28.03.2024

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Folge 47-22 vom 25. November 2022 / Im Wandel / Die Kurfürstenstraße in Stettin / Einst Verbindung zwischen den Befestigungsanlagen der Stadt, später Prachtstraße

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-22 vom 25. November 2022

Im Wandel
Die Kurfürstenstraße in Stettin
Einst Verbindung zwischen den Befestigungsanlagen der Stadt, später Prachtstraße
Peter Haese

Namensgeber der Kurfürstenstraße war der 1620 in Berlin geborene Friedrich Wilhelm, „Der große Kurfürst“, 1640 bis 1688 Kurfürst in Brandenburg. Die Errichtung des Denkmals für den Großen Kurfürsten, seine Büste auf einem hohen, quadratischen Sockel, wurde durch König Wilhelm Friedrich III. initiiert, es stand vom 7. Mai 1834 bis April 1945 im großen Schlosshof in Stettin. Über seinen weiteren Verbleib ist nichts bekannt. 

Die später so benannte Kurfürstenstraße ist seit der Schwedenzeit eine alte Wege- und Kommunikationsverbindung außerhalb der damaligen Befestigung, dem Glacis, zwischen Fort Wilhelm und dem Berliner Tor zum Fort Preußen. Entlang dieser alten Wegeverbindung, die westlich vor den Festungswerken verlief, durften bis 1873 keine festen Bauwerke errichtet werden. Lediglich Holzbauten waren erlaubt, die bei Feindannäherung schnell abgerissen beziehungsweise niedergebrannt werden konnten. 

In gewisser Entfernung zum Festungskern sind trotzdem einige Vorstadtsiedlungen entstanden wie Grabow, Bredow, Zabelsdorf, Neu- und Alt-Torney sowie entlang der Bellevue- bis zur Bäckerbergstraße. Im Zuge des Schwedisch-Polnischen Krieges 1655/60 spielte die durch die schwedische Besatzungsmacht ab 1630 angelegte Festung eine große Rolle. Sie ist im Laufe der Jahre zu einem wichtigen Brückenkopf für die Schweden geworden. In der Stadt Stettin befanden sich 1648 über 2000 schwedische Soldaten, die bis 1677 noch verdoppelt wurden. 

1659 kam es zur Belagerung Stettins durch die damals verbündeten polnischen, kaiserlichen und brandenburgischen Truppen gegen die in Stettin verschanzten Schweden. Zusammen mit der Stettiner Bürgerwehr konnten die Belagerer abgewehrt werden. Die kriegerischen Auseinandersetzungen endeten 1660 mit dem Frieden von Oliva.

Immer wieder Angriffe 

Die Brandenburger konnten 16 Jahre später bei einer neuerlichen Belagerung und einem weiteren Angriff die Stadt besetzen und teilweise erheblich zerstören. Die Stettiner hatten zu dem Großen Kurfürsten ein recht geteiltes Verhältnis, denn während der Belagerung Stettins im August 1677 wurden durch seinen Befehl nicht nur der Jakobi-Kirchturm samt Glockengeläut mit neun Glocken und andere Gebäude zerstört, sondern auch die gesamte Stadt völlig ruiniert. Um Brandenburg und Preußen mag sich der Kurfürst Verdienste erworben haben, um Stettin jedoch nicht. Es blieb unklar, warum die Stettiner dem Großen Kurfürsten die Ehre gaben, als Namensgeber für diese geschichtsträchtige Straße zu fungieren. 

Nachdem das Deutsche Kaiserreich 1871 gegründet wurde, entschied man sich 1873 in Stettin für die Beseitigung der Festungswerke. Es begann eine politisch und wirtschaftlich großartige Zeit für alle Stettiner und ihre Stadt. In den Jahren danach wurde die Kurfürstenstraße an der Westseite mit Wohnhäusern bebaut, und an der Glacis-Seite entstand 1891 die Grenadier-Kaserne, denn gegen Angriffe von außen wollte man sich weiterhin verteidigen können. 

Großes Leid

Als Eroberer Stettins wurden der Kurfürst 1678, wie auch zuvor schon die Dänen und Schweden, 130 Jahre später die Franzosen und 267 Jahre danach die Russen und Polen von der Bevölkerung nicht sonderlich freundlich empfangen. Sonderbarerweise haben alle Besatzungsmächte, auch die russischen, nach erfolgter militärischer Eroberung 1945 die Stadtverwaltung wieder in deutsche Hände gegeben. Trügerisch, denn danach wurde die deutsche Bevölkerung aus ihrer Stadt vertrieben – es setzten sich auch leider Verbrechen nach Kriegsende fort. 

Traurige Bekanntheit erlangte die Kurfürstenstraße 6, Ecke Burscherstraße 34 – das war übrigens das Wohnhaus des Schauspielers Heinrich George – durch den „Bericht der Gabriele Stolp“, in dem sie über die schlimmen Zustände in Stettin 1945 bis 1946 berichtet, dass dort Deutsche durch polnische Miliz grundlos umgebracht wurden. Eines der Opfer war der Großvater von Peter Haese. Ein traumatisierendes Ereignis, das die Familie auch nach so vielen Jahrzehnten noch extrem belastet.