29.04.2024

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Folge 02-23 vom 13. Januar 2023 / Askanija-Nowa / Tierische Leidtragende des Ukrainekrieges / Das unweit des Frontverlaufs liegende Naturschutzgebiet hat deutsche Wurzeln

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-23 vom 13. Januar 2023

Askanija-Nowa
Tierische Leidtragende des Ukrainekrieges
Das unweit des Frontverlaufs liegende Naturschutzgebiet hat deutsche Wurzeln
Bodo Bost

In der Oblast Cherson am Schwarzen Meer vis-à-vis der Krim befindet sich das Naturschutzgebiet Askanija-Nowa. Zu diesem gehört neben einem Botanischen Garten und dem ukrainischen Forschungsinstitut für Steppenviehzucht ein akklimatisierter Zoo. Um Letzteren ist es schlecht bestellt. Es fehlt an Futter und Medikamenten, die Versorgungswege sind abgeschnitten, und die gesamten Besuchereinnahmen fallen weg. 

In dem großen Steppenpark, dem Vermächtnis des genialen Tier- und Naturfreundes Friedrich Falz-Fein, sieht es etwas besser aus. Die dort lebenden Przewalski-Pferde, auch unter dem Namen Asiatische oder Mongolische Wildpferde bekannt, sind weitgehend autark, nur im Winter muss etwas zugefüttert werden. Pferde sind Überlebenskünstler, sie haben bisher noch alle Zumutungen der Weltgeschichte überstanden. 

Die Menschen dort sind schlimmer dran. Reservate und Naturparks können den Beschuss überstehen, aber die Menschen, die in den Nationalparks und Naturreservaten arbeiten, müssen bei Gefahr evakuiert werden. Ein Biosphärenreservat kann jedoch ohne Betreuer nicht existieren. 

Askanija-Nowa ist ein wertvolles Reservat für die Ukraine und sein Ökosystem. Anderthalbtausend Huftiere und viele Vögel leben hier, nicht in freier Wildbahn, sondern nur unter halbwilden Bedingungen, sodass ihr Leben vollständig von der Arbeit des Personals abhängt. Die Huftiere müssen über Winter von einem Stall zum anderen gebracht werden. Ganz Askanija-Nowa wird schon seit fast 140 Jahren künstlich bewässert. Die Oase verdankt artesischen Brunnen ihre Existenz. Aber ohne Strom funktionieren sie nicht. Alle Tiere nehmen ihre Umgebung so wahr, als würden sie in freier Wildbahn leben, aber in Wirklichkeit trinken sie alle vom Menschen mittels Technik gefördertes Wasser. Wenn die Askanija-Nowa-Beschäftigten evakuiert würden oder der Strom ausfiele, würden auch die Tiere und die Natur leiden. Aus diesem Grund sind die meisten Arbeitnehmer noch dort. Durch die Rückeroberung der nördlich des Dnjepr gelegenen Teile der Oblast Cherson im Oktober durch die ukrainische Armee ist der Krieg allerdings wieder näher an den Naturpark herangerückt.

Wie der Name Askanija-Nowa (Neu-Askanien) bereits vermuten lässt, haben der Naturschutzpark und auch der gleichnamige Ort in seinem Zentrum deutsche Wurzeln. 1828 wurde Ascania Nova durch Herzog Ferdinand von Anhalt-Köthen als Kolonie seines anhaltinischen Herzogtums gegründet. 1856 ging die Kolonie durch Kauf in den Besitz von Friedrich Fein über. 

Dessen Urenkel, der 1863 in Askanija-Nowa geborene und 1915 nach einem Besuch des Zaren Nikolaus II. geadelte Baron Friedrich von Falz-Fein gilt als der Gründer des Naturschutzgebiets. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Cherson, dem Studium der Naturwissenschaften an der deutschsprachigen Universität Dorpat und dem Tod seines Stiefvaters übernahm er von diesem im Jahr 1890 den Betrieb des Familiengutes. 

Auf dem Gut wurden zunächst vor allem Schafe und Pferde gezüchtet. Das Haus Falz war Pferdelieferant für die russische Armee und deshalb sehr hoch angesehen im Zarenreich. In der Nähe des Landgutes war im 19. Jahrhundert die letzte Wildpferderasse Europas, der Tarpan, ausgestorben. Versuche, sie nachzuzüchten durch Kreuzungen – sogar mit Zebras wurde es versucht –, misslangen. 

Falz-Fein begnügte sich nicht mehr mit Schafs- und Pferdezucht, sondern machte aus dem 66.000 Hektar großen Gut ein Naturschutzgebiet mit botanischem Garten und Tierpark, das schließlich eines der größten der Welt wurde. Heute ist es UNESCO-Naturschutzgebiet und beherbergt neben den bereits erwähnten Przewalski-Pferden noch immer viele exotische Tiere wie Saigag-Antilopen, Bisons, Zebras oder Strauße.