27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 51-22 vom 23. Dezember 2022 / Weihnachtliches Spiel / Wie die Thorner Kathrinchen entstanden / Theaterstück der ostpreußischen Schriftstellerin Erminia v. Olfers-Batocki nach einer alten Legende in gekürzter Fassung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-22 vom 23. Dezember 2022

Weihnachtliches Spiel
Wie die Thorner Kathrinchen entstanden
Theaterstück der ostpreußischen Schriftstellerin Erminia v. Olfers-Batocki nach einer alten Legende in gekürzter Fassung
Erminia v. Olfers-Batocki

Der Inhalt des Spiels entspricht einer alten Thorner Legende, deren historischer Hintergrund im Jahre 1410 liegt. Der Thorner Geschichtsschreiber Jakob Heinrich Zernecke berichtet 1672 anhand der Aufzeichnungen Caspar Hennebergers: „Nach der blutigen Schlacht bey Tannenberg, streiffen des Königes in Pohlen Vladislai Großfürßten von Litthauen Witoldi Völker biß unter Thorn, belagerten und stürmeten das hiesige Schloß acht Wochen lang, kunten es aber nicht gewinnen. Es blieben auch viel Buben von ihnen im Lande, sonderlich umb Thorn auff der Futterung verbrandten sie alles, hieben auch die Weinreben ab, doch wurden ihrer Dreytausend im Überführen auff der Weichsel umbgebracht.“

Das Thorner Nonnenkloster stand von 1311 bis 1655 an der Weichsel. Nach der Legende soll hier eine Schwester Katharina während der Belagerungszeit für die hungernden Kinder Thorns gesorgt haben, solange ihr Vorrat reichte. Dann entstanden durch ein Wunder des Himmels die Thorner Katharinchen mit den sechs Zacken. Wirklich bekannt wurden die Thorner Kathrinchen, als Johannes Weese 1763 seine Pfefferkücherei begründet hat. Sein Enkel Gustav baute sie aus und lieferte die Katharinchen in alle Orte Deutschlands. Bis 1945 bestand die Fabrik in Thorn.

Das Spiel beginnt

Schwester Katharina: Advent - du Sonntagsruh zur Weihnachtszeit! Das Weichseltal, die Wiesen sind verschneit. Wo sonst die Wellen glänzten wie Opale, senkt heute sich das Eis gleich einer Schale. Und fern am dunklen Wald von Pommerellen die Lagerfeuer Weg und Steg erhellen, dass ungeseh’n kein Schlitten fährt zur Stadt, der Nahrung für die Bürger bei sich hat.

Die deutschen Brüder haben hier zu Thorn ein festes Haus zum Schutz der Stadt errichtet, der ersten Stadt, die sie in Preußen bauten. Wehrfeste Türme schützen unser Thorn. Nun steht ein starkes Heer vor unseren Mauern und schärft das Schwert, die Ritter zu vertreiben.

(Es pocht an die Tür)

Der Klopfer meldet – wen? Wer kommt zu Gast? Ach, uns’re Küche ist so kalt, so frostig. Uns Schwestern mangelt es an Holz, an Kien. Vielleicht ein Armer, der hier betteln will? Und bin selbst bettelarm. Herein! Willkommen!

Lukas: Schön guten Abend, Schwester Katharina, ich wünsche Gottes Segen für die Weihnacht und einen warmen Herd!

Schwester Katharina: Ach, Lukas – du? Und bringst mir Brennung? Gottes Lohn dafür! Nimm Platz, du armer Junge, ruh dich aus, du siehst mir müde aus vom weiten Weg. ... Die deutschen Siedler aus Westfalenland – sag Lukas, haben sie noch Korn und Brot?

Lukas: Im Herbste war es, als die Siegerscharen von Tannenberg zur Weichsel hergezogen. Da haben sie die Ernte aufgezehrt, das Stroh verbrannt, die Reben abgeschnitten. Doch die das taten, strafte Gott, der Herr: Dreitausend Mann ertranken in der Weichsel. Das Polenheer hat selber kaum mehr Brot. Bald will der König kommen, Frieden schließen.

Schwester Katharina: Du lieber Gott, ja, es ist Weihnachtszeit! Als goldner Friede war in diesem Land, wie habe ich, des Klosters Küchnerin – für arme Kinder –ach, so viel gebacken! Die Bauern brachten Mehl. Die Bienenbeutner kamen mit Honig von den alten Bäumen des Ordenswaldes zwischen Thorn und Kulm. Und die Gewürzer brachten Zimt und Näglein aus fernem Süden. Ja, der Handel blühte in unsrer Stadt mit Völkern fern und nah. Nun habe ich nichts, die Kinder zu erfreuen. Welch Segen ruhte über dieser Stadt, seit hier der deutsche Orden eingezogen, das Christentum verbreitend – aber nun?

Lukas: Nun hungert hier die ganze Bürgerschaft. Die Speicher stehen leer. Es gibt kein Brot!

Schwester Katharina: Nun aber Junge, sprich, was kannst du heute als Späherkunde dem Komtur berichten?

