18.05.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 01-23 vom 06. Januar 2023 / Medizin / Ein einziges Medikament für 3,5 Millionen US-Dollar / Arzneimittelpreise steigen ohnehin – Doch im Bereich der Gentherapien erreichen sie mittlerweile unglaubliche Höhen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-23 vom 06. Januar 2023

Medizin
Ein einziges Medikament für 3,5 Millionen US-Dollar
Arzneimittelpreise steigen ohnehin – Doch im Bereich der Gentherapien erreichen sie mittlerweile unglaubliche Höhen

Vielen Krankheiten liegt nur ein einziger Gendefekt zugrunde. Daher scheint es sinnvoll, solche Fehler der Natur durch gentherapeutische Maßnahmen aus der Welt zu schaffen. Das hat allerdings auch Tücken. Um das Korrektur-Gen in die Zellen einzuschleusen, werden Viren als Träger benötigt – und zwar sehr viele. Dies kann zu tödlichen Überreaktionen der Immunabwehr führen. Deshalb sind funktionierende Gentherapien ohne gravierende Risiken und Nebenwirkungen nach wie vor Mangelware. 

Dazu kommen die immensen Kosten. Das Ende 2017 zugelassene Luxturna von Spark Therapeutics zur Behandlung schwerer erblicher Netzhautdefekte schlägt mit 850.000 US-Dollar pro Injektion zu Buche. Noch teurer ist eine Dosis Zolgensma des schweizerischen Pharmakonzerns Novartis für den Einsatz bei genetisch bedingtem Muskelschwund. Deren Preis liegt bei rund zwei Millionen Dollar, wodurch Zolgensma 2019 zum bislang höchstbezahlten Arzneimittel aller Zeiten avancierte. Doch jetzt wurde dieses Mittel durch das Präparat Hemgenix des Herstellers CSL Behring mit Sitz in der Ortschaft King of Prussia im US-Bundesstaat Pennsylvania entthront.

Für eine Dosis Hemgenix sind 3,5 Millionen Dollar fällig, was der Hersteller aus zweierlei Gründen für gerechtfertigt hält: Zum einen sei die Entwicklung sehr aufwendig gewesen und zum anderen erspare die per intravenöser Infusion zu verabreichende Gentherapie konventionelle Behandlungskosten von 700.000 bis 800.000 Dollar pro Jahr und Patient – und das möglicherweise für acht Jahre oder länger.

Hemgenix dabei Menschen helfen, die an der lebensbedrohlichen seltenen Krankheit Hämophilie B leiden. Die geht mit ständigen Blutungen in Gelenken, Muskeln und inneren Organen einher und resultiert aus dem Fehlen des Gerinnungsfaktors IX, auch Christmas-Faktor genannt. Bislang mussten die Betroffenen ein bis zweimal pro Woche diesen Faktor gespritzt bekommen. Hemgenix sorgt nun dafür, dass die Leber der Patienten beginnt, den Faktor IX eigenständig zu produzieren. Dazu trägt ein nicht infektiöses Adeno-assoziiertes Virus (AAV) die Genvariante FIX-Padua in die Zielzellen. Solche AAV-Viren stellen in der Regel keine Herausforderung für die Immunabwehr dar und minimieren auch ein weiteres Risiko von Gentherapien, nämlich die unbeabsichtigte Auslösung von Krebserkrankungen. 

Im Verlauf einer klinischen Studie von CSL Behring mit 54 Hämophilie-B-Patienten kam es innerhalb von zwei Jahren nur zu einem einzigen Krebsfall, wobei unabhängige Untersuchungen des Tumors ergaben, dass dieser nicht durch die Hemgenix-Gabe ausgelöst worden sein kann. Gleichzeitig benötigten 94 Prozent der Teilnehmer an der Studie keine Injektionen mit dem Faktor IX mehr. Aufgrund dessen haben sowohl die amerikanische Aufsichtsbehörde FDA als auch deren EU-Pendant EMA Hemgenix im November beziehungsweise Dezember die Zulassung erteilt. Und die Fachwelt fand bislang ebenfalls nichts zu bemängeln – abgesehen davon, dass der Preis für die Gentherapie exorbitant hoch sei. W.K.