25.04.2024

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Folge 47-22 vom 25. November 2022 / Jubiläum / Vor 140 Jahren wurde der Schiffbauer Paul Lindenau geboren / Seine Werft wurde zu einem Wahrzeichen der Stadt Memel – Ihr Gründer wird bis heute geehrt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-22 vom 25. November 2022

Jubiläum
Vor 140 Jahren wurde der Schiffbauer Paul Lindenau geboren
Seine Werft wurde zu einem Wahrzeichen der Stadt Memel – Ihr Gründer wird bis heute geehrt
Heiko Kressin

Im November dieses Jahres jährt sich zum 140. Mal der Geburtstag eines der bedeutesten Persönlichkeiten der jüngsten Geschichte der Stadt Memel – des Unternehmers, Ingenieurs und Schiffbauers Paul Lindenau. Dem am 6. November 1882 in Wehlau geborenen Ostpreußen verdankt die Stadt eines ihrer Wahrzeichen, den Helling, auf dem Gelände der ehemaligen Lindenauwerft. Im Komplex mit den noch erhaltenen Gebäuden der Schmiede, der Rohrwerkstatt, der Maschinenhalle und der Boots- und Jachthalle ist sie das einzige Denkmal des industriellen Schiffbaus auf dem Gebiet des heutigen Litauens.

Lindenau gründete 1919, in unsicheren Zeiten, die Lindenauwerft auf dem linken Ufer der Dange. Hilfreich war bei diesem Entschluss sicherlich der erteilte Staatsauftrag über vier zu bauende Boote, die für den Lotsen-, Rettungs- und Zolleinsatz bestimmt waren. 

Schnell entwickelte sich der Betrieb zur modernsten Werft im Baltikum. Nicht nur, dass Holz- und Eisenschiffe gebaut wurden, Lindenau errichtete auch eine Gießerei, ein Elektrizitätswerk und eine Maschinenfabrik, in der in den 1920er Jahren auch Omnibusse hergestellt wurden. Aus der Vielzahl der gebauten Schiffe ragten neben dem Vollmetallschiff „Cattaro“ und den Umkehrfähren für die Verbindung zur Nehrung vor allem die „Helgoland“ heraus, ein für 2000 Passagiere ausgelegtes Schiff der Hapag Linie für den Seedienst Ostpreußen. Dieses Schiff war mit einem turboelektrischen Antrieb ausgerüstet, ein weit in die Zukunft weisender Schritt und absolutes Novum in dieser Zeit. 

Die Werft war, wie alle anderen Werften auch, im  Zweiten Weltkrieg beim Bau von Militärschiffen, vor allem Minenräumern, beteiligt. In welchem Maße dazu Zwangsarbeiter eingesetzt wurden, bleibt Gegenstand zukünftiger Forschung. Fakt ist jedoch, dass Lindenau mit einem genialen Schachzug die Rettung der Werft vor der anrückenden sowjetischen Armee gelang. Er ließ sein größtes Schwimmdock seefest machen und evakuierte mit diesem sowohl Maschinen und Ausrüstung als auch die verbliebenen Arbeiter mit ihren Familien nach Schleswig-Holstein. In Kiel existiert die Werft, wenn auch nicht mehr in Familienbesitz, als Teil der German Naval Yards Holding weiter. 

Man könnte annehmen, dass damit die Geschichte und die Erinnerung an Lindenau in Memel beendet wäre. Als aber im Jahr 2020 die Ausbildungsabteilung der Werft „Klaipeda“ und die Berufsschule für Schiffbau und -reparatur zusammengelegt wurden, erhielt die neugeschaffene Institution den Namen „Seefahrer-Ausbildungszentrum Paul Lindenau“.  Die dort vermittelten Berufe umfassen neben traditionellen Werftberufen (Schiffsbauer und -ingenieure, Schweißer, Elektriker, Anlagen-, Schiffsysteme- und Klimaspezialisten), Matrosenausbildung, Spediteure und Schiffsservicemitarbeiter (Köche und Stewards). Der Leiter des Ausbildungszentrums Egidijus Skarbalius sagte: „Paul Lindenau ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit, dank derer vor mehr als hundert Jahren in Litauen ein Durchbruch im Schiffbau und in der Reparatur begann. Sich nach diesem Schiffsingenieur zu nennen, ist nicht nur eine Ehre, sondern auch eine Verpflichtung, die Kontinuität der beruflichen Ausbildungstraditionen zu gewährleisten und Spezialitäten im Zusammenhang mit der maritimen Technik und Industrie weiter zu fördern.“