Fragt man nach den großen Themen, die uns in diesen Zeiten beschäftigen, kommt man schnell auf Seuche und Krieg. Anklänge dazu kann man schon in einem prophetischen Roman finden, der Mitte der 1980er Jahre in den USA erschienen ist. Don DeLillos „Weißes Rauschen“ wurde damals schon als Meisterwerk betrachtet, das so zeitlos das ganze Elend der Welt beschreibt, dass seine Landsleute dem Autor, der später hochpolitische Romanhits wie „Mao II“ oder „Unterwelt“ nachlegte, neben US-Kollegen wie Thomas Pynchon oder Richard Ford seit Jahrzehnten den Literaturnobelpreis gönnen.
Mit der Verfilmung von „Weißes Rauschen“ macht der US-Streamingdienst Netflix jetzt wieder Werbung für DeLillo. Bevor der Film ab dem 30. Dezember über Netflix zu sehen ist, erscheint er vom 8. Dezember an in den deutschen Kinos. Dass der Streamingkonzern den Streifen zuerst in den Kinos auswertet, dürfte auch daran liegen, dass mit Lars Eidinger und Barbara Sukowa zwei deutsche Schauspielstars mitwirken, wenngleich auch erst gegen Ende des Films. Und schließlich spielt auch Hitler eine Rolle.
Denn der Protagonist ist ein Hitler-Forscher, der seinen Studenten erklärt, wie der Diktator einst Deutschland an die Wand gefahren hat, der aber nicht erkennt, wie tief die eigene konsumorientierte Welt bereits in den Abgrund starrt. Schließlich bricht die Katastrophe in Form eines Chemieunfalls herein, bei dem der Hitler-Dozent samt Patchworkfamilie panisch aus der Kleinstadt flieht. Was folgt, ist ein Untergangsszenario, das in bester Science-Fiction-Tradition mit ästhetisch-apokalyptischen Bildern an Filme wie „Independence Day“ erinnert.
Wenn sich die Menschen mit Masken und Schutzanzügen vor den giftigen Gasen schützen, ist das sicher keine ungewollte Analogie zur heutigen Pandemie. Der Film ist schließlich mitten in der Lockdown-Zeit im Frühjahr 2021 entstanden. Vom Ukrainekrieg war damals noch nicht die Rede. Und doch klopft nach der Heimkehr der Familie ins traute Heim am Ende der Krieg an die Tür – genauer der Drogenkrieg in Form einer Substanz namens Dylar. Lars Eidinger fungiert hier als schmieriger Dealer, dessen pennerhaftes Auftreten trotz weniger Einsatzminuten ebenso ein Höhepunkt des Films ist wie Barbara Sukowa als gotteslästernde Nonne im Lazarett dieses Alltagskrieges.
Dagegen bleiben Adam Driver als Dozent und Greta Gerwig als seine Frau regelrecht blass. Regisseur Noah Baumbach hat für seinen Film auf die altbewährten Darsteller seiner früheren Großstadtkomödien wie „Francis Ha“ zurückgegriffen. Entsprechend komödiantisch sollte das absurde Theater in „Weißes Rauschen“ herüberkommen. Der Humor verrauscht allerdings in diesem Film, der die Komplexität der – durchaus spaßhaften – Romanvorlage nur selten in den Griff bekommt.