16.04.2024

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Folge 51-22 vom 23. Dezember 2022 / Russland-Sanktionen / Erst der Zusammenbruch, dann ein Marshall-Plan? / Mit ihrem Embargo für russisches Öl wollen die USA und die EU Russlands Wirtschaft in die Knie zwingen – Pläne für die Post-Putin-Ära

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-22 vom 23. Dezember 2022

Russland-Sanktionen
Erst der Zusammenbruch, dann ein Marshall-Plan?
Mit ihrem Embargo für russisches Öl wollen die USA und die EU Russlands Wirtschaft in die Knie zwingen – Pläne für die Post-Putin-Ära
Manuela Rosenthal-Kappi

Mit ihrem neunten Sanktionspaket wollen die USA und die EU Russland wirtschaftlich in die Knie zwingen, damit Putin die Mittel für die Weiterführung des Ukrainekriegs ausgehen. Geregelt wird das Embargo über internationales Versicherungsrecht. Westliche Gesellschaften dürfen die Fracht von Tankschiffen nur absichern, wenn von den Abnehmern der Preisdeckel von 60 Dollar pro Fass Rohöl eingehalten wird. 

Noch kann Russland den Verlust kompensieren, da China zugesagt hat, an den Öleinkäufen festhalten zu wollen. Laut der russischen Ratingagentur Akra hatten sich die Exportströme bereits vor dem jetzigen Embargo verlagert. Für den Zeitraum Januar bis Oktober konstatierte sie einen Förderzuwachs bei Öl und Gas von 2,7 Prozent. Wurden vor dem Krieg 85 Prozent Öl der Sorte Urals auf dem Seeweg in die EU geliefert, so waren es im September nur noch 24 Prozent. Etwa 1,2 Millionen Fass pro Tag, den Großteil seines Exports, konnte Russland nach Asien umlenken. 

Die Förderprognosen für die kommenden Jahre fallen jedoch auch laut russischen Experten schlechter aus. Finanzminister Anton Siluanow musste das diesjährige Budgetdefizit bereits von 0,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf zwei Prozent korrigieren. Insgesamt sinken die Einnahmen, während die Staatsausgaben kriegsbedingt hoch bleiben. EU-Experten vermuten, dass Russland es nicht schafft, die gesamte frei gewordene zusätzliche Ölmenge von Europa nach Asien umzulenken, da die Nachfrage nicht hoch genug sei. So könnten Moskau längerfristig Erlöse in Höhe von 200 Millionen Euro pro Tag entgehen. 

Der Schock kommt erst noch

Für Beunruhigung sorgte kürzlich eine Veröffentlichung der russischen Zen-tralbank, der zufolge die einheimische Wirtschaft einen neuen Schock erleiden wird, denn die Beschränkungen durch die Öl-Sanktionen würden einen „andauernden, kumulativen Effekt“ haben, so die Analysten.

Derzeit erstrahlen Moskau und viele andere Städte des Landes im Glanz der Weihnachtsbeleuchtung, in der Hauptstadt werden sogar die Busse auf ganzer Fläche weihnachtlich illuminiert. Doch keine noch so üppige Dekoration kann über die Alltags- und Zukunftssorgen der Menschen hinwegtäuschen. Auch wenn die Mehrheit für Putin ist, würden 57 Prozent der Russen den Krieg am liebsten beenden. Neben wirtschaftlichen Folgen wie die galoppierende Inflation fürchten sie einen lang anhaltenden Krieg sowie eine neue Mobilmachung. Die Stimmung ist gedrückt. Das wirkt sich nicht zuletzt auf die Kauflaune der Bürger aus. Der Handel verzeichnet Umsatzrückgänge, Restaurants haben weniger Gäste,  und viele Unternehmen mussten bereits schließen. Die Mitarbeiter haben ihre Arbeitsplätze verloren.

In letzter Zeit wird viel über die Zeit nach Putin spekuliert. Der Sicherheitsforscher Luke Coffey von der konservativen US-Denkfabrik „Hudson Institute“ glaubt, dass die russische Föderation zerbrechen wird und der eurasische Raum neu definiert werden müsse, da Russland im postsowjetischen Raum seinen Einfluss verlieren werde. In einer Denkschrift ermahnte der Armee-Veteran und politische Berater, dass die Entscheidungsträger in den USA darauf vorbereitet sein sollten, amerikanische Interessen in dem dann entstehenden Machtvakuum zu vertreten. 

Die Russische Föderation könne in  Einzelstaaten aufgeteilt werden, auf die der Westen Einfluss ausüben müsse. Machtansprüche Russlands und Chinas  gelte es, einzudämmen. Dabei solle der Westen allerdings „keine Ressourcen für den Versuch verschwenden, die russische Gesellschaft, Wirtschaft oder Regierung in eine Demokratie nach westlichem Vorbild zu verwandeln“. Stattdessen solle die NATO im Moment russischer Schwäche ihr Bündnisgebiet auf die NATO-Anwärter ausweiten und dort, wo Mitgliedschaften in NATO oder EU nicht umsetzbar seien, stärkere bilaterale oder multilaterale Beziehungen forcieren, etwa bei den Turkstaaten und China. 

Reine geopolitische Interessen

Solche Analysen, in denen die geopolitischen Interessen deutlich zutage treten,  dürften Putins Rhetorik von der Bedrohung Russlands durch die NATO-Osterweiterung sogar unterstützen. Nachteilig für das Vertrauen in den Westen hat sich auch die Äußerung von Alt-Kanzlerin Angela Merkel ausgewirkt, die Minsker Abkommen hätten nur dazu gedient, der Ukraine Zeit zu verschaffen, um „stärker zu werden“. Putin wertete das als Bestätigung dafür, dass der Westen die Ukraine auf einen Krieg vorbereiten wollte.  

Pläne für ein Russland ohne Putin hegt offenbar auch Kanzler Olaf Scholz. Anlässlich des 70. Jubiläums des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft gab er den Industriellen ein Signal, das Anlass zur Hoffnung auf neue Wirtschaftsbeziehungen nach dem Krieg gibt. Scholz stellte seine neue Russland-Strategie „The global Zeitenwende“ vor, bei der er Deutschland in einer Vorreiterrolle sieht. Für die Ukraine hat Scholz bereits einen Marshall-Plan für den Wiederaufbau verkündet. Einen solchen halten Beobachter auch bei der Russland-Strategie des Kanzlers für denkbar.