18.04.2024

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Folge 50-22 vom 16. Dezember 2022 / Kolumne / Jenseits des Femininismus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-22 vom 16. Dezember 2022

Kolumne
Jenseits des Femininismus
Florian Stumfall

Dass im öffentlichen Leben und in der Gesellschaft deren weiblicher Anteil mehr und mehr bevorzugt wird, ist offensichtlich. Das reicht von der Besetzung der Hauptrollen in literarischen Hervorbringungen sowie in den Produktionen bei Film und Fernsehen bis in die Politik. Dort beanspruchen durchgehend Frauen die Hälfte der zu vergebenen Positionen, auch wenn ihr Anteil an der Mitgliedschaft einer Partei nur rund ein Fünftel beträgt. Wenn dieses Missverhältnis überhaupt je angesprochen wird, so wird es damit erklärt, dass es gegenüber der früheren, männerlastigen Welt nun einen gerechten Ausgleich geben müsse. 

Diese Begründung eröffnet die Sicht auf eine Entwicklung, die möglicherweise eine kulturhistorisch überaus seltene und dabei grundlegende Neuerung mit sich bringt. In allen frühen Kulturen galt die Fruchtbarkeit als ein das Leben begründendes Element, und, was den Bereich der Menschen angeht, als ausschließlich auf die Frau und Mutter bezogen. Fruchtbar, das hieß, es wurden Kinder geboren, welche die Sippe stärkten, was dann zum Entstehen von Stämmen und schließlich von Völkern führte. 

In jener Zeit herrschte das Matriarchat. Diesem wohnt ein ewiger Zauber inne, der an das Herkommen der Menschheit erinnert. Und wie es immer ist: Wo der Tod nie fern bleibt in einer gefahrvollen Natur, da spielt die Geburt eine ausschlaggebende Rolle fürs Überleben, und mit ihr das Weib. Dementsprechend waren die Gesellschaften beschaffen, matrilinear mit der Erbfolge von der Mutter auf die Tochter, oftmals gab es die Polyandrie, das Schamanentum oblag hauptsächlich Frauen. 

Historische Mutterherrschaft

In Europa verlor das Matriarchat mit der indogermanischen Einwanderung um 2000 vor Christus an Bedeutung. Die neuen Völker brachten das Vaterrecht, das Patriarchat mit sich, das in demselben Umfang gerechtfertigt war, wie zuvor das Mutterrecht. Dieses kulturelle Regelwerk hatte in Europa und den europäisch geprägten Ländern dieser Welt, auch „der Westen“ genannt, Gültigkeit bis in unsere Tage. Nun aber scheint sich – nach Tausenden von Jahren – wiederum der Umschwung einzustellen. Wie viel an Lebenskraft und Dauerhaftigkeit ihm innewohnt, ist heute allerdings noch nicht abzusehen. 

Die patriarchalische Ordnung prägte im Fortgang die europäische Geschichte bis in unsere Tage. In dieser Ordnung zeigt sich die Stellung der Frau auf ambivalente Art. Einerseits waren die Männer die Oberhäupter der Familie, gaben Namen und Eigentum an die männliche Folgegeneration weiter und bestimmten im Rat die gemeinsamen Angelegenheiten. Auf der anderen Seite galt gegenüber der Frau ein Kodex, der im Sinne ihrer Wohlfahrt, Sicherheit und Ehre wirken sollte. Das Verhältnis der Geschlechter zueinander war noch nicht durch Gesetze, sondern die normative Kraft der Gesellschaft geprägt, und die Unterschiede bei Rechten und Pflichten galten als der Spiegel der unterschiedlichen Art von Mann und Frau als naturgegeben gewollt.

Heute aber ist es nicht mehr die Bindekraft von Gesellschaft und Tradition, welche die Rolle der Frau beschreibt, sondern das Gesetz. Wesen und Art der Frau werden somit verstaatlicht. Nicht nur Zyniker äußern die Meinung, besondere Rücksichtnahme und Höflichkeit des Mannes einer Frau gegenüber seien nicht mehr nötig, derlei wird von feministischer Seite gar als herabsetzend und entwürdigend befunden. So soll jede Erinnerung an männliche Dominanz schwinden, die Kennzeichnung „stark“ wird in der Öffentlichkeit nur noch auf Frauen angewandt, einem Manne gegenüber hat es fast schon den Ruch des Lächerlichen. 

Insgesamt gilt, wenn auch manchmal noch unausgesprochen, heute die Vorstellung von der Vorherrschaft der Frau. Doch hat diese gar nichts mit dem Matriarchat der frühen Zeit zu tun. Es geht vielmehr um die Herrschaft auch von Frauen, die, je nach eigenem Gutdünken, ihre Selbstfindung gerade darin finden, dass sie keine Kinder haben. Es geht dem heutigen Feminismus nicht mehr um Gleichberechtigung, sondern um Dominanz. Wir stehen in Europa wieder vor einer kulturellen Zeitenwende, doch es wäre ein Irrtum anzunehmen, der Weg gehe zurück in Richtung Matriarchat. Um das Ziel zu erkennen, tut es not, die Ursachen zu finden. Über die Wirkkraft der Revolutionen von 1789 und 1918 hinaus sind es zwei Ereignisse des 20. Jahrhunderts, welche die neue Frauenherrschaft, die Gynarchie, beflügeln. Es handelt sich um die Revolte von 1968 und die fast gleichzeitige Entwicklung von Antikonzeptionsmitteln für die Frau, die sogenannte Antibabypille.

Dann kam das Patriarchat

Ein bestimmendes 68er-Schlagwort war „Emanzipation“, und es bedeutet heute noch die Loslösung vom Hergekommenen, von Traditionen einschließlich ihrer Werteordnung. Zusammen mit der Pille entwickelte sich ein völlig neues Frauenbild. Die Vorstellung von Verantwortung wurde ersetzt durch Selbstverwirklichung, der Begriff von Pflicht wich dem Lustprinzip und die Familie der Karriere. Die Pille brachte eine sexuelle Freizügigkeit und die Vorstellung von der Machbarkeit der Dinge mit sich. Davon abgeleitet wurde der Anspruch auf ein uneingeschränktes Recht zur Abtreibung, und spätestens hier wird klar, dass die Ordnung des Feminismus nichts mit einem Matriarchat zu tun hat.

Natürlich ist es schwer, zwischen der historischen Mutterherrschaft und dem Mannesrecht eine dritte Ordnung erkennbar zu benennen, solange man an deren Ausformung noch teilhaben muss. Doch eines ist schon offenkundig: Wie das Matriarchat auch dem Manne eine achtbare Stellung zugewiesen hatte, so war das im Patriarchat mit der Frau. Diese entstehende dritte Ordnung aber ist oft genug gekennzeichnet von Hass und Feindschaft der Geschlechter zueinander. Die Ordnung ist weder von Natur noch Kultur bestimmt, sondern von einer gefährlichen Ideologie.

Der Autor ist ein christsoziales Urgestein und war lange Zeit Redakteur beim „Bayernkurier“.