03.05.2024

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Folge 04-23 vom 27. Januar 2023 / Der Wochenrückblick / Theorien und Praxis / Wie uns sehr wohl etwas „weggenommen“ werden soll, und wie sich auch ein anderer Verdacht erhärtet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-23 vom 27. Januar 2023

Der Wochenrückblick
Theorien und Praxis
Wie uns sehr wohl etwas „weggenommen“ werden soll, und wie sich auch ein anderer Verdacht erhärtet
Hans Heckel

Erinnern Sie sich noch? Es ist die Jahreswende 2015/16, Deutschland wird seit Monaten überflutet von Asylsuchern, die Kanzlerin hatte unsere Grenzen sperrangelweit geöffnet für die ganze Menschheit und per Selfie überdies Willkommensgrüße in alle Welt gesendet. In dem Moment fingen einige Deutsche an, sich Sorgen zu machen. Eine davon – bei Weitem nicht die einzige – war: Wo sollen die eigentlich alle wohnen? Endet das in Zwangseinweisungen in unsere Privatwohnungen oder in Sonderabgaben für deutsche Eigenheimbesitzer, mit deren Erlös dann Häuser für die Neuankömmlinge finanziert werden?

Die Asyllobby erkannte umgehend die Brisanz dieser Fragen und fuhr ihr schwerstes Geschütz auf: Wer Wohnungssucher und Asylsucher „gegeneinander ausspielt“, der sei ein Rassist. Rumms, damit war die Debatte totgeschlagen. Es fiel dem damaligen Chef der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Volker Kauder, zu, auf der Begräbnisfeier das salbungsvolle und beruhigende Schlusswort zu finden. „Niemandem wird etwas weggenommen“ infolge der deutschen Willkommenskultur, schwor Kauder feierlich im Berliner „Tagesspiegel“ vom 2. März 2016. 

Da Kauder als folgsame Stimme seiner Herrin Angela Merkel bekannt war, wussten alle, dass durch ihn die mächtigste Instanz der Republik gesprochen hatte. Und Merkel hatte ja stets hervorgehoben, nicht nur für den Moment zu handeln, sondern stets die, so wörtlich, „gute Zukunft“ für „unser Land“ („Deutschland“ sagte sie ja nicht so gern) im Blick zu haben. Danach konnten wir alle beruhigt schlafen gehen.

Bis jetzt. Matthias Günther, Vorstand eines nach dem verstorbenen niedersächsischen CDU-Landesminister Eduard Pestel benannten Instituts, sagte der „Bild am Sonntag“, weil derzeit wieder so viele Geflüchtete nach Deutschland kämen, müsse die Gesellschaft „auf nicht absehbare Zeit mit dem Wohnungsdefizit umgehen müssen“. Dann lässt Günther die räudige Katze aus dem Sack: Menschen, die sehr viel Platz belegten, das seien vor allem ältere, müssten belangt werden: „Wer auf besonders vielen Quadratmetern wohnt, sollte auch mehr Steuern zahlen müssen.“

Wie war das? „Niemandem wird etwas weggenommen“? Hatten die „Verschwörungstheoretiker“ also doch recht? Ach, da faselt doch bloß so ein Instituts-Heini daher, höre ich. Stimmt, aber auf diese Weise fängt so etwas immer an. Als nächstes könnten Politiker, die dem Mann politisch nahestehen, die Idee des „Experten“ für eine Zusatzsteuer für Besitzer großer Wohnungen aufgreifen. Schließlich komme eine verantwortungsvolle Politik („Folgt der Wissenschaft!“) nicht umhin, solche Stimmen ernstzunehmen. So reift die verfemte „Theorie“ Häppchen für Häppchen zur geforderten Praxis. 

Wie praktisch, dass die Deutschen mit ihrer neuen Grundsteuererklärung gerade jetzt die für eine solche Zusatzsteuer notwendige Datenerfassung durch den Fiskus auf Vordermann bringen! Da muss man nicht erst alles nachzählen, wenn die Sache steigen soll, wie bei der Bundeswehr die Panzer.