Lukas: Daß immer wieder neue Kriegerscharen die deutschen Ritterburgen rings belagern. Doch unsre Ordensbrüder halten aus. Ach, meine Mutter! Sie wird auf mich warten zum Weihnachtsfest, und sei es noch so ärmlich! Lebt, liebe Schwester Katharina, wohl!

Schwester Katharina: Halb Kind, halb Mann und schon ein ganzer Ritter. Es gibt der Art nicht wen’ge hierzulande. Sie streben einem großen Ziel entgegen für unser deutsches Land. Gott gebe seinen Segen!

Kinder: (singend) Wir treten herein ohn allen Spott, ein’n schönen Abend, den geb euch Gott, einen schönen guten Abend, eine fröhliche Zeit, die uns der Herr Christus hat bereit. Ich hör die Mamsell mit den Schlüsseln all klingen, sie will uns eine Verehrung bringen. Mamsellchen schneid se nich zu knapp, se schneidt sich alle fünf Finger ab. Ich steh auf einem Gilenblatt, die Füße werden mir immer naß. Der Teller hat ’nen güldnen Rand, die Schwester hat ’ne milde Hand.

Schwester Katharina: Da singen die Kinder auf den Gassen, und ich muß die Tür verschlossen lassen. Wie gern ließ ich die Hungrigen ein und sitze mit leeren Händen allein.

Kinder:Schwester Katharina! Schwester Katharina!

Schwester Katharina: Sie wissen alle, wer ich bin. Sie kennen die Schwester Küchnerin, die ihnen stets zur Weihnachtszeit das feinste Naschwerk hielt bereit. Doch heute? Ich habe zum Backen nichts mehr. Die Säcke, die Kasten, die Mulden sind leer. Hab’ weder Kuchen noch Mandelbrot! Hilf, guter Gott, uns aus der Not! 

Kinder: Schwester Katharina! Schwester Katharina! Schwester Küchnerin!

Schwester Katharina: Nun stehen sie da auf den kalten Stufen! Vergeblich müssen die Kleinen rufen. Seid still, ihr Kleinen, die Feinde lungern vor unserer Stadt, und wir alle hungern!

Kinder: (eintretend) Guten Abend, Schwester Küchnerin!

Schwester Katharina: Ach, daß ich heute Küchnerin bin! Guten Tag, liebe Kinder, kommt alle herein! Schön, schön, daß ihr kommt! Denn ich bin so allein!

(Weitere Kinder kommen frierend herein, reichen der Schwester die Hand.)

Junge: Schwester Katharina, und hast du gehört, wie oft wir gerufen?

Schwester Katharina: Ihr habt mich gestört! Denn immer habe ich nachgedacht, was zum Christfest man ohne Kuchen macht.

Junge: Schwester Katharina, willst du backen? Will ich dir helfen, dein Holz zu hacken!

Junge: Und ich will dir helfen, das Feuer schüren! 

Mädchen: Und ich will dir helfen, den Teig zu rühren!

Mädchen: Ich helfe dir gern, ich helf so gern! Die Christnacht ist ja nicht mehr fern. Am Himmel leuchtet der Weihnachtsstern! 

Schwester Katharina: Der Trog ist leer! Wenn süßer Honig darinnen wär, und hätte ich Mehl und Schmand und Anis, wie schön sich der Kuchen dann backen ließ!

Junge: Da draußen steht der alte Schragen! Wir wollen den Trog in die Stube tragen. Er steht vor der Tür, ganz weiß verschneit, wie mit Zuckerguss zum Backen bereit.

Junge: Komm, Annchen! Sogleich ist der Backtrog da! (Er und ein Mädchen holen den Trog herein, ein anderes den Schemel. Ein Mädchen, am Ausgang, wird weggeschubst) Aus dem Wege, was stehst du da, Barbara? (Eine Glocke läutet.)

Schwester Katharina: Da ist er! Wenn es anders wär! Doch leider bleibt die Mulde. leer. Dort, hört ihr, wie die Glocke klingt? Geht in die Kirche, betet, singt! Geht alle – geht in Gottes Hut! Vielleicht, dass er noch Wunder tut. 

Mädchen: Oh ja, im Himmel gibt’s keine Not! Da backen die Engel das Weihnachtsbrot.

Schwester Katharina: (traurig) Geht, Kinder, geht, ihr müßt nun gehen! Und bittet, daß himmlische Wunder geschehen!

Kinder: (singend nach der Melodie „O Heiland, reiß den Himmel auf“ abgehend) Eh noch vergeht des Tages Licht, Schöpfer der Welt, wir bitten dich, daß Du in Deiner Gütigkeit uns zu beschirmen seist bereit. Halt fern von uns die Träume schwer, Gespenst und feindlich Geisterheer! Und unsern Feind weit von uns treib.

