03.05.2024

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Folge 04-23 vom 27. Januar 2023 / Italien / Die sizilianische Mafia ist eine andere geworden / Mann von gestern: In Palermo ist der krebskranke Pate Matteo Messina Denaro verhaftet worden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-23 vom 27. Januar 2023

Italien
Die sizilianische Mafia ist eine andere geworden
Mann von gestern: In Palermo ist der krebskranke Pate Matteo Messina Denaro verhaftet worden
Peter Entinger

Die letzten Tage des mutmaßlich mächtigsten italienischen Mafia-Bosses in Freiheit spielten sich in einer erbärmlichen Umgebung ab. Ein schlichtes zweistöckiges Appartement-Haus in der sizilianischen Kleinstadt Campobello di Mazara diente dem 60-jährigen Matteo Messina Denaro als Zufluchtsort. Zudem haben die Behörden am Rande des Städtchens einen unterirdischen Bunker gefunden, der Denaro wohl als Versteck diente. Der im Jahr 1993 untergetauchte Nachfolger der in Haft verstorbenen Bernardo Provenzano und Salvatore Riina könnte der letzte klassische Pate gewesen sein. 

Denaro unterschied sich von seinen Vorgängern, welche die wenig schmeichelhaften Spitznamen „Traktor“ und „Bestie“ trugen, bereits durch sein öffentliches Auftreten. „Rolex“ nennen sie ihn auf Sizilien, weil er eine Vorliebe für teure Uhren hat. Geboren in einer Mafia-Familie lebte der junge Denaro das Leben eines Beachboys. Rauschende Feste, große Sportwagen, auffälliger Schmuck und jede Menge schöne Frauen – das trennte ihn von den „Alten“, die nach außen biedere Familienväter waren. Geeint hatte sie ihre Brutalität. 

Drei Jahrzehnte jagten die nationalen und internationalen Behörden einem Phantom hinterher. Er wurde in der Schweiz, den USA und bei einem Formel-1-Rennen in Monte Carlo gesichtet. Angeblich. Die Realität sieht trister aus. Noch sind nicht alle Details bekannt, aber es gilt als wahrscheinlich, dass Denaro zumindest die letzten Jahre in seiner sizilianischen Heimat verbracht hat. Dort ist die Cosa Nostra mittlerweile nur noch ein Schatten ihrer selbst. 

In den 1990er Jahren hatte die Mafiaorganisation mit blutigen Anschlägen auf Staatsanwälte und Morden von Abtrünnigen für Entsetzen gesorgt. Provenzano und Riina wurden überführt, eine Tatbeteiligung Denaros, damals Heißsporn in der zweiten Reihe, gilt als wahrscheinlich. 

„Die Cosa Nostra ist von der kalabrischen Ndrangheta unter ihre Fittiche genommen worden, um nicht weiter an Bedeutung zu verlieren“, sagte der Mafia-Experte Sandro Mattioli. Sie hat ihre Strategie längst geändert. 

Statt auf Drogenhandel und blutige Exekutionen auf offener Straße hat sie europaweit zum Marsch durch die Institutionen angesetzt. Es sind Unternehmer, Anwälte und auch Politiker, welche die Clans mittlerweile führen. Es sind Menschen, die ein Leben im Untergrund, wie es die „Alten“ führen mussten, nicht führen wollen. 

„Messina Denaro ist ein Hüter von vielen Geheimnissen, die nun ans Tageslicht kommen könnten“, sagte Gaetano Grasso, Politiker und Unternehmer, der in Italien an der Spitze einer Anti-Mafia-Bewegung steht. In Italien herrscht die Vermutung, Denaro habe seinen Komplizen eine öffentliche Zurückhaltung verordnet. Dafür habe die Politik ein Auge zugedrückt. 

Anders ist es in der Tat kaum zu erklären, dass ein weltweit gesuchter Mann 30 Jahre lang unerkannt unter falschem Namen in seiner Heimat leben konnte, ohne entdeckt zu werden. „Das ist ein sehr heikles Thema“, sagte Mattioli: „Trotz jahrelanger Ermittlungen ist nichts Konkretes bekannt.“ 

Die neue italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat sich die Festnahme Denaros als Erfolg auf die Fahnen ihrer Regierung schreiben lassen. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, sagte Meloni. Dabei war sie gleich nach Amtsantritt unter Druck geraten, weil sie sich weigerte, ein Anti-Geldwäsche-Gesetz ihrer Vorgänger weiterzuführen. Das sei ein Freifahrtschein für die Mafia, sagten Kritiker.

Möglicherweise hat die neue Generation der Mafia sich auch einfach eines Mannes entledigt, der entbehrlich geworden ist. Der 60-Jährige leidet seit Jahren an einem Darmtumor mit Metastasen in der Leber. Der Zustand sei ernst, erklärten die behandelnden Ärzte. „Die Mafia ist nicht tot. Sie ist anders. Denaro wird keine Rolle mehr spielen“, sagte der linke Politiker Grasso.