08.05.2024

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Folge 03-23 vom 20. Januar 2023 / Europa / „Wie Sie wissen, haben wir Krieg“ / Um eine Stromversorgung zu günstigen Preisen sicherzustellen, setzt Belgien bis 2035 auf Kernenergie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-23 vom 20. Januar 2023

Europa
„Wie Sie wissen, haben wir Krieg“
Um eine Stromversorgung zu günstigen Preisen sicherzustellen, setzt Belgien bis 2035 auf Kernenergie
Peter Entinger

Aufgrund der explodierenden Energiepreise infolge des Ukrainekriegs will Belgiens Regierung bis ins Jahr 2035 auf Kernenergie zurückgreifen. Das Kernkraftwerk Doel und der Kernreaktor Tihange 3 sollen zehn weitere Jahre laufen. Darauf haben sich die belgische Regierung und der im französischen Courbevoie sitzende Energiekonzern Engie geeinigt. 

„Mit diesen Entscheidungen können morgen die Arbeiten für die Verlängerung der beiden jüngsten Atomkraftwerke beginnen“, so der belgische Premierminister Alexander De Croo von der flämischen liberalen Partei Open VLD. Die Einigung sei wichtig, „weil sie dazu beiträgt, unsere Versorgungssicherheit in den nächsten Jahren zu garantieren“. Man übe künftig die Kontrolle über den in Belgien produzierten Strom aus, „und die Atomenergie ist im Allgemeinen günstiger als Gas“. Fast trotzig fügte der Premierminister hinzu: „Wie Sie wissen, haben wir Krieg.“

In Deutschland sorgen die in den 70er Jahren gebauten belgischen Atommeiler immer wieder für Diskussionen. Mehrfach wurden bei den Reaktoren im Nachbarland Mängel festgestellt. Und in der nächsten Umgebung keines anderen europäischen Atomkraftwerks leben so viele Menschen wie beim AKW Doel. Bereits im Jahre 2012 fanden Experten in den Blöcken Tihange 2 und Doel 3 Tausende Haarrisse in den Reaktordruckbehältern. Dennoch beschloss Belgien 2015 eine Laufzeitverlängerung bis 2025. 

Letztere erfolgte trotz massiver Proteste der Nachbarländer und ohne Prüfung der Umweltverträglichkeit. Der Europäische Gerichtshof, das Rechtsprechungsorgan der Europäischen Union, beurteilte dieses Vorgehen später als widerrechtlich. Noch im vergangenen Jahr hatte der Betreiber erklärt, ein Weiterbetrieb sei rechtlich schwierig, technisch kaum zu bewerkstelligen und nicht zu bezahlen. Nun sollen die betreffenden Meiler im Jahr 2025 für zwölf Monate vom Netz und ab 2026 wieder angeschlossen werden. 

Im politisch chronisch unruhigen Belgien birgt diese Entscheidung Zündstoff, wurde sie doch von den Grünen mitgetragen, die der amtierenden Regierung angehören. Die grüne Energieministerin Tinne Van der Straete hat die Einigung zusammen mit dem Premierminister verkündet. Belgische Kommentatoren spekulieren bereits, dass die Partei an einer „ideologischen Neuausrichtung“ nicht vorbeikommen werde. 

Mittlerweile wird nicht mehr ausgeschlossen, dass in Belgien irgendwann eine komplette Rolle rückwärts vollzogen wird, denn auch die benachbarten Niederlande setzten wieder verstärkt auf Nuklearenergie. Der Bau zweier Meiler soll das Land von fossilen Brennstoffen unabhängiger machen, sagte Ministerpräsident Mark Rutte im Dezember. Die Standorte wurden bereits gefunden.