18.05.2024

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Folge 01-23 vom 06. Januar 2023 / TV-Kritik / Wer einmal in den Glückspfennig beißt / Ein Mord und viele Geheimnisse – Eine spannende ZDF-Miniserie beleuchtet düstere Familiendramen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-23 vom 06. Januar 2023

TV-Kritik
Wer einmal in den Glückspfennig beißt
Ein Mord und viele Geheimnisse – Eine spannende ZDF-Miniserie beleuchtet düstere Familiendramen
Anne Martin

Was wäre, wenn alles ganz anders verlaufen wäre? Wenn beim Abiball die schöne Luisa mit ihrem verliebten Mitschüler Peter getanzt hätte und nicht mit ihrem grauhaarigen Begleiter? Wenn jener zurückgewiesene junge Mann nicht völlig betrunken einen Lkw-Anhänger aus der Halterung gelöst und damit eine Kata­strophe ausgelöst hätte?

Kurz: Was wäre, wenn das Schicksal eine andere Wendung genommen hätte? Das ist die Ausgangslage für eine Tragödie, die eine Familie in den Abgrund reißen wird und in der auf zwei Kinder und eine Halbwüchsige eine unsichere Zukunft wartet („Gestern waren wir noch Kinder“, 9., 10., und 11. Januar, jeweils ab 20.15 Uhr in Doppelfolgen, ZDF). 

Der Einstieg in den Sechsteiler beginnt mit unbeschwerten Familienbildern: Der Schüler von einst ist längst ein erfolgreicher Anwalt und mit seiner Mitschülerin Anna (Susanna Simon) verheiratet. An deren 43. Geburtstag trifft sich die fünfköpfige Familie am liebevoll dekorierten Frühstückstisch.  Vater Peter (Torben Liebrecht) greift zu einem Stück Kuchen und beißt auf einen darin eingebackenen Glückspfennig. Wenig später wird er seine Frau scheinbar aus heiterem Himmel töten. 

Drehbuchautorin Natalie Scharf lässt nichts aus, was an kruden Verwicklungen an einem Autoren-Schreibtisch erfunden werden kann, auch wenn die Glaubwürdigkeit darunter leidet. Unbeschädigt ist in diesem Film niemand. Jeder verbirgt ein Geheimnis. Peter Klettmann trägt schwer daran, als Abiturient jenen tödlichen Unfall verursacht und seine Schuld nie gestanden zu haben. Seine Ehefrau Anna kann nicht verwinden, dass sie neben der seit Schulzeiten unerreichbaren Luisa immer nur die zweite Wahl war. Diese wiederum flüchtet bis nach New York, um ihrerseits einem düsteren Familiengeheimnis zu entfliehen.

Bleiben noch die Rückblenden auf das Elternhaus von Peter, in dem er heute mit seiner Familie lebt. Dieses großbürgerliche Haus mit großem Garten, in dem der Vater (Ulrich Tukur) als strenger Zuchtmeister regierte und die Mutter (Karoline Eichhorn) in die Demenz entglitt.

Die drei Kinder von Peter und Anna sind nach dem Tod der Mutter alleingelassen, die Jüngeren kommen in Pflegefamilien, die Ältere versucht alles, um das Sorgerecht zu erhalten. Ein Lichtblick scheint da der junge Polizist Tim (Julius Nitschkoff) zu sein, der als erster am Tatort eintrifft und später seine Hilfe anbietet. Aber auch er, so wird sich zeigen, trägt schwer an den Wunden seiner Herkunft. Auch er hat ein Geheimnis, und die letzten Worte, welche die sterbende Mutter ihm ins Ohr flüstert, sind als Fluch zu verstehen.

Wer bis zur letzten Folge dranbleibt, erlebt einen Blick in die Abgründe maroder Familien, fürs Fernsehen verdichtet und mit reichlich Thriller-Elementen versehen. Das kann man spannend finden. Oder ziemlich überzogen.