Das am Persischen Golf gelegene Emirat Katar, das nur etwa dreimal so groß ist wie Berlin und momentan die Fußball-Weltmeisterschaft ausrichtet, nimmt derzeit Platz 4 in der Liste der reichsten Länder der Welt ein. Von diesem Reichtum profitieren nicht nur die Mitglieder des regierenden Al-Thani-Clans, sondern auch die übrigen 270.000 Staatsbürger Katars. So müssen diese beispielsweise keinen einzigen Dirham für Strom und Wasser bezahlen. Darüber hinaus kommen sie in den Genuss eines hervorragenden Sozialsystems für Einheimische.
Der Wohlstand der islamischen Erbmonarchie speist sich in allererster Linie aus Katars riesigen Erdöl- und Erdgasvorkommen. Fachleute schätzen den Anteil Katars an den weltweiten Erdgasreserven auf 15 Prozent. Damit rangiert der Kleinstaat gleich nach Russland und dem Iran auf Platz 3. Allerdings werden die Bodenschätze Katars irgendwann versiegen und damit auch die hieraus resultierenden Geldströme aus dem Ausland. Deswegen ist die Herrscherfamilie schon seit einiger Zeit bemüht, alternative Finanzquellen zu erschließen.
Investor in Deutschland
Eine Schlüsselrolle spielt hierbei der 2005 ins Leben gerufene Staatsfonds Qatar Investment Authority (QIA). Mit seinem Vermögen von rund 450 Milliarden US-Dollar gilt er inzwischen als größter Staatsfonds der Welt. Rund um den Globus investiert er in zukunftsträchtige Branchen beziehungsweise Unternehmen. Dazu gehören auch große bundesdeutsche DAX-Konzerne und sonstige Branchenschwergewichte. So hält die zur QIA gehörende Qatar Holding LLC seit 2009 17 Prozent der Stammaktien des Autobauers Volkswagen. Das macht sie zum drittgrößten Investor bei VW nach der Porsche Automobil Holding und dem Land Niedersachsen. Bei der kürzlichen Veräußerung von Vorzugsaktien der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG sicherten sich die Katarer 23 Millionen davon. Dadurch sind sie mit fünf Prozent auch an dem deutschen Sportwagenhersteller beteiligt.
Ebenfalls auf der Einkaufsliste der QIA standen Aktien des zeitweise zweitgrößten Energieversorgungsunternehmens der Bundesrepublik RWE mit Sitz in Essen, des Münchener Industriekonzerns Siemens, des Hamburger Transport- und Logistikriesen Hapag-Lloyd, des Tübinger Impfstoffherstellers CureVac und des Münchener Spezialisten für datengetriebene Prozessoptimierung Celonis. Hier bewegen sich die Anteile im Bereich zwischen drei und über zwölf Prozent. Damit ist die QIA nun der größte Aktionär von RWE und der viertgrößte Investor bei Siemens. Die Familie Siemens besitzt nur doppelt so viele Aktien des nach Werner von Siemens benannten Großunternehmens.
Und dann wäre da noch die Beteiligung an der Deutschen Bank. Katars früherer Emir Hamad bin Khalifa Al Thani und sein Cousin, der ehemalige Premierminister Hamad bin Dschassim bin Dschaber Al Thani, halten über die Investmentfirmen Supreme Universal Holdings und Paramount Services Holdings offiziell 6,1 und de facto möglicherweise sogar zehn Prozent der Anteile an Deutschlands größtem Geldinstitut.
Importeur deutscher Waren
Ansonsten spiegeln sich die engen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen der Bundesrepublik und des wegen der dortigen Menschenrechtslage immer wieder heftig gescholtenen Golfemirats auch in den Handelsbeziehungen. Abgesehen von den USA und der Volksrepu-blik China importiert Katar aus keinem Land so viel wie aus Deutschland. Auch deutsche Unternehmen erhielten Großaufträge im Rahmen der Umsetzung des Infrastruktur-Entwicklungsprogramms Qatar National Vision 2030. So baut die DB International, eine Tochter der Deutschen Bahn AG, nun ein 650 Kilometer langes Schienenverkehrsnetz in dem Wüstenstaat. Es besteht aus Schnellfahrstrecken zwischen dem Flughafen von Doha und dem Nachbarland Bahrain sowie einer Anbindung an das Gleissystem von Saudi-Arabien. Dazu kommen S- und U-Bahn-Linien im Ballungsraum um die katarische Hauptstadt.
Bei der Ausgestaltung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen dürfte das autokratische Regime in Katar mittlerweile am längeren Hebel sitzen. Denn es kann seine Rohstoffexporte, Importe aller Art und Aufträge für Infrastrukturpakete je nach wirtschaftlicher oder politischer Opportunität diversifizieren, ist also nicht auf die Bundesrepublik angewiesen. Umgekehrt beeinflusst Katar durch seine strategischen Beteiligungen inzwischen das Schicksal mehrerer großer deutscher Konzerne, beispielsweise durch das Abstimmungsverhalten des QIA-Vertreters Mansoor Bin Ebrahim Al-Mahmoud und der Beauftragten der katarischen Trio Investmentgesellschaft Hessa al Jaber im Aufsichtsrat von Volkswagen.