25.04.2024

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Folge 47-22 vom 25. November 2022 / Deutschland / Branche warnt vor tödlichem Kreislauf / Die Lage spitzt sich dramatisch zu: Automobilzulieferer sehen Pleitewelle kommen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-22 vom 25. November 2022

Deutschland
Branche warnt vor tödlichem Kreislauf
Die Lage spitzt sich dramatisch zu: Automobilzulieferer sehen Pleitewelle kommen
Peter Entinger

Während Wirtschafexperten in der vergangenen Woche noch von den Anzeichen einer nur „sanften Rezession“ sprachen, gibt es mehr und mehr Branchen, die bereits jetzt Alarm schlagen. Der deutschen Automobilzuliefererindustrie droht nach eigenen Angaben wegen rasant gestiegener Energie- und Materialkosten eine Pleitewelle. „Im ersten Halbjahr 2023 werden wir viele Insolvenzen sehen, weil die Unternehmen ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlen können“, sagte der Vorstandsvorsitzende von ElringKlinger und Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf im Gespräch mit der „Automobilwoche“. Er habe in den vergangenen 25 Jahren noch nie derart massive Kostensteigerungen erlebt. So hätten sich neben den Teuerungen bei der Energie etwa die Preise für Kunststoffgranulat oder Stahl drastisch erhöht. 

Immer mehr Automobilzulieferer geraten in Liquiditätsprobleme. Wie eine aktuelle Horváth-Studie zeigt, haben drei Viertel der Unternehmen große Probleme, gestiegene Produktionskosten weiterzugeben. Das gilt nicht nur für Deutschland, das gilt weltweit. Zudem berichtet der größte Teil der Automobilzuliefererindustrie von Problemen in ihren Unternehmen, Mitarbeiter zu finden. Die Unternehmen beklagten einen standortübergreifenden Personalengpass auf allen Ebenen. Das führe beispielsweise in der Produktion dazu, dass Schichten nicht besetzt werden könnten. „Die Zeiten, in denen Jobs in der Branche krisensicher und lukrativ sind, sind längst vorbei“, sagt Wolf. 

Eine Krise jagt seit Jahren die nächste: die Corona-Pandemie, fehlende Halbleiter, der Ukrainekrieg, eine ansteigende Inflation, explodierende Transportkosten und Rohstoffpreise sowie nun auch noch das Energiedesaster. Das alles passiert in einer Phase, in der sich die Branche nach einem Jahrhundert vom Verbrennermotor verabschieden muss. Selbst ein bisheriges Vorzeige-Unternehmen wie ElringKlinger hat große Probleme. „Wir versuchen von den Herstellern Kompensation für die Kostensteigerungen zu bekommen. Das gelingt uns auch ganz gut, aber natürlich nicht zu 100 Prozent. 

Die Kosten schlagen sich direkt im Ergebnis nieder“, sagte Wolf, der sich zudem über Gewerkschaftsforderungen nach acht Prozent mehr Lohn für zwölf Monate aufregt: „Diese Forderungen sind außer der Welt“. Die Inflation sei mit dem bereits hohen Lohnniveau der Metall- und Elektroindustrie leichter zu bewältigen als mit einem deutlich niedrigeren wie in der Pflege oder im Einzelhandel. „Die Sicherung der Arbeitsplätze muss Vorrang haben“, fügte Wolf hinzu. 

Schon im Juni berichtete das ifo-Institut, dass die Erwartungen der deutschen Automobilindustrie für das laufende Jahr stark eingebrochen seien. Mehr als neun Zehntel der Unternehmen in der Branche leiden seit Ausbruch des Ukrainekriegs unter einem nochmals verstärkten Materialmangel. Der Stillstand bei den großen Marken bedroht vor allem die Existenz der regionalen Zulieferer. Viele von ihnen sehen sich aufgrund ihrer Vertragsbedingungen dazu gezwungen, hohe Fertigwarenbestände bereitzuhalten, auch wenn diese von den Fahrzeugherstellern gar nicht abgerufen werden. „Das ist ein tödlicher Kreislauf“, sagt Wolf.