18.05.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 01-23 vom 06. Januar 2023 / Pillau / Festung und Marinestandort / Vom Mittelalter bis in die Gegenwart hat der Ort an der Ostsee militärische und strategische Bedeutung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-23 vom 06. Januar 2023

Pillau
Festung und Marinestandort
Vom Mittelalter bis in die Gegenwart hat der Ort an der Ostsee militärische und strategische Bedeutung
Wolfgang Kaufmann

Die 1430 erstmals urkundlich erwähnte Siedlung Pilen – der Name war vom prußischen Wort für „Burg“ abgeleitet – gewann schnell an Bedeutung, als mehrere Sturmfluten zum Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts eine schiffbaren Rinne durch die Frische Nehrung gruben. Denn unter Nutzung dieses Seetiefs konnten nun Hansekoggen bis nach Königsberg gelangen. Aufgrund der strategisch günstigen Lage der ab 1445 dann Pillaw genannten Ortschaft ging der schwedische König Gustav II. Adolf hier am 6. Juli 1626 an Land. Anschließend errichtete sein Militär eine Festung und legte damit den Grundstein für den bis heute existierenden Marinestandort.

Am 20. November 1656 wechselte Pillau durch den Vertrag von Labiau in den Besitz des brandenburgischen Kurfürsten und Herzogs in Preußen Friedrich Wilhelm. Der ließ die bis dahin immer noch relativ kleine Ansiedlung zu einem Stützpunkt ausbauen, der als Basis für die brandenburgische Kriegsmarine von anfangs nur drei Schiffen mit zusammen 34 Kanonen unter dem Kommando des Reiter-Obristen Johann von Hille diente. 

Allerdings wuchs die Flotte recht schnell, was auch aus der regen Bautätigkeit auf der Werft in Pillau resultierte, wo damals um die zehn Schiffe vom Stapel liefen, darunter 1684 das Flaggschiff des Großen Kurfürsten, die Fregatte „Friedrich Wilhelm zu Pferde“. Die zeitweise bis zu 30 Einheiten wurden unter anderem im Zweiten Nordischen Krieg, in den Kaperkriegen gegen Schweden, Hamburg und Spanien sowie im Zuge der Gründung der kurbrandenburgischen Kolonien in Westafrika eingesetzt. In diesem Zusammenhang erließ Friedrich Wilhelm am 7. März 1682 auch das „Edict wegen Octroyierung der aufzurichtenden Handelscompagnie auf denen Küsten von Guinea“, durch das die Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie mit Sitz in Pillau entstand. Nach der Errichtung eines Bollwerkes rund um Pillau im Jahre 1722 verlieh König Friedrich Wilhelm I. der Siedlung am 18. Januar 1725 das Stadtrecht. Der nächste wichtige Markstein auf dem Wege der Entwicklung Pillaus war 1891/92 der Bau des Königsberger Seekanals durch das Frische Haff, denn dieser neue maritime Zugang zur Hauptstadt Ostpreußens konnte nun während des gesamten Winters befahren werden.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden in Pillau Kasernen für die V. Marine-Artillerie-Abteilung, dazu kamen 1914 mehrere Küstenbatterien zur Verteidigung des Flottenstützpunktes, welcher dann aber im Ersten Weltkrieg und in der Zeit danach keine nennenswerte Rolle spielte. 

Das änderte sich erst am 1. Oktober 1933, als sechs Boote der 1. Minensuchflottille unter Korvettenkapitän Friedrich Ruge in Pillau stationiert wurden. Dem folgten die Errichtung der Seefliegerhorste bei Neutief und Lochstädt sowie der Bau großer Hafenbecken mit Liegeplätzen für Kreuzer.

Später entschied die Führung der Kriegsmarine, in Pillau U-Bootfahrer ausbilden zu lassen, da der bisherige Standort der Unterseebootsschule in Neustadt/Holstein in Reichweite britischer Bomber lag. Die Verlegung der 1. U-Lehrdivision unter Fregattenkapitän Hans Ibbeken samt der dieser unterstellten 21. Unterseebootsflottille unter Korvettenkapitän Paul Büchel datiert auf den 13. Juni 1940. Die Ausbildung in Pillau erfolgte in zwei Abteilungen – eine für das seemännische und eine für das technische Personal, wobei der vormalige Kraft-durch-Freude-Dampfer „Robert Ley“ als Wohnschiff diente. Insgesamt kamen bei den Übungsfahrten 53 U-Boote von U 1 bis U 1204 zum Einsatz.

Ab 1941 beziehungsweise 1943 beherbergte Pillau zudem die 3. U-Ausbildungsabteilung sowie die 19. und 26. U-Flottille. In diesen Marine-Verbänden erhielten künftige U-Boot-Kommandanten das nötige Rüstzeug für ihre Laufbahn. Ansonsten waren in Pillau auch noch die Seenotrettungs-Flottille 60 mit zwölf Booten, neun Marine-Artillerie- beziehungsweise Flak-Abteilungen, fünf Marine-Schützenbataillone und diverse Marinefliegergruppen stationiert.

Als die Rote Armee Anfang 1945 in Ostpreußen vorrückte, avancierte Pillau zum größten Fluchthafen der Weltgeschichte: Zwischen dem 25. Januar und 22. April 1945 wurden von hier aus schätzungsweise 625.000 Menschen per Schiff evakuiert, darunter 141.000 verwundete Soldaten. Allerdings verloren aufgrund der ständigen Attacken durch sowjetische Flugzeuge und U-Boote auch viele tausend Deutsche ihr Leben. Der letzte größere Flüchtlingsdampfer war die „Erna“, die Pillau am 16. April verließ. An der Rettungsaktion nahmen trotz anderslautender Befehle sogar einige der Schul-U-Boote teil, welche nach Westen laufen sollten.

In der Nacht vom 20. zum 21. April 1945 startete die 39. sowjetische Armee unter Generalleutnant Iwan Ljudnikow einen Großangriff. Der endete am 25. April mit der Einnahme Pillaus, das somit als letzte ostpreußische Stadt in russische Hände fiel. Am 27. November 1946 wurde das annektierte Pillau in Baltijsk umbenannt, wonach es zum Hauptstützpunkt der Baltischen Rotbannerflotte der UdSSR avancierte. Und nun liegt in Baltijsk das Gros der Baltischen Flotte Russlands.