27.04.2024

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Folge 47-22 vom 25. November 2022 / TV-Kritik / Eine Lanze für die Emanze / Zweiteiliges ARD-Dokudrama zum 80. Geburtstag von Deutschlands Chef-Feministin Alice Schwarzer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-22 vom 25. November 2022

TV-Kritik
Eine Lanze für die Emanze
Zweiteiliges ARD-Dokudrama zum 80. Geburtstag von Deutschlands Chef-Feministin Alice Schwarzer
Anne Martin

Es gibt eine Szene im TV-Film „Alice“, in der sich die Titelheldin die Kontaktlinsen herausnimmt und resigniert wieder die große Brille aufsetzt, die längst zu ihrem Markenzeichen geworden war. Eine Alice Schwarzer, kongenial gespielt von Nina Gummich, versucht gar nicht erst, ihr Aussehen auf gefällig zu trimmen – es hätte ohnehin nichts genützt, denn Hass und Häme waren ihr zeitlebens sicher. 

Dass der Zweiteiler zum 80. Geburtstag (30. November ab 20.15 Uhr im Ersten und am 4. Dezember um 22.10 Uhr auf 

ARTE) auch diese zarten Momente zeigt, gehört sicher zur Ausnahme in der derzeit laufenden Schwarzer-Retrospektive. Das Dokudrama konzentriert sich auf die Jahre zwischen 1964 und 1977, als Schwarzer mit Partner Bruno in Paris lebte und dort in die frauenbewegte Szene eintauchte.

Furore machte sie später als kämpferische Journalistin mit der aus Frankreich übernommenen Kampagne „Ich habe abgetrieben“, schließlich 1977 mit der Gründung von „Emma“ und ersten streitbaren Auftritten im Fernsehen. Wer die Schwarzer einlud, konnte sicher sein, dass die Funken flogen. Ihre Kontrahentin Esther Vilar, die Männer als ausgebeutete Wesen beschrieb, geißelte Schwarzer 1975 vor laufenden WDR-Kameras flott als Sexistin und Faschistin. Ein Skandal! Den humorlos reagierenden Schauspieler Klaus Löwitsch imitierte sie in einer WDR-Talk-Show, indem sie sich breitbeinig auf einen Stuhl fläzte. 

Austeilen konnte sie gut, einstecken aber auch. Die Angriffe kamen dabei nicht nur aus den Reihen aufgestörter Machos, denen sie vehement auf die Füße trat, sondern auch aus dem feministischen Lager. Bei Gründung ihrer Frauenzeitschrift  „Emma“ unterstellte die eigene Community finanzielle Interessen und wollte inhaltlich gehört werden. Frauensolidarität ist eben das eine, Geltungsbedürfnis das andere. Ein fulminantes Scheitern war die Übergabe von „Emma“ 2007 an die Journalistin Lisa Ortgies, die es genau zwei Monate in Köln aushielt und dann das Handtuch warf. Seitdem herrscht die inzwischen betagte Chefin wieder selbst. In Rente gehen? Nicht mit ihr.

Ihr Lebenswerk, Frauen von den Fesseln des Patriarchats zu befreien, ist bis heute brüchig. Einerseits wird verbissen gegendert, andererseits klicken sich junge Frauen im Internet durch die neuesten Schminktipps und Botox-Behandlungen. Dass Alice Sophie Schwarzer, am 3. Dezember 1942 in Wuppertal unehelich geboren und bei den Großeltern aufgewachsen, der Sache der Frauen gedient hat, wird ihr keiner absprechen wollen. Selbst die nicht, die in „Emma“ die zweifelhafte Auszeichnung „Pascha des Monats“ oder „Sexist man alive“ erhielten. Auch Papst Franziskus war mal darunter. Provokation gehört zum Geschäft. Im Anschluss an den TV-Film folgt im Ersten um 23.50 Uhr die Doku „Die Streitbare – wer hat Angst vor Alice Schwarzer?“