29.04.2024

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Folge 02-23 vom 13. Januar 2023 / „Ärzteverschwörung“ / Stalins letzter Schlag gegen die Juden / Vor 70 Jahren machte die „Prawda“ die angebliche Verschwörung erstmals öffentlich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-23 vom 13. Januar 2023

„Ärzteverschwörung“
Stalins letzter Schlag gegen die Juden
Vor 70 Jahren machte die „Prawda“ die angebliche Verschwörung erstmals öffentlich
Wolfgang Kaufmann

Josef Stalins Verhältnis zum Judentum war lange Zeit ambivalent. In „Marxismus und die nationale Frage“ erklärte er 1913, die Juden seien nur eine „Nation auf dem Papier“ und müssten sich assimilieren. Andererseits unterstützten die jüdischen Massen in Russland den Bolschewismus, was den Diktator später hoffen ließ, in der Sowjetunion eine proletarische Alternative zum Zionismus etablieren zu können. In diesem Zusammenhang erfolgte 1934, also ein Jahr nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten in Deutschland, die Schaffung der Jüdischen Autonomen Oblast im Fernen Osten Russlands. 

Nützlich gegen Deutschland

Nach dem Angriff des antisemitischen Dritten Reiches auf die Sowjetunion schienen die Juden die natürlichen Verbündeten der UdSSR zu sein. Mitglieder des im August 1941 gegründeten Jüdischen Antifaschistischen Komitees (JAK) richteten „Appelle an die Juden in der ganzen Welt“, den Bau von Panzern und Flugzeugen für die Rote Armee mit Geldspenden zu unterstützen, was im Westen auf große Resonanz stieß. Daher schien es nach 1945 so, als ob den sowjetischen Juden nun goldene Zeiten bevorstünden, zumal Stalin in der Hoffnung, damit die Position der Briten im Nahen Osten nachhaltig zu untergraben, es auch billigte, dass in Palästina ein jüdischer Staat entstand. 1947 hofften die Juden in der UdSSR sogar auf die Errichtung einer eigenen Sowjetrepublik auf der Krim.

Im Verlaufe des Jahres 1948 kippte indes die Stimmung, weil der junge jüdische Staat sich nach Westen orientierte. Nun verdächtigte Stalin die führenden Vertreter des Judentums in seinem Lande Agenten der US-Geheimdienste zu sein, die auf einen „zionistisch-imperialistischen“ Umsturz hinarbeiten. Daraus resultierten im September 1948 zahlreiche Verhaftungen von Mitgliedern des JAK und weiteren jüdischen Intellektuellen. Dem folgte am 28. Januar 1949 ein Artikel im kommunistischen Zentralorgan „Prawda“ gegen „unkontrollierte, böswillige Kosmopoliten, Profitjäger ohne Wurzeln und ohne Gewissen … Gewachsen auf der schimmligen Hefe des Kosmopolitentums, der Dekadenz und des Formalismus der Bourgeoisie … Nationalisten, hier nicht heimisch, ohne Mutterland“, womit unmissverständlich die Juden in der UdSSR gemeint waren. In der Zeit darauf kam es zu ersten Todesurteilen und Hinrichtungen. So wurden am 23. November 1950 der Schriftsteller Schmuel Persow und der Journalist Nachum Lewin erschossen.

Der größte Schlag gegen die geistige Elite der sowjetischen Juden erfolgte in der sogenannten Nacht der ermordeten Poeten vom 12. auf den 13. August 1952. Nach einem Geheimprozess starben insgesamt 13 Schriftsteller, Ärzte, Journalisten und Übersetzer, die allesamt dem Führungszirkel des JAK angehörten, im Erschießungskeller des Moskauer Lubjanka-Gefängnisses. 

Zusammenhang mit Israel

Bereits seit dem November 1950 saß der prominente Kardiologe und Kreml-Arzt Jakow Etinger, ebenfalls Führungsmitglied des JAK, in Haft. Ihm wurde vorgeworfen, in eine vorsätzliche Fehlbehandlung des Leiters der Abteilung Information des Zentralkomitees der KPdSU, Alexander Schtscherbakow, verwickelt gewesen zu sein und dessen Tod mitverschuldet zu haben. Deshalb wurde er auf Veranlassung des stellvertretenden Ministers für Staatssicherheit Michail Rjumin verhört und gefoltert, was schließlich im März 1951 zum Tode Etingers führte. 

Daraufhin suchte Rjumin nach weiteren Beweisen für eine Verschwörung unter Medizinern gegen die Staats- und Parteiführung, nicht zuletzt um seinen Vorgesetzten Wiktor Abakumow, der Etinger für unschuldig hielt, zu stürzen. Dabei spielte ihm eine Denunziation der Ärztin Lydia Timaschuk, die am Kreml-Krankenhaus arbeitete, in die Hände.

Schließlich konnte Rjumin Stalin davon überzeugen, dass die jüdischen Ärzte um Etinger neben Schtscherbakow auch das Politbüromitglied Andrej Schdanow auf dem Gewissen hatten und zudem noch weitere führende Funktionäre und Militärs der Sowjetunion wie die Marschälle Alexander Wassilewskij, Leonid Goworow und Iwan Konew ermorden wollten. In der Folge kam es ab September 1952 zur Verhaftung von 37 zumeist jüdischen Medizinern, darunter die beiden Leibärzte Stalins Miron Wowsi und Wladimir Winogradow. 

Stalins Tod bewirkte den Abbruch

„Bösartige Spione und Mörder unter der Maske akademischer Ärzte“ lautete die Überschrift des Artikels, mit dem die „Prawda“ am 13. Januar 1953 erstmals über die „Ärzteverschwörung“ berichtete. „Die Mehrheit der Mitglieder dieser Terroristengruppe“, so das KPdSU-Parteiorgan, „waren von amerikanischen Geheimdiensten gekauft. Sie wurden von einer Zweigstelle der amerikanischen Geheimdienste, einer internationalen jüdischen bourgeois-nationalistischen Organisation namens ‚Joint‘ angeworben. Das schmutzige Gesicht dieser zionistischen Spionageorganisation, die ihre bösartigen Handlungen hinter der Maske der Wohltätigkeit verbarg, ist nun vollständig zum Vorschein gekommen. […] Die Demaskierung einer Bande von Gift verabreichenden Ärzten stellt einen schweren Schlag gegen die internationale jüdisch-zionistische Organisation dar.“

Stalin plante einen großen Schauprozess gegen die inhaftierten Mediziner mit anschließender öffentlicher Erschießung oder Erhängung auf dem Roten Platz. Allerdings waren die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen, als der Diktator am 5. März 1953 nach mehreren Schlaganfällen verstarb. Möglicherweise hätte er diese überlebt, wenn Wowsi und Winogradow zur Stelle gewesen wären. 

Der Tod Stalins und die nachfolgende Entstalinisierung brachten einen Umschwung. Die Verhafteten kamen frei. Dafür wanderte nun Rjumin ins Gefängnis. Am 22. Juli 1954 wurde er für seinen Anteil an der Verfolgung erschossen. 

Nachdem es am 9. Februar 1953 auf dem Gelände der sowjetischen Botschaft in Tel Aviv zu einer Explosion gekommen war, hatte die Sowjetunion ihre diplomatischen Beziehungen mit Israel abgebrochen. Im Juli nahm sie sie wieder auf.