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Folge 47-22 vom 25. November 2022 / Frankreich / Wie radikal soll der Rassemblement National sein? / Nach der Wahl eines neuen Vorsitzenden droht der Kampf zwischen den Flügeln zu eskalieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-22 vom 25. November 2022

Frankreich
Wie radikal soll der Rassemblement National sein?
Nach der Wahl eines neuen Vorsitzenden droht der Kampf zwischen den Flügeln zu eskalieren
Peter Entinger

Die Bekundung, zwischen Marine Le Pen und ihrem Nachfolger Jordan Bardella würde nicht einmal ein Zigarettenpapier passen, war gerade erst gedruckt, da schloss der 27-jährige neue Vorsitzende der französischen Rassemblement National (RN, Nationale Sammlungsbewegung) zwei enge Vertraute Le Pens aus dem Exekutivkomitee, dem höchsten Gremium der Partei, aus. Einer von ihnen ist Steeve Briois, Bürgermeister von Marine Le Pens Hochburg Hénin-Beaumont im Département Pas-de-Calais in der Region Hauts-de-France im Norden des Landes. Er galt lange als engster Weggefährte Le Pens und war mehrfach ihr Wahlkampfmanager. Im Kampf um ihre Nachfolge hatte er den Bürgermeister von Perpignan, Louis Aliot, unterstützt. 

Nachdem der RN im Frühsommer sensationell mehr als 80 Parlamentssitze gewonnen hatte, hatte Le Pen angekündigt, sie wolle sich auf den Fraktionsvorsitz in der Nationalversammlung konzentrieren. Bereits zuvor hatte sie die Parteiführung interimsmäßig an ihren politischen Ziehsohn Bardella abgegeben. Der setzte sich in der Stichwahl vom 5. November mit satten 84,6 Prozent gegen Aliot durch. 

Mit der Entmachtung Briois’ hat Bardella klargemacht, dass er einen eigenständigen Kurs zu fahren gedenkt. Briois kritisierte dies nun umgehend. „Ich kann darin nur eine Verkümmerung sehen und hoffe, dass der Rassemblement National nicht dem großen nationalistischen Kompromiss nachgibt, dieser Strategie der Vereinigung der radikalen Rechten, die bei den Präsidentschaftswahlen gescheitert ist, anstatt der Gesamtheit der Patrioten von rechts und links“, erklärte der Bürgermeister von Hénin-Beaumont.

Briois und Aliot, der einzige RN-Bürgermeister einer Großstadt, wollten den Kurs Le Pens der „Entdiabolisierung“ weiterführen. Sie sehen die Zukunft der Partei in sozialen Themen und wollen Kümmerer für alle Franzosen sein. Aliot hatte vor der Wahl um den Parteivorsitz eine programmatische Erneuerung gefordert und gemahnt, die Partei müsse anschlussfähiger werden. 

Obwohl Le Pen jahrelang mit Aliot liiert war, hatte sie Bardella systematisch zum Nachfolger aufgebaut. Der 27-Jährige ist mit einer Nichte Le Pens verlobt und soll die Partei für jüngere Menschen attraktiver machen. Kurz nach der Wahl war er noch bemüht, die Brücken zum unterlegenen Lager zu schlagen, indem er Aliot zum ersten Vizevorsitzenden der Partei nominierte. „Ich kann die Enttäuschung von Briois verstehen. Aber es ist das Recht des Vorsitzenden nach unseren Statuten das Exekutivkomitee nach seinen Vorstellungen zu besetzen“, erklärte Le Pen nun salomonisch. 

Im Kern geht es aber um eine Richtungsentscheidung. Dass der frühere TV-Journalist Eric Zemmour bei den Präsidentschaftswahlen im ersten Wahlgang sieben Prozent gewonnen hat und durch seinen strammen Anti-Islam-Kurs populär wurde, hat im RN viele ebenso beunruhigt wie die Tatsache, dass es Zemmour gelungen ist, alte RN-Kader wie den früheren Abgeordneten Gilbert Collard und eine weitere Nichte Le Pens, Marion Maréchal, abzuwerben. Trotz der jüngsten Wahlerfolge gilt der RN als kommunal schwach verankert. Selbst in Sachen Mitgliederzahlen hat Zemmours Partei, die nicht im Parlament sitzt, stark aufgeholt. Bardella hat dazu aufgerufen, „Patrioten zu versöhnen“ und Brücken zu bauen. Briois warnt dagegen, der Partei drohe ein Rückfall in die Isolation. Le Pen versucht die Gemüter zu beruhigen: „Das Gerede von einer möglichen Spaltung ist Unsinn. Es gibt keinen Richtungsstreit.“