26.04.2024

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Folge 51-22 vom 23. Dezember 2022 / Balkan / Beleidigte Beitrittskandidaten / Gewinner und Verlierer beim Westbalkangipfel – Wie Nordmazedonien unter der Knute Bulgariens steht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-22 vom 23. Dezember 2022

Balkan
Beleidigte Beitrittskandidaten
Gewinner und Verlierer beim Westbalkangipfel – Wie Nordmazedonien unter der Knute Bulgariens steht
Bodo Bost

Nach Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine bemüht sich die EU intensiv um die lange vernachlässigten Westbalkanstaaten, von denen einige schon vor 20 Jahren Anträge auf die EU-Mitgliedschaft gestellt haben, aber einige stehen Russland oder der Türkei näher als der EU. Dieser Eindruck verfestigte sich bei den letzten beiden EU-Westbalkangipfeln am 3. November in Berlin und am 

6. Dezember in Tirana, die deutlich machten, dass die vielfältigen Gegensätze so rasch nicht überbrückt werden können. 

Dort machten allerdings nicht nur die Westbalkanstaaten durch ihre Streitereien und inneren und äußeren Probleme den Eindruck, sie wüssten nicht, was eine Mitgliedschaft in der EU eigentlich heißt: nämlich die Überwindung ethnischer und historischer Streitereien. Gerade diese Probleme, sei es zwischen Serbien und Kosovo oder zwischen den bosnischen Teilstaaten, kommen immer wieder hoch, ohne dass sich der Eindruck verfestigt, die Staaten wüssten, dass die EU die Lösung dieser Probleme als Voraussetzung der Mitgliedschaft voraussetzt. 

Russlands Invasion in die Ukraine hat diese Probleme wieder verschärft, weil Serbien, der größte Staat des Westbalkans, ein enger Verbündeter Moskaus ist und weder die Sanktionen noch die Visumvorschriften der EU übernehmen will, weil sie gegen die Interessen Moskaus verstoßen. So konnten in den vergangenen Wochen Zigtausende Immigranten aus aller Welt visumfrei in Serbien einreisen und dann über die Balkanroute weiter nach Deutschland ziehen. 

Auch in Albanien ist längst nicht die politische Welt in Ordnung, auch wenn Ministerpräsident Edi Rama als Vermittler auftrat. Noch während des Gipfels in Tirana schaute die Polizei Ramas weg, als bestellte Prügelkommandos den Oppositionsführer Berisha vor dem Gipfelgebäude verprügelten.

Lockdown-Gewinner Bulgarien

Auch wenn Bulgarien immer noch keine Regierung mit einer Mehrheit im Parlament hat, fühlte es sich wegen seiner EU-Mitgliedschaft berechtigt, von dem noch Nicht-Mitglied Nordmazedonien eine Verfassungsänderung zu fordern, so wie es Russland vor dem Einmarsch von der Ukraine verlangte. 

Bulgarien sieht Nordmazedonien als bulgarische Erde, die mazedonische Sprache als west-bulgarischen Dialekt und die Rechte der in diesem Land angeblich lebenden 120.000 ethnischen Bulgaren als nicht genügend geschützt an. Bulgarische Nationalisten behaupten sogar, die Mazedonier seien keine Nation. Putin hat vor dem 24. Februar mit ähnlich historisch fragwürdigen Argumenten seine Invasion in die Ukraine gerechtfertigt. Bulgarien fordert inzwischen eine Verfassungsänderung in dem Nachbarland, bevor es einer Mitgliedschaft von Nordmazedonien zustimmen will.

Inwieweit Bulgarien, das seit 2007 EU-Mitglied ist und sich diese Mitgliedschaft im Schnellverfahren ohne großartige Prüfung der Beitrittskriterien erschlichen hat, selbst berechtigt ist, dies von einem Nicht-Mitglied zu fordern, steht auf einem anderen Blatt. Immerhin gilt Bulgarien als der korrupteste aller EU-Staaten. Das frühere Ostblockland war bereits der große Pandemie-Gewinner, weil es zwar Lockdowns und Maskenpflicht pro forma eingeführt hatte, aber dann darauf verzichtet hatte, diese auch zu kontrollieren. Deshalb zogen aus der ganzen EU Impf- und Maskenverweigerer nach Bulgarien, wodurch das Land erstmals seit Jahrzehnten einen positiven Migrationssaldo erlebte. 

Eine Sackgasse für Immigranten

Ähnlich ist es mit der Einhaltung der Grenzkontrollen zur Türkei. Vor einigen Monaten war bekannt geworden, dass ganze Einheiten der bulgarischen Grenzschützer mit Drogenhändlern gemeinsame Sache machten, sodass sogar die deutsche Bundespolizei um Hilfe gebeten wurde. Angesichts dieses Skandals war es alles andere als logisch, dass Deutschland in diesem Jahr Bulgarien in den Schengen-Raum aufnehmen wollte, was allerdings am Widerstand Österreichs und der Niederlande scheiterte.

Nordmazedonien war es dagegen zu verdanken, dass die Balkanroute 2016 auf Initiative des österreichischen Außenministers Kurz geschlossen wurde. Nordmazedonien war auch danach das einzige Land auf dem Westbalkan, das glaubwürdig Reformen durchführt, das EU-Recht mit dem nationalen Recht in hohem Ausmaß harmonisiert hat und bereits vor 

17 Jahren den Kandidatenstatus erhalten hat. Die EU-Kommission lobte diese Schritte, aber Nordmazedonien ist weiter vom Wohlwollen Bulgariens abhängig.