25.04.2024

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Folge 47-22 vom 25. November 2022 / Alpensektion Königsberg / Ungewöhnliches Faible für die alpine Bergwelt / Die Ostpreußenhütte in der Heimat der Salzburger Exulanten – bis heute ein attraktives Urlaubsziel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-22 vom 25. November 2022

Alpensektion Königsberg
Ungewöhnliches Faible für die alpine Bergwelt
Die Ostpreußenhütte in der Heimat der Salzburger Exulanten – bis heute ein attraktives Urlaubsziel
Wolfgang Kaufmann

Während der Großen Pest von 1709 bis 1711 starben in Ostpreußen ganze Dörfer aus, woraufhin rund 11.000 Bauernhöfe verödeten. Deshalb unterzeichnete der preußische König Friedrich Wilhelm I. am 2. Februar 1732 ein Einwanderungspatent, mit dem er die Ansiedlung von rund 17.000 heimatvertriebenen protestantischen Glaubensflüchtlingen aus dem tiefkatholischen Fürsterzbistum Salzburg in Ostpreußen genehmigte. Hieraus resultierte der Umstand, dass zum Ende des 19. Jahrhunderts etwa jeder dritte Bewohner der Provinz Vorfahren aus der Salzburger Region hatte, was zu einem für Nordostdeutsche ungewöhnlichen Faible für die alpine Bergwelt führte. 

Dieses war die Ursache für die am 8. Juli 1890 vollzogene Gründung der Alpenvereinssektion Königsberg durch 28 Universitätsprofessoren, Staatsbeamte und Ärzte um Alfons Kißner. Und die begannen auch sogleich, Geld für den Bau einer eigenen Hütte in den Alpen zu sammeln.

Dabei richtete sich das Augenmerk der bergbegeisterten Ostpreußen zunächst auf die Dolomiten und das Karwendel-Gebirge, wo sie jedoch keine geeigneten Grundstücke fanden. Dann erfuhr der Königsberger Drogist Willi Müller-Reith im August 1925 während seines Urlaubs in Österreich, dass im Gebiet des 2941 Meter hohen Hochkönigs in den Salzburger Kalkalpen noch eine Hütte fehlte. Daraufhin beschloss die Sektion Königsberg, die inzwischen bereits 786 Mitglieder hatte, im März 1926, einen Hüttenausschuss ins Leben zu rufen, welchem der Vizepräsident des Oberlandesgerichts Königsberg, Franz Boy, vorstand. Dem folgte zwei Monate später die Suche nach geeigneten Bauplätzen auf dem 1630 Meter über dem Meer gelegenen Rettenbachriedel oberhalb von Werfen und rund 40 Kilometer südlich von Salzburg, also im Bereich der Urheimat so vieler Ostpreußen.

Die Anhöhe, auf der die Hütte letztlich stehen sollte, gehörte zur Herrschaft Imlau, deren Besitzer Friedrich Leopold Prinz von Preußen war. Der Hohenzoller schenkte der Alpenvereinssektion Königsberg am 9. November 1926 das benötigte Grundstück von 2000 Quadratmetern Größe. Daraufhin konnte am 15. Mai 1927 die Errichtung der Ostpreußenhütte unter der Aufsicht des Baumeisters Hans Kronberger aus Werfen beginnen. Die Mittel hierfür in Höhe von 48.000 Reichsmark brachten zu einem Drittel die Königsberger Alpinisten auf. Ein weiteres Drittel schoss der Deutsche und Österreichische Alpenverein (DÖAV) zu und der Rest stammte aus Spenden, die unter anderem von 20 ostpreußischen Städten und begüterten Einzelpersonen wie Bertha Krupp von Bohlen und Halbach kamen.

Die feierliche Einweihung der Hütte erfolgte am 25. Juli 1928 in Anwesenheit zahlreicher Gäste aus den Sektionen Breslau, Leipzig, Elbing und Tilsit. Im Anschluss daran avancierte das Schutzhaus aufgrund seiner leichten Erreichbarkeit zu einem beliebten Ziel für Wanderer, Bergsteiger und Skifahrer und hatte jährlich um die 2500 Besucher. Viele davon erklommen von hier aus den Hochkönig oder andere umliegende Gipfel wie den Gamskarkogel (2013 Meter), Floßkogel (2437 Meter) und das Eibleck (2361 Meter).

Allerdings konnten die Königsberger ihre Hütte nur bis Mai 1933 nutzen, dann verhängten die Nationalsozialisten eine faktische Ausreisesperre nach Österreich. Und am 25. August 1939 musste schließlich auch der Hüttenwirt Eduard Justus zur Wehrmacht einrücken, was die zeitweilige Schließung des Hauses zur Folge hatte.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Ostpreußenhütte als konfisziertes deutsches Eigentum im Auftrag der Wiener Regierung vom Österreichischen Alpenverein (ÖAV) treuhänderisch verwaltet und hieß bis 1951 Blienteckhütte. Um perspektivisch wieder in den Besitz des Gebäudes zu gelangen, konstituierte sich die Sektion Königsberg am 26. Januar 1952 neu, wobei ihr Sitz nun in Göttingen lag. Doch auch in den Jahren danach behielt der österreichische Staat weiter die oberste Verfügungsgewalt über die Hütte und verkaufte diese dann am 2. November 1962 an die Sektion Innsbruck des ÖAV.

Gut drei Jahre später, am 10. Dezember 1965, beschloss die Vertriebenen-Sektion Königsberg des Deutschen Alpenvereins (DAV), künftig in München zu residieren. Dort befand sich auch die Zentrale des DAV, der am 20. Mai 1968 als neuer Eigentümer der Ostpreußenhütte in das Grundbuch von Werfen eingetragen wurde und das Schutzhaus auf dem Rettenbachriedel schließlich am 27. Oktober 1972 an seine Sektion Königsberg veräußerte – womit diese nach der Sektion Breslau die allerletzte ostdeutsche Sektion war, die ihre Hütte in Österreich zurückerhielt.

Das Bauwerk mit seinen insgesamt 58 Übernachtungsplätzen, welches fast ganzjährig genutzt werden kann, befand sich zu diesem Zeitpunkt in einem eher „durchwachsenen“ Zustand. Schuld hieran trugen nicht zuletzt der Brand zum Jahreswechsel 1948/49 und die permanent hinausgeschobenen Instandhaltungsarbeiten während der langen Zeit der ungewissen Besitzverhältnisse. Heute gilt die Hütte dahingegen wieder als attraktive Unterkunft, obwohl es am 28. März 1988 nochmals auf ihrem Gelände gebrannt hatte.