Schwester Katharina: (hinausschauend) Verschleiert ist der Sterne Schein. Wo mögen die armen Kinder sein? Vielleicht die Seglergasse hinan zu St. Jakob oder St. Johann, den Gotteshäusern, die in der Stadt der deutsche Orden errichtet hat? Dort, auf der Insel, in Stromes Mitten kommt ein gespenstisch Heer geritten. Weiß wehen die Mäntel! Das kann allein unseres Ordens Hochmeister sein. Da, der König von Polen schifft an Land. Der Littauerherzog bietet die Hand. Ist es denn Spuk? Ist es Wirklichkeit? Friede soll werden in naher Zeit. Friede, Friede soll werden zu Thorn. Und der König gibt wieder, was wir verlorn! Und unsern Feind weit von uns treib, dass unser Land in Frieden bleib! (sie setzt sich, legt Hände und Kopf auf den Tisch, das Tuch fällt über ihr Gesicht, sie schläft ein)

Fürchtet Euch nicht

Sechs Engel: (singen) „Quem pastores laudavere, quibus angeli dixere, absit vobis iam timere, natus est rex gloriae!“

Mehlengel: Die Schwester schläft. Sie hört uns nicht. Das Tuch verhüllt ihr Angesicht.

Siebengel: Still, still, sie scheint zu träumen! Gewiss von grünen Tannenbäumen. Wenn sie erwacht, dann wird sie sehen, dass große Wunder sind geschehen.

2. Gewürzengel: Hat noch kein einziges aufgemacht!

Gewürzengel: Durchträumt die ganze Heilige Nacht und ahnt nicht, was wir mitgebracht!

Honigengel: Wenn sie’s bemerkt, wird sie sich freuen!

Mehlengel: Mehl werd ich in die Mulde streuen. Den ganzen Sack voll schütt ich aus. Da werden gute Kuchen draus!

Honigengel: Hier aus der honigschweren Wabe bring ich die allerschönste Gabe. Viele Bienchen halfen dabei, dass es ein süßer Kuchen sei.

Gewürzengel: Hoch über den Wolken im Himmelsgarten wachsen Gewürze von tausend Arten: Anis, Krauseminz, Braunnägelein, die streuen wir fein gerieben ein. Haltet fest das Sieb, dass nichts zerstreue!

2. Gewürzengel: Ja, dass sich unsre Schwester freue, ein bisschen das, ein bisschen dies vom Himmelsgärtlein im Paradies.

Schmandengel: Schmand-Engel werde ich genannt und bin noch weißer als Milch und Schmand. Drum geb ich fetten Schmand dazu von der lieben, nahrhaften Himmelskuh.

Siebengel: Mehl und Honig, Gewürz und Schmand, jeder gab gern mit schenkender Hand.

Mehlengel: Wir wollen alles ein wenig schmücken. Kommt, eilt euch, Tannenzweige zu pflücken!

6 Engel: Nun gäre der Teig unterm Tannenzweig, dass die Weihnacht ihr himmlisches Wunder zeig!

Mehlengel: Kommt alle nacheinander mit und singt im sachten Engelschritt!

(Alle Engel gehen durch den Saal mit dem Liede „Quem pastores laudavere“, Schwester Katharina erwacht, Lukas und die anderen Kinder laufen zum Backtrog.)

Mädchen: Es sind Kuchen darin, ja, Kuchen darin, es sind, ja, es sind! Schwester Kathrinchen, schau her geschwind!

Schwester Katharina: Ist’s möglich, ein Wunder von Gott gesandt? Der Trog voller Kuchen! Bis an den Rand!

Schwester Katharina: (verteilt) Nehmt, heißet ein zum Wohlbekomm! Ob’s Englein waren, lieb und fromm? Zum Wohlbekomm zur Weihnachtsfreude, mitten in Hungersnot und Leide.

Junge: Schaut an! Die Kuchen mit sechs Zacken, als hätten sechs Engel Kuchen gebacken!

Schwester Katharina: Ich glaube, sechs Engel kamen bei Nacht und haben so Schönes mitgebracht.

Mädchen: Schwester, wie mögen die Kuchen heißen? 

Mädchen: Die Honigkuchen vom fleißigen Bienchen!

Lukas: Gebt rasch einen Namen, Schwester Kathrinchen!

Schwester Katharina: Ich denke schon nach, doch gleich fällt mir nichts ein.

Lukas: „KATHARINCHEN“, so soll der Name sein.

Kinder: KATHARINCHEN!

Junge: Ja, die Kuchen werden „Katharinchen“ genannt, „Thorner Katharinchen“ im ganzen Land. All unsre Nachkommen sollen sie essen und sollen dabei nicht vergessen, wie Schwester Kathrinchen mit milden Händen der hungernden Brüder Not zu wenden.

Schwester Katharina: Drum seien Katharinchen immer bereit zum Freudemachen zur Weihnachtszeit. Nehmt froh alles mit, ihr Mädchen und Knaben!

Mädchen: Nein, Schwester Kathrinchen soll auch etwas haben!

Schwester Katharina: Horcht! Die Engel singen!

Engel: (singen) Quem pastores laudavere

Kinder:(antworten singend) Quibus angeli dixere

Engel: Absit vobis iam timere

Kinder: Natus est rex gloriae!