28.03.2024

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Folge 52-22 vom 30. Dezember 2022 / Vereinigtes Königreich / Auf dem Weg zu einem Klein-England / Zurück in die EU – Schotten, Nordiren und inzwischen sogar die Waliser wollen sich von London loslösen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-22 vom 30. Dezember 2022

Vereinigtes Königreich
Auf dem Weg zu einem Klein-England
Zurück in die EU – Schotten, Nordiren und inzwischen sogar die Waliser wollen sich von London loslösen
Peter Entinger

Das kommende Jahr sollte für Schottland das Jahr der Unabhängigkeit werden. Erst 2014 hatte sich eine Mehrheit der Schotten gegen eine Loslösung von Großbritannien entschieden. Doch die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon glaubt, dass sie mittlerweile die Zahlen auf ihrer Seite hat. „Alle Umfragen sprechen dafür“, sagte sie mit Blick auf ein neues Referendum. 

Doch der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs, der Supreme Court, ging dazwischen. Ohne Zustimmung aus London bleibe Schottland ein Teil des Vereinigten Königreichs, lautete der Gerichtsentscheid vom November. Sturgeon setzt nun auf die Macht des Faktischen. Sie will die nächste britische Parlamentswahl im Jahr 2024 zu einem Quasi-Referendum machen. „Wenn dann eine Mehrheit der Schotten bei Pro-Unabhängigkeitsparteien ihr Kreuz macht, ist dies ein klares Mandat. London muss diesem demokratischen Willen entsprechen“, argumentiert sie. 

Unabhängigkeitsbestrebungen vom Vereinigten Königreich haben eine lange Tradition. Sturgeon glaubt, dass die Menschen 2014 anders entschieden hätten, wenn sie gewusst hätten, dass sich eine Mehrheit der Briten für den Brexit entscheiden würde. Ihr Ziel ist es, Schottland wieder zurück in die EU zu führen. 

Ein neues Pulverfass

Doch nicht nur in Schottland haben die „Regionalisten“ wieder Zulauf. Und dies hat ebenfalls mit dem Brexit zu tun. Bei dem Referendum 2016 entschied sich zwar die Mehrheit der Engländer für einen EU-Austritt, und die Masse an Wählerstimmen gab dann den Ausschlag. Doch in Schottland und in Nordirland sprach sich eine Mehrheit für einen Verbleib in der EU aus. 

Nach diesem Ergebnis forderte der damalige irische Premierminister Enda Kenny ein Referendum über eine Vereinigung Nordirlands mit der Republik Irland. Dort würden derzeit mehr als zwei Drittel der Bürger für ein einiges Irland stimmen. Im Norden ist die Lage heikel. Ursprünglich lebten dort mehr Protestanten als Katholiken, und diese waren stets für einen Verbleib bei Großbritannien.

Doch mittlerweile stellen die Katholiken die Mehrheit der Bevölkerung. Und von dieser würde bloß ein Fünftel gegen einen Austritt aus Großbritannien stimmen. Hintergrund ist die Angst vor neuen Unruhen. So verübte die republikanisch-katholische Terrorgruppe Neue IRA wieder Anschläge. 

Selbst auf der Seite der London-treuen nordirischen „Loyalisten“ gibt es Untergrundaktivitäten. Sie stören sich am sogenannten Nordirland-Protokoll in den Brexit-Vereinbarungen zwischen der EU und Großbritannien. Durch dieses ist auf der Irischen See eine Zollgrenze entstanden. Seit dem Karfreitagsabkommen 1998, das den Bürgerkrieg inklusive Terroranschlägen beendete, waren alle relevanten Kräfte an der Regierung in Belfast beteiligt. Nun stellen sich die protestantischen Unionisten quer. Experten sprechen von einem Pulverfass. 

Selbst in Wales, wo seit 100 Jahren die Labour-Partei regiert, gibt es erstmals seit Jahrzehnten Diskussionen über eine Loslösung von London. Wenn die Tendenz andauere, könnte aus Großbritannien in einigen Jahren ein Klein-England werden, sagen Zyniker.