03.05.2024

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Folge 05-23 vom 03. Februar 2023 / Schottland / Die Transgender-Revolution / Das schottische Transgender-Gesetz hat in Großbritannien einen erbitterten „Gender-Krieg“ ausgelöst – In Deutschland wird ein ähnliches Gesetz vorbereitet, was weit weniger Aufregung verursacht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-23 vom 03. Februar 2023

Schottland
Die Transgender-Revolution
Das schottische Transgender-Gesetz hat in Großbritannien einen erbitterten „Gender-Krieg“ ausgelöst – In Deutschland wird ein ähnliches Gesetz vorbereitet, was weit weniger Aufregung verursacht
Claudia Hansen

Die Revolution in Geschlechterdingen kommt auf leisen Sohlen. Über das von der Berliner Ampelkoalition in Deutschland vorbereitete „Selbstbestimmungsgesetz“, das sogenannten Transgender-Personen einen erleichterten Wechsel ihres Geschlechtseintrags möglich machen soll, gibt es kaum eine kritische Diskussion. Sicher, es erschienen ein paar Artikel, als Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) vergangenen Sommer die Eckpunkte für den Gesetzentwurf vorlegten. Aber seitdem herrscht Stille. Die Öffentlichkeit schläft.

Ganz anders in Großbritannien. Dort tobt ein schwerer Konflikt über ein Transgender-Gesetz, das auf den Titelseiten der großen Zeitungen ein beherrschendes Thema bildet. London blockiert ein vom schottischen Regionalparlament verabschiedetes Gesetz (Gender Recognition Reform Bill), das einen „Gender-Wechsel“ stark vereinfachen und erleichtern würde. Dabei sei ein „Geschlechtswechsel“ im biologischen Sinne gar nicht möglich, heißt es. Das Regionalparlament in Edinburgh habe seine Kompetenzen überschritten und greife unzulässig in das gesamtbritische Gleichstellungsgesetz (Equality Act) ein, argumentieren die Regierungsjuristen in London. Seitdem wird leidenschaftlich diskutiert.

Die „Gender-Wars“ – so das konservative Magazin „The Spectator“ – sind dabei, das Königreich zu zerreißen. Schottlands linke Regierungschefin Nicola Sturgeon beklagte nach dem Londoner Veto eine „Frontalattacke“ auf das schottische Parlament. Damit versucht Sturgeon, ihren Landesteil mal wieder als Opfer britischer Unterdrückung zu inszenieren und Punkte für ein neues Unabhängigkeitsreferendum zu sammeln. 

Aber auch in ihrer linksgerichteten Scottish National Party (SNP) bezweifeln einige, ob Sturgeon sich mit der Transgenderdebatte wirklich das richtige Thema ausgesucht hat. Laut Umfragen sind rund 60 Prozent der Schotten gegen das neue Gender-Gesetz.

Transgender-„Raubtiere“

Auf viel Skepsis stößt, dass sogar schon 16-Jährige ganz einfach einen neuen Gendereintrag beantragen können. Volljährige müssten nur noch drei Monate „im neuen Geschlecht leben“, dann können sie sich als Transgender deklarieren und ihre Geburtsurkunde ändern lassen.

Bislang war eine ärztlich-psychologische Untersuchung und Diagnose von „Genderdysphorie“ verpflichtend, künftig nicht mehr. Auch das in Deutschland besonders von Grünen und FDP vorangetriebene Selbstbestimmungesetz will Selbstidentifikation (Self-ID) zum entscheidenden Kriterium machen. (Trans-)Frau soll also sein, wer sich als Frau fühlt – so die neue Regenbogen-Orthodoxie.

Biologische Männer, die sich zu TransFrauen erklären, würden dann vollen Zugang zu allen bislang geschützten Räumen erhalten, wie Umkleideräumen für Frauen, Duschen in Schwimmbädern und Sportklubs, Saunen, Frauenhäusern und auch Frauenhaftanstalten.

Aus Sicht der Kritiker, zu denen etwa die „Harry Potter“-Autorin Joanne K. Rowling gehört, sind damit Gefahren verbunden. Wer garantiert, dass sich nicht Männer mit bösen Absichten in Frauenräume einschleichen? Die frühere Gleichstellungsministerin Kemi Badenoch von der Konservativen Partei, eine Kritikerin des Self-ID-Gesetzes, warnte in der Zeitung „Times“ vor zu laschen Kontrollen: Sexualstraftäter, die sie als „Raubtiere“ bezeichnet, würden ein solches System leicht ausnutzen können.

„Enthauptet Terfs!“

Dass dies nicht bloß Angstphantasien sind, zeigte ein aktueller Prozess im schottischen Glasgow. Mit einer blonden Perücke, langen falschen Fingernägeln und blassrosa Daunenjacke erschien dort „Isla Bryson“ (früher Adam Graham) vor Gericht. Vergangene Woche wurde der 31-Jährige, der sich jetzt als „Trans-Frau“ bezeichnet, vom Richter wegen Vergewaltigung zweier Frauen verurteilt. 

