrerer Kryptowährungen. Die Abwicklung der Käufe erfolgte über das angeschlossene Unternehmen Alameda Research. Das Volumen der Geschäfte lag bislang bei rund einer Milliarde Dollar pro Tag. Deshalb investierten viele Kapitalgesellschaften in das scheinbar gewinnträchtige Unternehmen FTX, darunter auch Branchenschwergewichte wie Black­Rock, Soft Bank, Tiger Global und Sequoia Capital.

„Help Ukraine with crypto“

Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender von FTX war der US-Amerikaner Samuel Bankmann-Fried, meist nur SBF genannt, dessen Vermögen sich zeitweise auf 26 Milliarden Dollar belief. Dieses angebliche finanztechnische Wunderkind, das der Demokratischen Partei nahesteht, organisierte diesen März gemeinsam mit dem 31-jährigen Stellvertretenden Ministerpräsidenten und Minister für digitale Transformation der Ukraine, Mychajlo Fedorow, eine Spendenaktion unter dem Motto „Help Ukraine with crypto“. Kryptowährungsbesitzer in aller Welt sollten Einzahlungen bei FTX vornehmen, die SBF dann in Dollar umtauschen und an Kiew überweisen wollte. Dabei kam bis zum Oktober Digitalgeld im Wert von rund 60 Millionen Dollar zusammen. Diese sind aber offenbar nie in der Ukraine angekommen und darüber hinaus nun wohl auch verloren, nachdem Bankmann-Fried am 11. November Konkurs anmelden und als Vorstandsvorsitzender von FTX/Alameda zurücktreten musste.

Die Unternehmenspleite, durch die SBF innerhalb eines Tages 94 Prozent seines Vermögens verlor, resultierte aus einer Kette von Ereignissen. Zuerst berichtete die auf digitale Währungen spezialisierte Nachrichtenseite CoinDesk, dass Bankman-Fried bis zu zehn Milliarden Dollar an FTX-Kundengeldern unterschlagen habe, um eine drohende Zahlungsunfähigkeit von Alameda abzuwenden. Daraufhin gab der größte Mitbewerber von FTX, die Kryptobörse Binance, bekannt, sie wolle ihr 530-Millionen-Dollar-Guthaben in FTT auflösen. Aufgrund der hierdurch geschürten Zweifel an der Solidität und Liquidität von FTX/Alameda setzte eine Massenflucht aus dem FTT ein. Binnen 72 Stunden nahmen die Anleger Abhebungen in Höhe von sechs Milliarden Dollar vor. Deshalb bot Bankman-Fried am Ende sogar an, Binance könne FTX übernehmen, wenn es die Handelsplattform rette. Das allerdings lehnte der bisherige Konkurrent ab. Anschließend meldete SBF dann noch einen Hackerangriff auf sein Unternehmen. Bei den „nicht autorisierten Transaktionen“ sollen weitere Kryptovermögenswerte in Höhe von einer Milliarde Dollar abgezogen worden sein. Der Gesamtschaden aus der FTX/Alameda-Pleite beläuft sich möglicherweise auf bis zu 220 Milliarden Dollar. 

Nur die Spitze eines Eisberges?

In diesem Kontext erscheint der finanzielle Verlust für die Ukraine relativ gering. Allerdings kursieren momentan Gerüchte, dass die verlorenen 60 Millionen nur die Spitze eines sehr viel größeren Eisbergs seien. Angeblich soll Kiew mehrere Milliarden Dollar Hilfsgelder aus dem Westen heimlich bei FTX angelegt beziehungsweise durch Spekulation mit Kryptowährungen zu vermehren versucht haben. Belastbare Beweise hierfür gibt es jedoch momentan nicht. 

Allerdings haben die Untersuchungen zum FTX/Alameda-Konkurs durch die US-Börsenaufsichtsbehörde für die Kontrolle des Wertpapierhandels in den Vereinigten Staaten SEC und diverse weitere Behörden innerhalb und außerhalb der USA gerade erst begonnen und könnten durchaus noch einige Überraschungen bescheren. Auf jeden Fall gilt nun auch für die Ukraine, was der Bankrate.com-Analyst James Royal nach der FTX-Pleite gegenüber dem „Business Insider“ sagte, das System basiere voll und ganz auf „dem Glauben an die Zukunft der Kryptowährung … Wenn dieser Glaube verschwindet, hat man nichts mehr.“