28.03.2024

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Folge 51-22 vom 23. Dezember 2022 / Weihnachten 2022 / Selten war die Botschaft des Fests so aktuell wie heute / Das zu Ende gehende Jahr brachte Deutschland und der Welt eine schreckliche „Zeitenwende“. Es bleibt die Hoffnung auf den Geist der Weihnacht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-22 vom 23. Dezember 2022

Weihnachten 2022
Selten war die Botschaft des Fests so aktuell wie heute
Das zu Ende gehende Jahr brachte Deutschland und der Welt eine schreckliche „Zeitenwende“. Es bleibt die Hoffnung auf den Geist der Weihnacht
René Nehring

Ein Jahr des Schreckens neigt sich seinem Ende zu. Hatten sich die Menschen weltweit in den Jahren zuvor daran gewöhnt, dass der Takt ihres Lebens von einem kleinen Virus diktiert wurde, und hatten sich die Deutschen noch zu Jahresbeginn vor allem mit den Plänen ihrer neuen Bundesregierung befasst, so veränderte der 24. Februar 2022 die Lage grundlegend. 

Mit dem an jenem Tage gestarteten russischen Angriff gegen die Ukraine kehrte der Krieg nach Europa zurück. Kein Bürgerkrieg wie es ihn in den Jahrzehnten zuvor in Irland, im Baskenland oder auf dem Balkan immer wieder gegeben hat, und auch kein handstreichartiger Feldzug wie 2014, als Russland die Krim eroberte, sondern ein klassischer Landkrieg eines Staates gegen einen anderen. 

Mit dem Krieg kamen auch längst in der Geschichte verschwundene Namen von Schlachtenorten zurück. Um Kiew, Odessa und Charkiw (damals Charkow) etwa hatte auch schon die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg gekämpft. In der Gegenwart drangen schnell neue Ortsnamen wie Irpin und Butscha, Mariupol und Kramatorsk in die Nachrichten. Diese wurden nicht nur zum Synonym für neues Schlachtengeschehen, sondern vielfach auch für neue Kriegsverbrechen – für eine Grausamkeit, die viele Zeitgenossen nur noch aus den Erzählungen der Eltern und Großeltern kannten und in der Gegenwart für unmöglich hielten. 

Leben mit der „Zeitenwende“

Die Politik, allen voran der Bundeskanzler, reagierte darauf mit dem Verkünden einer „Zeitenwende“. Obwohl bereits vor über zwanzig Jahren mit den Terroranschlägen von New York und Washington der kurze Traum vom „Ende der Geschichte“ geplatzt war und Deutschland sich seitdem durchgehend im Kampf gegen den Terror engagierte, und obwohl unser Land bereits selbst Schauplatz terroristischer Anschläge wurde, hatten offenkundig noch immer viele Landsleute nicht wahrhaben wollen, dass wir längst in einer neuen Zeit leben. 

Das mit dem Ausrufen der „Zeitenwende“ gegebene Versprechen, angemessen auf die neuen Herausforderungen zu reagieren, hat die Politik – zumindest bislang – nicht gehalten. Die angekündigte Aufrüstung der Bundeswehr fiel aus. 

Die einzige sichtbare Konsequenz der „Zeitenwende“ ist derzeit der Bruch mit Russland. Vor allem eine Partei in der Regierung nutzte die Gunst der Stunde, um die Empörung über den russischen Angriff zur Verwirklichung alter energiepolitischer Ziele zu nutzen und das Ende des fossilen Zeitalters einzuläuten. Wie sie den enormen Energiebedarf unserer Volkswirtschaft ohne die zuverlässigsten Energiequellen – neben dem Abschied vom russischen Gas betreiben sie nach wie vor auch den Ausstieg aus der Atomkraft – decken wollen, sagen die Vertreter dieser Partei nicht. So brachte die „Zeitenwende“ den Deutschen bis dato zwar kein „mehr“ an Sicherheit, dafür jedoch einen historischen Anstieg ihrer Lebenshaltungskosten – und eine dramatische Zunahme der Frustration im Lande. 

Zu den schrecklichen Folgen des Krieges gehört auch das Abbrechen der meisten Kontakte zu Russland. Bei allem Verständnis dafür, einen Angriffskrieg abwehren zu müssen, stellt sich die Frage, ob es klug ist, die Russen in Gänze zu verdammen? Was wird aus den von beiden Seiten stets gelobten wirtschaftlichen Beziehungen, die ja nicht erst seit dem Zerfall der Sowjetunion bestanden und in den vergangenen fünfzig Jahren durch nichts zu erschüttern waren (auch nicht durch den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan)? 

Und was wird aus den vielfältigen humanitären, oft freundschaftlichen Beziehungen, die in den letzten dreißig Jahren unter großen Mühen aufgebaut wurden? Deutsche und Russen haben im 20. Jahrhundert einander fürchterliche Verbrechen angetan. Dennoch haben die Russen die Deutschen niemals pauschal als schlechtes Volk verdammt, sondern sich stets ihre durch nichts zu erschütternde Liebe zu Mozart und Beethoven, zu Goethe und Schiller bewahrt. 

Gleichwohl gilt es, nicht zu vergessen, dass es die Ukrainer sind, die unter dem Krieg im Osten am meisten zu leiden haben. Millionen von ihnen leben auf der Flucht oder harren in zerschossenen Häusern aus – oder kämpfen an der Front für die Freiheit ihrer Heimat. 

Geister der Vergangenheit

In Deutschland kann das Geschehen im Osten wohl kaum jemand besser nachempfinden als die Ostvertriebenen. Noch immer werden die letzten Angehörigen der Kriegsgeneration eingeholt von den Erinnerungen an den Einmarsch der Roten Armee 1944/45 und die damit verbundenen fürchterlichen „Begleiterscheinungen“. 

Um so bitterer, dass selbst Ostpreußen nun wieder Konfliktgebiet ist, Schauplatz einer kalten Front zwischen dem zu Russland gehörenden Königsberger Gebiet und dem heute litauischen Memelland im Norden sowie zum zu Polen gehörenden südlichen Ostpreußen. Nur wenige Kilometer südlich der polnisch-russischen Grenze liegt Frauenburg, wo im 16. Jahrhundert Nikolaus Kopernikus das moderne Weltbild schuf. Nur wenige Kilometer nördlich davon liegt Königsberg, das als Heimat von Immanuel Kant und vielen anderen eine einzigartige europäische Kulturmetropole war. Dass hier wieder ein „Eiserner Vorhang“ die Welt durchschneidet, erinnert daran, wie nahe die Höhen und Abgründe der menschlichen Zivilisation oft beieinander liegen. 

Das vor uns liegende Weihnachtsfest erfuhr seit Jahrtausenden verschiedenste Deutungen. Als Feier der Wintersonnenwende sowie als Fest der Geburt Jesu Christi steht es gleichermaßen für die nie vergehende Zuversicht auf eine Erneuerung des Lebens – sowie darauf, dass auch in dunkelsten Stunden stets ein Licht der Hoffnung auf bessere Zeiten leuchtet. Mögen ein paar Strahlen dieses Lichts auch auf die Mächtigen der Welt scheinen, damit das Grauen unserer Tage schon bald ein Ende hat.