08.05.2024

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Folge 50-22 vom 16. Dezember 2022 / Gruppe Wagner Die russische Blackwater-Kopie ist in Europa, Asien, Afrika und möglicherweise auch Amerika aktiv. An ihrer Spitze steht mit Jewgenij Prigoschin ein schwer durchschaubarer Catering-Unternehmer / „Putins Koch“ und dessen Privatarmee / Einst galt Prigoschin als Marionette des Präsidenten – Inzwischen warnt Russlands FSB vor ihm

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-22 vom 16. Dezember 2022

Gruppe Wagner Die russische Blackwater-Kopie ist in Europa, Asien, Afrika und möglicherweise auch Amerika aktiv. An ihrer Spitze steht mit Jewgenij Prigoschin ein schwer durchschaubarer Catering-Unternehmer
„Putins Koch“ und dessen Privatarmee
Einst galt Prigoschin als Marionette des Präsidenten – Inzwischen warnt Russlands FSB vor ihm
Wolfgang Kaufmann

Auf dem Kriegsschauplatz Ukraine operieren nicht nur reguläre Truppen, sondern auch paramilitärische Organisationen. Eine davon ist die Gruppe Wagner, die für Russland kämpft. Dieses private Militärunternehmen wurde 2014 auf Initiative von Dmitrij Utkin gegründet, einem ehemaligen Oberstleutnant der 2. Spezialaufklärungsbrigade des russischen Militärgeheimdienstes GRU. Utkin, der eine auffällige Vorliebe für das Dritte Reich hat, gab sich selbst zu Beginn seiner Söldnerkarriere den Kampfnamen „Wagner“, weil Richard Wagner Adolf Hitlers Lieblingskomponist war. Später ging der Name dann auf die gesamte Einheit über.

Obwohl die russische Regierung dies bestreitet, agiert die Gruppe Wagner in ihrem Auftrag. Daher erfolgte die Aufstellung auch mit maßgeblicher Unterstützung des Generalstabschefs der russischen Streitkräfte, Armeegeneral Walerij Gerassimow. Die Truppe ist zwar nicht formell dem Verteidigungsministerium untergeordnet, kooperiert allerdings eng mit der GRU. 

Zunächst waren private Militärunternehmen in Russland verboten. Das änderte sich erst, als Präsident Wladimir Putin am 9. Januar 2017 ein Gesetz unterschrieb, das deren Existenz legalisiert, wenn sie „internationale terroristische Aktivitäten außerhalb des Territoriums der Russischen Föderation“ verhindern. Mittlerweile ist die Gruppe Wagner derart etabliert, dass sie Anfang November ein offizielles Hauptquartier in St. Petersburg eröffnen konnte. 

37.000 aktive Söldner

Die Zahl ihrer Kämpfer wuchs durch den Ukrainekrieg enorm an. Nach Schätzungen des oppositionellen russischen Ökonomen Wladislaw Inosemzew verfügt die Truppe inzwischen über 37.000 Mann. Davon sollen rund 11.500 ehemalige Strafgefangene sein, die in russischen Gefängnissen rekrutiert wurden. Zur Ausstattung gehört auch schweres Kriegsgerät bis hin zu Panzern.

Derzeitiger Chef der Gruppe Wagner ist der Catering-Unternehmer Jewgenij Prigoschin. „Der Koch des Kreml“, wie er auch genannt wird, saß zwischen 1981 und 1990 in Haft, unter anderem wegen einiger Raubüberfälle und der Prostitution Minderjähriger. Später avancierte der bullige Mann dann zu „Putins Koch“. Diesen Spitznamen erhielt Prigoschin, weil seine Firma Konkord die Küchen des Kreml belieferte und für die Bewirtung von Staatsgästen verantwortlich zeichnete. Sowohl die USA als auch die EU verhängten Sanktionen gegen Prigoschin. Bislang galt er als Marionette Putins. Doch nun scheint sich das Blatt gewendet zu haben.

Suche nach einer Alternative

Mit der Rückendeckung ultranationalistischer Kreise Russlands kritisiert der Wagner-Chef die angeblich zu zögerliche Kriegsführung in der Ukraine sowie mangelndes Engagement der anderen russischen Oligarchen. Diese würden beispielsweise verhindern, dass auch ihre Söhne in den Kampf ziehen. Deshalb befürchtet der Inlandsgeheimdienst FSB einen Putschversuch Prigoschins gegen seinen Gönner Putin. Das geht aus internen E-Mails des FSB hervor, die ein Whistleblower mit dem Decknamen „Wind of Change“ an den im Exil lebenden Menschenrechtsaktivisten Wladimir Osetschkin geschickt hat und die jetzt von dem US-Magazin „Newsweek“ veröffentlicht wurden. Darin heißt es, dass Prigoschin seine Gruppe Wagner darauf vorbereite, Chaos im Lande zu stiften, um den staatlichen Stellen und dem FSB Unfähigkeit nachzuweisen. Danach wolle er einen Umsturz herbeiführen, der deutlich radikalere Kräfte an die Macht bringen solle. Aus diesem Grund warnte der FSB eindringlich: „Wenn alles nach Prigoschins Szenario läuft, werden wir sowohl die Kontrolle als auch das Land verlieren.“

Dafür, dass an den Putschgerüchten tatsächlich etwas dran ist, spricht, dass die derzeitige russische Führung nun wohl ein Gegengewicht zur Gruppe Wagner schaffen will. Das geht aus Meldungen des ukrainischen Militärgeheimdienstes HUR hervor, die sich mit Erkenntnissen des US-amerikanischen Institute for the Study of War (ISW) decken. Als Prigoschins Herausforderer scheint dabei der Kreml-nahe Geschäftsmann Armen Sarkisyan zu fungieren, der auch als Vertrauter des russlandfreundlichen ehemaligen ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch gilt. Sarkisyan plant offenbar, eine ebenso große private Söldnertruppe wie die Gruppe Wagner aufzustellen. Das dafür nötige Geld will angeblich der russisch-armenische Milliardär Samvel Karapetyan zur Verfügung stellen. 

Letzterer ist Teilhaber der Tashir-Gruppe, einer Zulieferfirma für den russischen Energiekonzern Gazprom. Fakt ist, dass Sarkisyan nun zum neuen Verwalter der Gefängnisse in den von Russland besetzten ukrainischen Gebieten ernannt worden ist. Damit hätte er eine günstige Zugriffsmöglichkeit auf potentielle Rekruten für eine Söldnertruppe.