Für Stirnrunzeln sorgte, dass Graham/Bryson in die Frauenhaftanstalt Cornton Vale in Stirling eingewiesen wurde. Sandy Brindley, Chefin der Frauenhilfsorganisation Rape Crisis Scotland, kritisierte das. „Es wäre falsch, einen Vergewaltiger mit männlichem Körper in ein Frauengefängnis zu stecken“, findet Russell Findlay von den schottischen Konservativen. Und doch liegt genau dies in der Logik des neuen Transgender-Gesetzes.

Schon heute sitzen laut einem „Times“-Bericht vom vergangenen November anderthalb Dutzend Transgender-Häftlinge, darunter mehrere Sexualstraftäter, in Schottland in Frauengefängnissen. Etwa die Hälfte hatte sich erst nach ihrer Verurteilung zu Trans-Frauen erklärt. Es gab auch schon Fälle von Transgender-Häftlingen, die nach ihrer Entlassung wieder ins männliche Geschlecht zurückgekehrt sind.

Aus Sicht der Trans-Lobby spricht all das nicht gegen ein Selbstidentifizierungsgesetz. Allerdings ist sie in Großbritannien doch deutlich in die Defensive geraten. Der Umschwung mag auch die Aggressivität erklären, mit der die LGBT-Lobby Dominanz im Diskurs beansprucht und Kritiker bekämpft hat. 

Feministinnen wie die Schriftstellerin J. K. Rowling werden als sogenannte Terfs (Trans-exklusive Feministen) beschimpft. Der Hass fanatischer Trans-Aktivisten steigert sich bis hin zu Tötungsfphantasien. „Enthauptet Terfs!“ stand in dicken Lettern auf einem Plakat neulich bei einer Demonstration in Glasgow. Mehrere SNP-Abgeordneten standen davor, haben das Plakat aber angeblich nicht bemerkt. Inzwischen ermittelt die Polizei wegen „Hate Speech“ (Hassreden).

Verwirrte Politiker

Auch in der Labour-Partei schwelt der Streit über die Trans-Fragen. Die trans-kritische Abgeordnete Rosie Duffield aus Canterbury wird seit Jahren von Kollegen gemobbt. Labour-Chef Keir Starmer machte sich derweil in einem Interview lächerlich, als er eine klare Definition des Worts „Frau“ verweigerte. „Trans-Frauen sind Frauen“, lautet das LGBT-Dogma, dem er sich anschließt. Schließlich sagte Starmer, dass „die meisten Frauen keinen Penis“ besäßen. Es zeigt den Grad der Verwirrung, der in der Debatte inzwischen herrscht.

Anders als in der deutschen herrscht in der britischen Öffentlichkeit und den dortigen Medien inzwischen ein überwiegend kritischer Diskurs über das Transgender-Thema. Das liegt aber auch daran, dass die Trans-Bewegung – obwohl sich nur 0,2 Prozent der Bevölkerung dazu bekennen – auf der Insel eine sehr mächtige Lobby etabliert hat, die mehrheitlich vielen Briten sauer aufstößt.

Etwa der Verein Mermaids (Meerjungfrauen), der „Transgender-Kinder“ auf dem Weg zur Gender-Umwandlung unterstützt. Mitarbeiter von Mermaids halten jährlich Hunderte Vorträge und Trainings in Schulen, im staatlichen Gesundheitsdienst NHS und in Polizeibehörden. Vor Kurzem musste das Kuratoriumsmitglied Jacob Breslow, ein junger Gender-Wissenschaftler von der London School of Economics, zurücktreten, nachdem eine frühere Rede von ihm bei einer Pädophilen-Konferenz bekannt geworden war.

Trans-Person als Modeerscheinung

Die staatliche Wohltätigkeitskommission Charity Commission for England and Wales ermittelt, ob Mermaids gegen Richtlinien verstoßen hat. Auch die extrem einflussreiche LGBT-Organisation Stonewall ist etwas in die Defensive geraten, seit die Regierung Verträge mit ihr auflösen will.

Der schwerste Rückschlag für die Trans-Bewegung ist aber die Schließung der Londoner Tavistock-Genderklinik in diesem Frühjahr (die PAZ berichtete). An ihr wurden in den vergangenen Jahren Tausende Jugendliche mit Hormontherapien auf spätere chirurgische Eingriffe vorbereitet. Dadurch hatte sich die Zahl der jungen Transgender-Patienten in einem Jahrzehnt auf 2500 verfünfzigfacht. 

Nach einem vernichtenden Bericht einer prominenten Kinderärztin entschied der NHS, die zentrale Transgender-Klinik dichtzumachen. Künftig sollen die Jugendlichen dezentral und vorsichtiger behandelt werden. Dennoch ist zu erwarten, dass die Zahl der Transgender-Personen weiter zunimmt. Manche Beobachter sehen darin eine regelrechte Modeerscheinung, die besonders verunsicherte Jugendliche in die Arme der Trans-Bewegung treibt.

Immerhin wird in Großbritannien nun kritischer diskutiert. Das schottische Gesetz ist inzwischen gestoppt. In Deutschland dagegen sieht es bislang so aus, dass die rot-grün-gelbe Koalition ihr Transgender-Gesetz in diesem Jahr durch den Bundestag bringen wird.