07.05.2024

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Folge 03-23 vom 20. Januar 2023 / Russlands Verflechtungen haben seit Putins Einmarsch in die Ukraine eine deutliche Veränderung erfahren – Dennoch steht das größte Land der Welt nicht so isoliert da, wie der Westen es gerne sähe / Der russische Bär hat noch Gewicht / Politisch angeschlagen, doch wirtschaftlich nach wie vor gefragt – Verlagerung nach Osten und Süden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-23 vom 20. Januar 2023

Russlands Verflechtungen haben seit Putins Einmarsch in die Ukraine eine deutliche Veränderung erfahren – Dennoch steht das größte Land der Welt nicht so isoliert da, wie der Westen es gerne sähe
Der russische Bär hat noch Gewicht
Politisch angeschlagen, doch wirtschaftlich nach wie vor gefragt – Verlagerung nach Osten und Süden
Manuela Rosenthal-Kappi

Es ist eine Zeit der Spekulationen und der Propaganda. Westliche Quellen behaupten, Wladimir Putins Macht bröckele angesichts der Kriegsverluste und eines drohenden Zusammenbruchs der russischen Wirtschaft. Russland sei isoliert und verliere seinen Einfluss auf ehemalige Verbündete und die Mitglieder der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). 

Tatsächlich hat der Ukrainekrieg Putins Ruf als starker Führer sowie Russlands Gewicht als Ordnungsmacht und Stabilitätsgarant auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien und im Südkaukasus deutlich beschädigt. Als einziger politischer Verbündeter ist Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko Putin treu geblieben, doch auch der will sich vom russischen Bären nicht in den Ukrainekrieg hineinziehen lassen. Außenpolitisch kann Russland noch mit der Unterstützung des Iran und eingeschränkt  Chinas  rechnen. Weitere internationale Partner sind Syrien und Nordkorea. Überraschend rückt auch Israel wieder näher an Russland heran. Benjamin Netanjahu kündigte zwei Monate nach seiner Wiederwahl einen Kurswechsel an und nannte Putin seinen Freund. 

Etwas anders sieht es bei Russlands östlichem Partner aus. Chinas Staatschef Xi Jinping und Putin beschwören zwar ständig ihre strategische Zusammenarbeit vor dem Hintergrund einer schwierigen Lage weltweit, aber Xi mahnt immer wieder die Notwendigkeit eines Dialogs zwischen Russland und der Ukraine an. 

Tatsächlich gibt es Anzeichen dafür, dass Russlands bisherige Partner in Zen-tralasien Moskau politisch nicht mehr folgen wollen. Beim Gipfel der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) in Eriwan im Oktober, einem dominierten Militärbündnis mit Russland als Führungsmacht, unterzeichnete Armeniens Präsident Nikol Paschinjan die Abschlusserklärung nicht. Damit verlieh er seinem Ärger über den mangelnden Beistand Moskaus gegenüber Aserbaidschan im Konflikt um Bergkarabach Ausdruck. Der tadschikische Präsident Emomali Rachmon kritisierte, dass Moskau kleinere Länder wie zu Sowjetzeiten übergehe. Sein kasachischer Kollege Kassym Tokajew, dessen Macht Putin im Januar 2022 durch einen Einsatz des OVKS stabilisiert hatte, hat den Kremlherrn seitdem mehrfach öffentlich brüskiert. Innerhalb weniger Monate fanden zwei informelle GUS-Treffen in Russland statt. Beim letzten im Dezember appellierte Putin an die Führer der ehemaligen Sowjetrepubliken, sich nicht weiter von Russland zu lösen. 

Partner üben offen Kritik

Auch wenn die politischen Verflechtungen vor allem in Zentralasien von Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Ukrainekriegs überschattet sind, so bestehen die wirtschaftlichen dennoch fort. Russland spielt eine wichtige Rolle für China und Zentralasien. Seit Russlands Angriff auf die Ukraine üben die Handelspartner Zentralasiens zwar vorsichtige Zurückhaltung, die seit Jahrzehnten bestehenden engen Verknüpfungen können sie jedoch nicht kappen, da meist noch eine Abhängigkeit von Russland und den alten Vernetzungen bei Herstellungsprozessen besteht. In den Ländern Zentralasiens herrscht ein Klima der Unsicherheit, denn auch die EU und die USA zeigen Interesse an einer engeren Zusammenarbeit. Die GUS-Staaten fürchten, durch Sekundärsanktionen des Westens unter Druck zu geraten.

Die Energie-Supermacht Russland ist der Hauptlieferant von Öl für China. Putin sucht eine engere wirtschaftliche, politische und militärische Kooperation mit Peking, um die Verluste im Energiesektor zu kompensieren und Zugang zu Technologien zu erhalten. China leistet Moskau jedoch keine direkte materielle Unterstützung, weil es seine Handelsbeziehungen mit dem Westen nicht aufs Spiel setzen möchte. Die Wirtschaftszahlen zeugen indes von weiter bestehendem Interesse.

Im vergangenen Jahr wuchs der Handel mit China um 35 Prozent. Die täglichen Lieferungen über die Pipeline „Kraft Sibiriens“ überstiegen das vereinbarte Volumen, und auch in diesem Jahr sollen die Exporte steigen. In der derzeitig angespannten Situation ist es für Russland überlebenswichtig, neue Lieferwege Richtung Osten und Süden zu erschließen, zum Beispiel für russische Kohle. Die Exporte des Konzerns Gazprom in den Westen sind 2022 um 45 Prozent eingebrochen, nur in den GUS-Ländern konnte er seinen Absatz steigern. Auch die Erdölexporte haben zugelegt, wobei die Erlöse wegen des niedrigen Preises gefallen sind.

Laut Professor Alexander Knjasew, dem Leitenden wissenschaftlichen Mitarbeiter des Moskauer Instituts für internationale Studien, halten Bündnisse wie die von Russland dominierte Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU), BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) und die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) auch zukünftig gute Perspektiven für Russland bereit. 

Experten sind sich einig darüber, dass die russische Wirtschaft die Sanktionsfolgen bislang besser verkraftet hat als erwartet. Kaum ein Ökonom rechnet mit einem Zusammenbruch des Wirtschaftssystems in diesem Jahr, allerdings damit, dass sich die Rezession verstärken wird.