Dass aus „Verschwörungstheorien“ oder „Falschnachrichten“ unversehens unbestrittene Wahrheit werden, passiert uns gefühlt immer öfter. Die ersten Berichte über einen geplanten Lockdown wurden noch im März 2020 vom Bundesgesundheitsministerium höchstselbst als „Falschnachrichten“ verworfen. Uns, die wachsamen Bürger, forderte das Ministerium damals auf, solchem Unsinn energisch entgegenzutreten. Ich selbst hatte meine feurige Entgegnung gegen diese Fake-News gerade erst fertigformuliert, da ereilte mich die Nachricht, dass ein Lockdown beschlossen worden sei.

Müllers Traum vom Klima-Lockdown

Die nächste bodenlose Verschwörungstheorie im Hinblick auf den Lockdown lautete, dass die rigiden Corona-Maßnahmen die Generalprobe für künftige Einschränkungen unserer Bürgerrechte im Namen ganz anderer Ziele wie beispielsweise dem „Klimaschutz“ darstellten. „Die Geschichte vom Klima-Lockdown ... hat überlebt als beliebte Verschwörungstheorie und neuer Kampfbegriff der Klimawandelskeptiker im Netz“, lasen wir beispielsweise in der Wiener „Presse“ am 19. Juni vergangenen Jahres unter der Dachzeile „Propaganda“.

Dieser Tage ist ein neues Buch im Suhrkamp Verlag erschienen mit dem vielsagenden Titel „Freiheit oder Leben? Das Abwägungsproblem der Zukunft“. Jürgen Habermas erklärt in dem Band, dass sich der Staat mit seinen selbsterschaffenen Problemen nicht durch grundgesetzliche Einwände behindert fühlen solle. Das ist natürlich sehr gewählt ausgedrückt, Habermas eben. Der Klimaextremist Tadzio Müller wird da schon erfrischend robuster. In einem Streitgespräch, das er auf Einladung der „Welt“ kürzlich mit der FDP-Politikerin Linda Teuteberg führte, spricht er ganz offen von einem „Klimanotstandsrecht“ und davon, dass der „Werkzeugkasten, den Regierungen hier haben“, „ineffektiv“ sei. Daher hätten die „Aktivisten“ das Recht, das geltende Recht zu brechen. Von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hält er allem Anschein nach nicht so viel, weil damit alle Entscheidungen zu spät kämen: „Bei der Klimakatastrophe geht es darum, ob wir in Kürze noch weiterleben können auf diesem Planeten“, so Müller dramatisch.

Was wäre jetzt zu tun? Da hat der radikale „Aktivist“ ein großes Vorbild: Die „einzige in der Marktwirtschaft des demokratischen Kapitalismus durchgeführte Politik, die eine deutliche Senkung des CO₂-Ausstoßes bewirkt“ habe, sei „der erste Corona-Lockdown 2020“ gewesen. Et voilà! Wie war das eben noch mit dem „Kampfbegriff der Klimawandelskeptiker“?

Nun sollte man zum autoritären Klima-Staat kommen, ohne allzu offensichtlich auf die demokratischen Instanzen loszugehen. Sonst könnte es Ärger geben. Die „Letzte Generation“ geht da recht geschickt vor. Erst einmal stellt einer ihrer Sprecher fest: „Die Regierung hat in der Frage der Klimakatastrophe auf ganzer Linie versagt“, um dann die Einsetzung von „Bürgerräten“ zu fordern, welche das Heft in die Hand nehmen sollen, ohne demokratisch gewählt worden zu sein.

Die gute alte Räteherrschaft also anstelle der repräsentativen Demokratie. Kommt uns bekannt vor. Und immer mit der gleichen Argumentation: Demokratie und Rechtsstaat benötigen zu lange, der Feind (die „Klimakatastrophe“) steht vor der Tür, es muss umgehend und radikal gehandelt werden, notfalls auch jenseits der geltenden Rechtsordnung. Es gilt der Ausnahmezustand. 

So haben noch alle antidemokratischen Putschisten und „Revolutionäre“ argumentiert. Willkommen in den tiefsten Tälern des 20. Jahrhunderts!

In Hamburg hatte gerade ein Theaterstück Premiere, in dem die gesamte Menschheit im Jahr 2030 per Gas in einen einjährigen Schlaf versetzt wird, um das Klima zu retten. Mal sehen, was Tadzio Müller und die Seinen aus dieser Vorlage machen.