25.04.2024

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Folge 47-22 vom 25. November 2022 / 300. Jahrestag / Die Karschin aus Schlesien

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-22 vom 25. November 2022

300. Jahrestag
Die Karschin aus Schlesien
H. Tews

Sich mit Friedrich dem Großen anzulegen erfordert Mumm. Aber über mangelndes Selbstvertrauen litt die vor 300 Jahren geborene schlesische Dichterin Anna Louisa Karsch offensichtlich nicht. Weil sie von ihrer Dichtung leben musste, erinnerte sie brieflich den von ihr mit seinen Erfolgen im Siebenjährigen Krieg besungenen Preußenkönig an sein bei einer Audienz gegebenes Versprechen, sie mit einem Haus und einer Jahrespension zu unterstützen. Als dieser ihr daraufhin knausrige zwei Taler schickte, sandte sie diese postwendend zurück: 

Zwei Thaler gibt kein großer König, Denn sie erhöhen nicht mein Glück, Nein, sie erniedern mich ein wenig; Drum geb’ ich sie zurück.

Dieser Affront trug noch mehr dazu bei, dass man die „Karschin“, wie man sie respektvoll nannte, in den Berliner Salons als ein Faktotum ansah, das spontan und geistreich zu reimen wusste. Dank ihrer enormen Erfindungsgabe gilt sie als die erste Frau, die vom Ertrag ihrer lyrischen Ergüsse leben konnte. Der Dichterkollege und Freund Johann Wilhelm Ludwig Gleim musste neidlos anerkennen: „So viel als Frau Karschin für ihre Sammlung bekommen hat, kann sich noch kein deutscher Dichter rühmen.“ 

Schnellverdientes Geld machte die Karschin, die keine Schulbildung genießen konnte, mit Konfektionsware: Auftrags- und Gebrauchslyrik. Bis heute bekannt ist sie aber durch patriotische Oden auf Friedrich II., der ihre schlesische Heimat – aus ihrer Sicht – von den Habsburgern befreite. 

Karsch kam am 1. Dezember 1722 in einem Dorf nahe Schwiebus in ärmsten Verhältnissen zur Welt und wuchs bei einem Großonkel auf, der ihr Lesen und Schreiben beibrachte. Mit 15 heiratete sie ein gewalttätiger Mann, der ihr zu dichten verbot. Sie ließ sich scheiden, heiratete einen Alkoholiker, bekam Kinder und veröffentlichte danach ihre ersten Gedichte. Die machten selbst bei den Großkopferten der deutschen Klassik wie Wieland, Gleim oder Herder Eindruck, die sie als „Deutsche Sappho“ ehrten.

Im Alter nahmen ihre lyrische Produktion und damit ihre Einnahmen ab. König Friedrich Wilhelm II. erfüllte schließlich das Versprechen seines verstorbenen Onkels Friedrich der Große und schenkte der Karschin 1789 in Berlin ein Haus, in dem sie nur zwei Jahre später starb.

Lektüretipp Annett Gröschner: „Die Spazier-Gaenge von Berlin“. Anna Louisa Karsch (1722–1791), Quintus Verlag 2022, 32 Seiten, 8 Euro