18.04.2024

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Folge 51-22 vom 23. Dezember 2022 / Europäisches Parlament / Nur die Spitze des Eisbergs? / Die Bestechungsaffäre um Vizepräsidentin Kaili und Katar zieht weitere Kreise

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-22 vom 23. Dezember 2022

Europäisches Parlament
Nur die Spitze des Eisbergs?
Die Bestechungsaffäre um Vizepräsidentin Kaili und Katar zieht weitere Kreise
Wolfgang Kaufmann

Das Europäische Parlament mit Sitz in Straßburg hat insgesamt 14 Vizepräsidenten. Dadurch fiel auch ein lukrativer Posten für die jetzt 44-jährige Evdoxia „Eva“ Kaili aus Griechenland ab, die per Mandat der sozialistischen PASOK ins einzige direkt gewählte Gremium der Europäischen Union gelangte.

Aber das genügte der studierten Architektin und späteren Fernsehnachrichtensprecherin offensichtlich nicht. Dies zeigte sich am 9. Dezember, dem Welt-Anti-Korruptions-Tag, als die belgische Polizei Kaili ungeachtet ihrer Abgeordneten-Immunität in Haft nahm. Dazu waren die Sicherheitsbehörden befugt, weil sie die Griechin quasi auf frischer Tat ertappten. In der Brüsseler Wohnung der Vize-

EU-Parlamentspräsidentin lagerten 750.000 Euro in bar, verteilt auf einen Koffer und diverse Luxus-Handtaschen.

Nach Ansicht der Ermittler stammt das Geld aus Katar. Und tatsächlich betrieb Kaili in letzter Zeit auf ausgesprochen penetrante Weise Lobbyarbeit zugunsten des Golfemirates. So votierte sie am 1. Dezember im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des EU-Parlaments für erleichterte Visaregeln zugunsten der Bürger von Katar, obwohl sie diesem Gremium gar nicht angehört. Zuvor hatte Kaili am 22. November die konservative islamische Erbmonarchie explizit als reformfreudig und „führend bei den Arbeitsrechten“ bezeichnet.

Weitere bestochene EU-Politiker

Allerdings steht „Katar-Kaili“ nicht allein im Fokus der Ermittler. Ebenso in Untersuchungshaft sitzt ihr italienischer Lebensgefährte Francesco Giorgi, ein Mitarbeiter der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament, der auch für die Nichtregierungsorganisation (NGO) „Fight Impunity“ tätig ist. Deren Ziel besteht nach eigenen Angaben darin, den Menschenrechten überall auf der Welt Geltung zu verschaffen und in diesem Zusammenhang politische Übel wie die Korruption zu bekämpfen. 

Inzwischen wurde auch der Leiter dieser NGO, der ehemalige sozialdemokratische EU-Abgeordnete Pier Antonio Panzeri, in Haft genommen, weil die Ermittler bei dem Italiener ebenso wie bei dem griechisch-italienischen Duo Kaili-Giorgi und dem Vater der mittlerweile des Amtes enthobenen Vizepräsidentin verdächtig große Bargeldmengen unklarer Herkunft gefunden haben. Panzeri wird von Giorgi beschuldigt, der heimliche Kopf einer Organisation zu sein, die Geld nicht nur aus Katar, sondern auch aus Marokko erhielt, mit dem EU-Abgeordnete bestochen werden sollten.

Weitere bestechende Staaten

Durch die Verwicklung des „Fight-Impunity“-Chefs geraten außerdem noch andere Personen ins Zwielicht, die dem Vorstand der Nichtregierungsorganisation angehören und früher wichtige Positionen innerhalb der Europäischen Union bekleideten. Dazu zählen die ehemalige EU-Kommissarin für Verbraucherschutz Emma Bonino aus Italien, der Grieche Dimitris Avramopoulos, vormals EU-Kommissar für Migration, sowie Federica Mogherini, von 2014 bis 2019 Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik. 

Kaili, der ein Verfahren wegen „bandenmäßiger Korruption und Geldwäsche“ droht, ließ inzwischen über ihren Anwalt Michalis Dimitrakopoulos verlauten, sie habe kein Schmiergeld aus Katar erhalten, sondern sei von der EU-Kommission wegen der europäischen Energiekrise zu einem „Kuschelkurs“ gegenüber dem Wüstenstaat mit seinen reichen Gasvorkommen gedrängt worden. Parallel hierzu spricht die katarische EU-Vertretung von „unbegründeten und schweren Falschinformationen“ über das Verhältnis zwischen Kaili und Katar. 

Es stellt sich vielmehr die Frage, ob der Skandal um die stellvertretende EU-Parlamentspräsidentin und Panzeri nur ein bedauerlicher Einzelfall oder die Spitze eines Korruptions-Eisberges ist. Immerhin hatte auch der griechische Vizepräsident der EU-Kommission und Kommissar für die Förderung des europäischen Lebensstils, Margaritis Schinas, in den vergangenen Monaten genau wie Kaili die angeblich vorbildlichen Arbeitsmarktreformen in Katar gepriesen. 

Desgleichen geht in Brüssel inzwischen die Angst um, dass in der Vergangenheit noch weitere Staaten außer Katar und Marokko versucht haben könnten, EU-Parlamentarier oder gar -Kommissionsmitglieder zu kaufen. Die Rede ist unter anderem von Russland, Georgien und Aserbaidschan.

Auf jeden Fall wird die Kaili-Affäre die ohnehin schon prekäre Energieversorgung Europas nun zusätzlich gefährden. Weil das EU-Parlament beschlossen hat, katarischen Lobbyisten für die Dauer der Ermittlungen den Zugang zu seinen Räumlichkeiten zu verwehren, verlautbarte das Golfemirat, dies werde neben den diplomatischen Beziehungen auch die vereinbarten Gaslieferungen negativ beeinflussen.(Siehe auch Porträt Seite 8)