19.04.2024

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Folge 49-22 vom 09. Dezember 2022 / Armenien / Zweifel an Putins Bündnistreue / Gastgeber ließ Gipfel der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit in Eriwan platzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-22 vom 09. Dezember 2022

Armenien
Zweifel an Putins Bündnistreue
Gastgeber ließ Gipfel der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit in Eriwan platzen
Bodo Bost

Russlands Präsident Wladimir Putin wurde zum Gipfel der auf seine Initiative hin 2002 gegründeten Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) in der armenischen Hauptstadt Eriwan nicht mit überschwänglicher Freude, sondern eher zähneknirschend empfangen. In der kleinen Südkaukasusrepublik, die zwischen der Türkei im Westen und Aserbaidschan im Osten eingeklemmt ist, fühlt man sich von Russland betrogen. Russland hat Aserbaidschan einen Teil der Waffen geliefert, mit denen dieses Land 2020 Armenien angegriffen und besiegt hat. Obwohl Russland damals noch nicht den Krieg gegen die Ukraine führte, wartete Putin 44 Tage, bevor er seine Soldaten in den Kaukasus schickte, die er laut dem OVKS-Vertrag bereits am ersten Tag hätte schicken müssen. Dies war für die anderen Mitglieder dieser Verteidigungsgemeinschaft, Weißrussland, Kasachstan Kirgisistan und Tadschikistan, ein klares Zeichen, dass es Putin mit Vertragstreue nicht so ernst meint. Wie die NATO verfügt die OVKS über Klauseln zum gemeinsamen Beistand. So besagt der Artikel 4, dass jede „Aggression gegen OVKS-Mitgliedsstaaten von den anderen Teilnehmern als Aggression gegen alle betrachtet wird“. Aserbaidschan gehört der OVKS nicht an. Dafür verfügt er aber über bedeutende Gas- und Ölvorkommen. Mit ihm will es sich Russland lieber nicht verderben. 

Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew verhöhnte Armenien vor dem Treffen und strotzte damit, dass sein Land obwohl kein OVKS-Mitglied, mehr Freunde in dieser Organisation habe als Armenien. Wie es scheint, hatte er Recht. Denn auch das ebenfalls zum christlichen Kulturkreis gehörende Weißrussland ließ den armenischen Verbündeten im Regen stehen. Das gleiche gilt für Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan. 

Aserbaidschan trumpft auf

Auch in seinem eigenen Land steht Putin mit seiner Position nicht allein. Dort gibt es vielmehr immer mehr Politiker, die erklären, der Konflikt Armeniens mit Aserbaidschan falle nicht in die Zuständigkeit der OVKS. Dabei ist Russland per Vertrag militärische Schutzmacht Armeniens und betreibt dort zwei Militärbasen. Armenien weigerte sich deshalb auch, das Abschlussdokument des Gipfels zu unterschreiben und ließ den Gipfel damit platzen. Was nutzt ein Bündnis, auf das man sich nicht verlassen kann?

Der Ukraine krieg lässt Putins Einfluss weiter bröckeln. Vor allem die muslimischen unter den ehemaligen Sowjetrepubliken ließen ihn das spüren, auch in Eriwan. Alijew verweigerte Putin schon Ende Oktober in Sotschi eine Verlängerung der russischen Truppenpräsenz in Bergkarabach über das Jahr 2025 hinaus. Das hätte Alijew vor dem 24. Februar nicht gewagt. Nach dem Abzug der Russen 2025 kann Alijew das Problem Bergkarabach als innenpolitisches Problem seines Landes alleine mit der Türkei lösen. Das wissen die Armenier, zumal auch Israel mit seinen Waffenlieferungen an Aserbaidschan diesmal auf der Seite der Täter steht. Wie es scheint, wird sich Aserbaidschan längerfristig nicht mit Bergkarabach begnügen, sondern ebenfalls die Provinz Zangezur im Süden erobern wollen. 

Russland in der Defensive

Dort hatte Aserbeidschan im September bereits Russland getestet und einige Hundert Quadratkilometer Land erobert, mit mehr als 300 Toten. Alijew stoppte seine Truppen erst als die USA, Frankreich und die EU den diplomatischen Druck deutlich erhöhten. Derzeit patrouilliert eine zivile Beobachtermission der EU an der Grenze beider Staaten, allerdings mit einem Mandat für nur sechs Monate. Russland ist bei all dem außen vor. 

Einen gemeinsamen Verbündeten haben Armenien und Russland nur noch im Iran. Armenien hat alte historische Beziehungen zu seinem südlichen Nachbarn. Der kleine gemeinsame Grenzverlauf ist für beide Seiten eine wirtschaftliche und politische Lebensader. Doch das derzeitige Mullah-Regime in Teheran könnte auch bald fallen, das wäre für Armenien das Todesurteil. Alijew spekuliert bereits auf einen Aufstand der Aserbaidschaner im Iran, die dort ein Zehntel der Bevölkerung bilden und eine ganze Region an der Grenze zu Aserbaidschan bevölkern. Er sieht sich bereits neben Erdoğan an der Spitze eines neuen Turkreiches Turan, von Europa bis nach Zentralasien. Das einzige Problem dabei ist, dass die Aserbeidschaner wie die Iraner und die Iraker mehrheitlich Schiiten und die türkischen Brudervölker überwiegend Sunniten sind.