03.05.2024

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Folge 04-23 vom 27. Januar 2023 / Romanbiographie / Mosaiksteinchen aus dem Leben der Großmutter / Gabriele hat aufgrund von Aufzeichnungen und Familienkorrespondenz eine spannende Geschichte rekonstruiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-23 vom 27. Januar 2023

Romanbiographie
Mosaiksteinchen aus dem Leben der Großmutter
Gabriele hat aufgrund von Aufzeichnungen und Familienkorrespondenz eine spannende Geschichte rekonstruiert
Dagmar Jestrzemski

„Spärliche, fast verloren gegangene Mosaiksteinchen aus blassen Bruchstücken, die kaum ein Ganzes ergeben können“, bewahrt Gabriele Engelbert aus dem hessischen Schlüchtern in Erinnerung an ihre 1889 im ostpreußischen Osterode geborene und 1957 in Hamburg gestorbene Großmutter Magdalena Zimmermann geborene Wüst. 

Jedoch verfügt die 1949 geborene Journalistin und Autorin über profunde Kenntnisse der Familiengeschichte dank eines großen Schatzes an überlieferten Briefen, Tagebuchaufzeichnungen und Chroniken. Die Verfasser sind Angehörige dreier Generationen der Lehrer- und Pastorenfamilie Wüst/Zimmermann. Somit war ihr auch der Lebensweg ihrer Großmutter Magdalena, genannt Lene, bekannt, der jüngsten Tochter von Ernst Leberecht Wüst, dem Direktor des Gymnasiums in Osterode, und von Martha Wüst geborene Goldnick vom westpreußischen Mühlengut Slupp bei Graudenz. 

Auf Basis der Schriftzeugnisse und früherer Buchveröffentlichungen schuf Engelbert eine faszinierende Romanbiographie über ihre Großmutter Lene mit dem Titel „Magdalenas Mosaik. Ein Frauenleben zwischen Eigensinn und Anpassung“. 

Entstanden ist ein sehr lesenswertes Buch, das zwischen fantasievollen Romanpassagen und teils seitenlangen Schriftzeugnissen von Lene und ihrer schreibfreudigen Verwandtschaft changiert. Magdalena Wüst wuchs als jüngstes Kind von sieben Geschwistern in einem freundlich und wohlwollend gestimmten Elternhaus auf. 

Die selbstbewusste, talentierte und bildungshungrige junge Frau verwirklichte konsequent ihre für die damalige Zeit eher ungewöhnlichen, hoch gehängten beruflichen Ziele. Durch zwei Kriege war auch sie gezwungen, Tod, Feuersturm und Vernichtung ins höllische Gesicht zu sehen. Der Zusammenhalt ihrer Familie war und blieb ihre Stütze.

Die wichtigsten Stationen: Nach zehn Schuljahren in Osterode Besuch des Lehrerinnen-Seminars in Elbing, Erzieherin auf einem Rittergut in Westpreußen, Turbo-Abitur in Königsberg 1911, Studium der Philologie und der Germanistik in Jena, wo ihre Eltern seit dem Ruhestand des Vaters lebten. 1912/13 einjähriger Aufenthalt in England im Rahmen des Studiums. 

Von Osterode bis Hamburg

Über ihre Erlebnisse als Gouvernante im Haushalt einer englischen Pastorenfamilie in Lightwood sowie Reisen nach London und in die Grafschaft Devon schickte Lene lebhafte Berichte an ihre Eltern, die, dafür sorgte der Vater, regelmäßig in dem Blatt „Heimat und Welt“ abgedruckt wurden, einer Beilage der „Danziger Zeitung“. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs kam die erstmalige Umwälzung ihrer Lebenspläne. 

Ab dem 15. Oktober 1914 war sie Krankenpflegerin zunächst in Bartenstein, dann in ihrer Heimatstadt Osterode. 1919 folgte die Heirat mit Paul Zimmermann, einem Lehrer aus Labiau, den sie in einem Lazarett an Flanderns Kriegsfront kennengelernt hatte. Bis zum Tod ihres Mannes 1936 war Labiau der Lebensmittelpunkt der Familie Zimmermann. Dort konnte Lene auch ihren erlernten Beruf als Lehrerin ausüben.

Ausgehend vom Ort der Rahmenhandlung in Hamburg-Eppendorf im Jahr 1953, läuft die Handlung mit eingeschobenen Rückblicken ab dem späten 19. Jahrhundert zunächst auf das Jahr 1936 zu, als die seit 1935 verwitwete Magdalena Zimmermann mit ihren Kindern Hanna und Georg von Westpreußen nach Hamburg in die Nachbarschaft ihres ebenfalls verwitweten älteren Bruders Ernst Friedrich Wüst umzog. Mit ihm teilte sie zuletzt eine Wohnung in der Haynstraße. 

Beim Lesen des Buches ist eine konsequente Aufmerksamkeit erforderlich, da die zahlreichen Zeitsprünge zurück in die Vergangenheit nicht durchgängig in chronologischer Reihenfolge eingefügt sind.

Wer ergänzend noch weitere authentische Beiträge zur Geschichte der Familie Wüst/Zimmermann in Ost- und Westpreußen lesen möchte, wird fündig in Zimmermanns 2018 erschienenem Buch „Wege zum Großvater. Mehr als nur ein Reisebericht“. Das Buch ist mit sehr schönen historischen und neuen Fotos ausgestattet. Man stößt darin auf Erlebnisberichte und Fotos des früheren Familientreffpunkts Schloss Peterhof, den „legendären“ Wohnsitz der Gutsbesitzerfamilie Chomse nahe Graudenz. In dieser paradiesischen Umgebung pflegte auch die Jugend der Familie Wüst/Goldnick ihre Sommer zu verbringen. Außerdem findet man in dem Buch einen 1952 niedergeschriebenen Bericht von Lene Zimmermann über das Leben mit ihrer Familie in der kleinen Landstadt Labiau von 1919 bis 1936.

Gabriele Engelbert: „Magdalenas Mosaik. Ein Frauenleben zwischen Eigensinn und Anpassung“, Verlag tredition 2022, Taschenbuch, 596 Seiten, 16,90 Euro